Donnerstag, 19. März 2020

Brief 596 vom 11.12.1944


Du mein liebster Schatz!                                                                                           11.12.44       

Trüb, grau und neblig ist wieder einmal das Wetter. Ich kann wohl immer noch mit Recht sagen, dass das unser Glück ist, denn das Wasser ist noch kein gewisses Hindernis, das zu überwinden ist. Es ist zwar auch wieder nicht so, daß es keine Möglichkeit gäbe, daß man nicht darüber hinwegkommen könnte, aber es ist doch anders wie freies Gelände. Gewappnet muß man immer sein. _ Wenn Du mir so von Büchern schreibst, so bin auch ich der Ansicht, daß man nur welche lesen soll, die einem Erholung bringen. Die Zeit fordert an sich schon viel Nervensubstanz, so daß man nicht außerdem noch welche in der sogenannten Erholungszeit dazu geben kann. Franssen ist an sich schwerblütig und die Gegend hat eben ihre Spökenkieker, wie man dort sagt. Die Menschen sind dort wunderlich, so daß es ganz erklärlich ist, wenn dann so was zur Schilderung kommt. Aber, wie gesagt, man muß sich nicht noch mit solchen schweren Sachen herumschlagen. Daß dann das andere Buch so willkommene Abwechslung war, kann ich mir dann gut vorstellen. Ich bin Dir bestimmt nicht böse, wenn Du mir ab und zu von diesen Dingen schreibst, denn ich komme ja nicht zum Lesen von größeren Büchern. In unseren Zeitungen gibt es immer einmal einige Artikel und Aufsätze, die interessant sind, wenn ich dann etwas Zeit habe, dann lese ich diese, genau wie die übrigen Zeitungssendungen, die ich von Dir und von Deinem Vater bekomme. Das Buch „Der liebe Augustin“ hattest Du also schon gelesen. Ich denke, daß es Dir sicherlich auch gefallen hat. Ich war ja am Anfang etwas dagegen eingenommen. Ich habe aber reumütig bekannt.  Einen Adventskranz habt Ihr wohl auch in diesem Jahr nicht gemacht. Immer um diese Zeit muß ich daran denken, wie vor Jahren unser Kurt von den Bauern in Urlaub nach hause kam. Wie froh war ich nur erst, daß wir uns wieder einmal sahen. Es war um jene Zeit, wo er noch einen Lodenmantel bekam. Wir waren dann zusammen in den Wald gefahren um Tannenreis zu holen. Leider war unser Verstehen (?) so kurz, denn bald zog er sich zu Paula zurück, die ihn dann auf ihre Art beeinflußte.  Nannie schrieb mir auch wieder, wie oft sie an diesen ordentlichen Jungen denkt. Vor zwei Jahren war dann die Zeit, wo er einen letzten Urlaub daheim verbringen konnte.  Wie hart war das Schicksal und sein Lebensweg. Aber wir müssen uns, so hohl , wie das klingen mag, damit abfinden, denn uns bleibt nur eine gute Erinnerung an ihn. _ Post kam gestern überhaupt nicht an. Es steht also heute welche in Aussicht, wenn ich Glück habe. Ich lege Dir heute eine neue Päckchenmarke mit bei. Es steht ja alles darauf. Ich bitte Dich aber, warte doch noch einige Tage zu, bis ich Dir wieder schreibe, ob es auch lohnt, daß Du mir etwas zuschickst. Es ist doch so, daß wir hier alles mit uns herumtragen müssen. Vielleicht tritt doch irgendwie eine Änderung ein, dann hätte ich das alles am Hals. Hebe sie mit auf, bis ich Dir Bescheid gebe.  Lasse Dich und die Kinder recht herzlich grüßen. Viele liebe Küsse füge ich Dir bei und bin immer 

Dein Ernst

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