Donnerstag, 19. März 2020

Brief 589 vom 4.12.1944


Du mein liebes gutes Mädel!                                                                               4.12.44

Gestern mußte ich einmal stärkeres Kaliber auffahren, um wieder klare Linien zwischen uns herzustellen. Hoffentlich hast Du es auch so aufgefaßt, wie ich es gemeint habe. Du weißt ja, daß ich Dir nicht ernstlich böse sein kann. Wenn ich mir einmal erlaube, etwas satirischer zu werden, dann hängt das auch mit der jeweiligen Stimmung zusammen. Ich könnte nicht gerade sagen, daß ich gestern in schlechter Stimmung gewesen sei. Aber ein bißchen Struweln und Fuchsen ist doch gewissermaßen Würze des Lebens. Also lassen wir das so. _ In Deinem letzten Brief schreibst Du mir, daß es Dich gefreut hat, daß wir hier Kuchen erhalten hatten. Das war inzwischen zum Sonntag mehrere Male der Fall. Leider war er unsrem Koch etwas danebengeraten, weil er nur Roggenmehl hatte und dann wohl auch keine Hefe. Ausserdem mußte er zum Strecken Kartoffel nehmen. Das hat aber der Liebe keinen Abbruch getan, wir haben ihn genau so gern gegessen, wie wenn er so gewesen wäre, wie er hätte sein sollen. Aber am vergangenen Sonntag, da gab es wieder einen Streuselkuchen, der war recht ordentlich. Das hat läßt nicht nur Sonntagsstimmung im Magen sondern auch im Herzen aufkommen, in Sonderheit, wenn man noch einen Brief dazubekommt von seiner lieben Frau. Daß dann ein Satz einen etwas spinitsieren läßt, ist dann nicht weiter verwunderlich. Heurte lege ich Dir einen Zeitungsartikel bei, der Dir sicherlich auch gefallen wird, weil er Erinnerungen an eine gleiche Lage hervorruft. Lustig ist dabei, daß er noch auf unseren Jungen paßt, zwar stimmt es mit dem Schluß bei uns nicht überein. Die ganzen Tage hat das Wetter uns  ganz gut hier gehalten. Das klima war für die Jahreszeit noch als mild zu bezeichnen. Abends zum Essenholen hat man noch ohne Mantel gehen können, doch in der vergangenen Nachthat es wieder einmal umgeschlagen. Erst wurde es ziemlich kalt, was durch einen kräftigen Wind verstärkt wurde.  Gegen Morgen fing es an zu schneien, sodaß die Kälte etwas nachließ. In unserem gegenwärtigen Bunker pfeift es ganz nett herein, denn er liegt mehr hinter eine Anhöhe versteckt an einem toten Arm des Flußes. In die Erde konnte hier nicht weiter hineingebaut werden, denn dann hätten wir gleich wieder mit den Füßen im Wasser gestanden.  Vorläufig können wir aber unsere Budenoch beheizen, und das ist ja schon sehr wichtig.  Heute habe ich wieder 85,RM an Deine Adresse abgesandt, die zur Verfügung bei Dir bleiben sollen. Ich kann mich nicht erinnern, ob Du mir schon den Erhalt der im vergangenen Monat abgesandten 50,RM bestätigen konntest. Wenn es nicht angekommen sein sollte, dann müßte ich hier reklamieren.  Den Eingang von Zeitungen könnte ich Dir noch bestätigen. Wenn ich das einmal vergessen sollte, so mußt Du mir das nicht weiter ankreiden. Ich freue mich jedesmal darüber. Ich bin hier bei uns aber schon wieder mit meinem Zeitungsgroßempfang bekannt geworden, denn Dein Vater läßt es sich nicht nehmen, mir genügend geistige Nahrung zukommen zu lassen. _ Bleibt mir gesund, haltet den Kopf obern und laßt Euch alle Drei, meine Lieben, recht, recht herzlich grüßen und küssen von 

Deinem Ernst.

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