Du mein liebes gutes Mädel! 4.12.44
Gestern mußte ich einmal stärkeres Kaliber auffahren, um
wieder klare Linien zwischen uns herzustellen. Hoffentlich hast Du es auch so
aufgefaßt, wie ich es gemeint habe. Du weißt ja, daß ich Dir nicht ernstlich
böse sein kann. Wenn ich mir einmal erlaube, etwas satirischer zu werden, dann
hängt das auch mit der jeweiligen Stimmung zusammen. Ich könnte nicht gerade
sagen, daß ich gestern in schlechter Stimmung gewesen sei. Aber ein bißchen
Struweln und Fuchsen ist doch gewissermaßen Würze des Lebens. Also lassen wir
das so. _ In Deinem letzten Brief schreibst Du mir, daß es Dich gefreut hat,
daß wir hier Kuchen erhalten hatten. Das war inzwischen zum Sonntag mehrere
Male der Fall. Leider war er unsrem Koch etwas danebengeraten, weil er nur
Roggenmehl hatte und dann wohl auch keine Hefe. Ausserdem mußte er zum Strecken
Kartoffel nehmen. Das hat aber der Liebe keinen Abbruch getan, wir haben ihn
genau so gern gegessen, wie wenn er so gewesen wäre, wie er hätte sein sollen.
Aber am vergangenen Sonntag, da gab es wieder einen Streuselkuchen, der war
recht ordentlich. Das hat läßt nicht nur Sonntagsstimmung im Magen sondern auch
im Herzen aufkommen, in Sonderheit, wenn man noch einen Brief dazubekommt von
seiner lieben Frau. Daß dann ein Satz einen etwas spinitsieren läßt, ist dann
nicht weiter verwunderlich. Heurte lege ich Dir einen Zeitungsartikel bei, der
Dir sicherlich auch gefallen wird, weil er Erinnerungen an eine gleiche Lage
hervorruft. Lustig ist dabei, daß er noch auf unseren Jungen paßt, zwar stimmt
es mit dem Schluß bei uns nicht überein. Die ganzen Tage hat das Wetter uns ganz gut hier gehalten. Das klima war für die
Jahreszeit noch als mild zu bezeichnen. Abends zum Essenholen hat man noch ohne
Mantel gehen können, doch in der vergangenen Nachthat es wieder einmal
umgeschlagen. Erst wurde es ziemlich kalt, was durch einen kräftigen Wind
verstärkt wurde. Gegen Morgen fing es
an zu schneien, sodaß die Kälte etwas nachließ. In unserem gegenwärtigen Bunker
pfeift es ganz nett herein, denn er liegt mehr hinter eine Anhöhe versteckt an
einem toten Arm des Flußes. In die Erde konnte hier nicht weiter hineingebaut
werden, denn dann hätten wir gleich wieder mit den Füßen im Wasser
gestanden. Vorläufig können wir aber
unsere Budenoch beheizen, und das ist ja schon sehr wichtig. Heute habe ich wieder 85,RM an Deine Adresse
abgesandt, die zur Verfügung bei Dir bleiben sollen. Ich kann mich nicht
erinnern, ob Du mir schon den Erhalt der im vergangenen Monat abgesandten 50,RM
bestätigen konntest. Wenn es nicht angekommen sein sollte, dann müßte ich hier
reklamieren. Den Eingang von Zeitungen
könnte ich Dir noch bestätigen. Wenn ich das einmal vergessen sollte, so mußt
Du mir das nicht weiter ankreiden. Ich freue mich jedesmal darüber. Ich bin
hier bei uns aber schon wieder mit meinem Zeitungsgroßempfang bekannt geworden,
denn Dein Vater läßt es sich nicht nehmen, mir genügend geistige Nahrung
zukommen zu lassen. _ Bleibt mir gesund, haltet den Kopf obern und laßt Euch
alle Drei, meine Lieben, recht, recht herzlich grüßen und küssen von
Deinem
Ernst.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen