Donnerstag, 19. März 2020

Briefe 575 und 576 vom 14.11.1944


Du mein liebstes gutes Mädel!                                                                          14.11.44 

 Ich fange heute gleich früh an, Dir meine Grüße zu senden, denn mein Feldwebel fährt ganz plötzlich auf Urlaub, sodaß ich ihm dieses Schreiben mitgebben kann. Auf Deine Schreiben gehe ich nochmals besonders ein. Es ist ja so, daß Du sonst wieder länger auf Nachricht von mir warten mußt, wenn jetzt ein solcher Brief aus der Reihe tanzt. Bei uns ist es hier recht kalt geworden, denn ein eisiger Ostwind fegt über den gegenüberliegenden Hügel hinweg. Man muß sich schon tüchtigbewegen, wenn man nicht gar zu sehr frieren will. Doch wenn man seinen Bunker noch heizen kann, dann geht das schon. Man kann doch die starren Glieder wieder aufwärmen. _ Ich muß Dich bei dieser Gelegenheit gleich noch um etwas bitten. Mit der nächsten Zeitungssendung kannst Du mir doch ein Taschenspiegel zusenden. Du kannst ihn mit Klebestreifen festmachen, denn mir ist meiner entzwei gegangen. _ Dich und die Kinder grüße ich recht herzlich. Viele liebe Küsse füge ich bei und bin in Liebe immer 

Dein Ernst.


Mein liebes, gutes Mädel!                                                                                          14.11.44  

Das ist ja nun der zweite Brief, den ich heute an Dich schreibe, wenn ich den kurzen Gruß, den ich unserem Feldwebel mitgeben konnte, als Brief bezeichnen kann. Ich kam von der Wache zurück und habe gleich noch ein paar Zeilen geschrieben, damit Du zwischendurch gleich wieder Nachricht bekamst. Doch Du sollst nun nicht merken, daß eine Lücke deshalb entsteht, darum setze ich mich zu meiner gewohnten Schreibstunde wieder hin, um mit Dir zu plaudern. Post ging gestern keine von Dir ein, das möchte ich gleich zum Voraus bemerken, doch ich kann ja noch auf die anderen Briefe zurückgreifen, aus denen ich noch manches zu beantworten. _ Du behandelst nochmals die Frage wegen der Sachen, die Du im Keller im Luftschutzkoffer aufbewahrst und kommst zu dem Schluß, daß es doch besser sei, wenn Du diese Sachen alle unten läßft. Ich glaube auch, daß das nach meinem Urteilungsvermögen das Beste ist. Wenn Du die Wäaschwe und das, was sonst noch notwendig ist, ab und zu einmal an die Luft bringst, dann wird das vollauf genügen.  Daß Du Deine Frisur verändert hast, macht mir im Moment wenig Kummer, denn ich bin ja leider immer noch fort von D ir. Wenn es mir nicht paßt, dann hoffe ich, daß  ich den Mut dazu aufbringe, um Dir das zu sagen. Wenn aber die Kinder und das Urteil der anderen Leute dahin lautet, daß Du noch jünger aussiehst, dann muß ich mich wohl bald verstecken, denn wenn die mich mit meinem grauen Kopf sehen, dann werden die Leute glauben, ich gehe mit meinen beiden Töchtern spazieren. Aber laß es, das werde ich mit Geduld zu tragen wissen, wenn man mir sowas anträgt. _ Du schreibst mir, daß Du gerne nocht mit mir plaudern möchtest, doch bist Du der Ansicht, daß alles auf dem Papier anders aussehen würde, wie Du es gerne haben wolltest. Hast Du Dich schon einmal gefragt, ob ich das so empfinde, wie Du sonst bist? Ich kenne Dich, und das, was Du schreibst, ist mir immer wieder Dein Spiegelbild. Ich bin kein Schriftsteller und Du auch nicht, das ist uns Beiden ja bekannt. Darum kannst Du trotz allem frei von der Leber weg schreiben, denn Du bist mein Mädel, und ich weiß, wie ich das alles zu werten habe. _ Ich danke Dir für die Übersendung der Ausschnitte aus der Zeitung.  Daß der Miehle auch gestorben ist, ist doch sonderbar. Vor nicht allzulangen Jahren starb doch der Gaß ebenfalls als Leutnant. Die Landungen, die bei uns in der Nähe vorgenommen werden. Da gibt es ja wieder einige Häuser in unserer Nähe.  Für jetzt will ich wieder abschließen und Dich und die Kinder recht herzlich grüßen. Viele liebe Küsse füge ich bei. Vater grüße wieder von mir und sei Du selbst recht oft nochmals geküßt von 

Deinem Ernst.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen