Zu Dir mein lieber
Schatz 16.10.44
wandern heute wieder
meine Gedanken und meine besten Grüße. Ich sitze hier in unserem Erholungsheim
und lasse es mit gut sein. Etwa 15 km hinter der Front befindet es sich und
liegt mitten im Wald. Herrlich wohltuend wäre die Ruhe und man könnte sich
direkt in Friedenstage hineinträumen, wenn nicht immer wieder das Gerummse aus
der Ferne daran erinnern würde, daß wir uns unweit der Front befinden. Trotz
allem kann man sich hier ausruhen und man kann sich einmal andere Gedanken
sammeln als die, die uns sonst bewegen. Milde scheint die Herbstsonne zum
Fenster herein und leichter Wind bewegt die wenigen Blätter, die noch auf den
Bäumen verblieben sind. Ein säuerlicher Rauch liegt in der Luft und läßt mich
an Tage gedenken, die wir früher gemeinsam den herbstlichen Wald durchstreifend
ver brachten. Ich habe vor einem oder vor zwei Jahren schon einmal an unsere
gemeinsame Fahrt über den Schienerberg nach Stein erinnert. Es war zwar noch
einige Tage später, aber nach dem Nebel hatten wir auch so einen sonnigen Tag
bekommen. Der sich absetzende Nebel hing in den gelben Blättern und nach und nach
tropften sie sich ab. In Stein merkten wir dann zu guter letzt, daß wir nicht
genügend Fahrgeld hatten, darum fuhren wir bloß bis Tägerwilen. Aber noch
einsgibt mir heute Anlaß zu solchen Gedan ken, denn mir fiel hier ein Buch von
dem allemannischen Dichter Hermann Busse in die Hand. „Allemanische
Geschichten“, das gleich mit seiner ersten Geschichte in Konstang anfängt. Muß
man dann in dieser Umgebung nicht solche Gedanken, wie ich sie eben schildere,
bekommen? Es gibt aber noch einiges andere zu schreibben. So habe ich erst
gestern noch an Erna zum Hochzeitstag geschrie en. Somit habe ich wieder aller
Festlichkeiten gedacht, die in der nächsten Zeit im näheren Kreis fällig sind.
Dein Vater wird hoffentlich zufrieden sein, wenn ich an den Geburtstag gedacht
habe, den seine Frau in den nächsten Tagen hat. _ Deine Mitteilung, daß REsi
von Fritz immer noch keine Nachricht hat, tut mir aufrichtig leid. Nach Lage
der Verhältnisse muß man schließlich damit rechnen, daß seine Einheit kassiert
worden ist. Im allgemeinen hört man ja jetzt, daß unsere Leute in
Gefangenschaft meins ordentlich behandelt werden. Zwar ist das unterschiedlich,
aber ich habe mit Kameraden, die schon in Gefangenschaft waren, gesprochen, die
mir erzählten, daß sie ordentlich behandelt worden sind. Daß man nun schon in
Petershausen davon spricht, daß ich vermißt sei, das hängt ja nur mit der
Schwatzhaftigkeit des Ortsgruppenleiters zusammen. Aber Du siehst ja in dieser
Beziehung gleich klar. Das Äpfeltrocknen
ist ja nun ein voller Erfolg geworden. Wenn ich lese, daß Ihr sechs
Säckchen voll habt und daß es jetzt
noch frische Äpfel gibt, dann kann man wirklich dankbar um den Baum sein. Dazu
haben wir noch das viele Apfelmus schon während meiner Urlaubszeit gehabt. Ich
hoffe, daß Ihr alle in Ruhe genießen könnt. _ Ich schließe für heute wieder mit
recht herzlichen Grüßen und bin in getreuem Gedenken und mit vielen lieben
Küssen immer Dein Mann und
Dein Ernst.
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