Du mein herzensgutes Mädel! 30.10.44
Es war mir gestern beim besten Willen nicht möglich, zum
Schreiben zu kommen, weil ich dienstlich ziemlich angespannt war. Ich habe zwar
keine Post von Dir erhalten, denn ich bekam nur einen Brief von Nannie, die mir
seit ich hier draußen bin, auffallend mehr schreibt wie früher. Früher hatte
ich monatelang warten können, bis ich wieder einmal Bescheid auf meine Briefe
erhielt. Mir soll es recht sein, denn ich war ihr deshalb früher auch nicht
böse. Von Lotte bekam ich eine Karte, mit der sie sich für meine
Geburtstagswünsche bedankt. Sie ist typisch abgefaßt und sie bedarf wohl keines
weiteren Kommentars. Ob es da nicht eine gewöhnliche Postkarte getan hätte.
Diese kitschigen Sachen kann ich
einfach nicht ertragen. Aber lassen wir das. Ich habe ihr pflichtgemäß
geschrieben und damit ist der Fall wieder erledigt. _ Nannie leidet anscheinend
schwer unter der Länge des Krieges. Es sind nun einmal harte Zeiten, und die
müssen wir durchstehen. Ich sende Dir ihren Brief in den nächsten Tagen wenn
ich ihn beantwortet habe mit zu. Über ihre sonstige Einstellung gegenüber dem
Gerede, dem man immer wieder begegnet, wirst Du Dich sicher auch freuen, soweit
ich Dich kenne. Daß nun sogar noch mein Onkel sich trotz seines hohen Alters
zum Volkssturm freiwillig gemeldet hat, ist doch wirklich bemerkenswert. Über
das Leben, das wir nun hier nun im Graben führen oder auch sonst auf dem Marsch
herrscht wohl allgemein eine andere Vorstellung als es der Wirklichkeit
entspricht. Es ist auch schwer, das zu schildern, weil nur der das richtig
verstehen kann, der dieses KLeben eine Weile mitgeführt hat. Mancher stellt
sich das vielleicht schlimmer vor und mancher meint wieder, das sei halb so
wichtig. Nannie empfindet es wohl härter, als es tatsächlich ist. Gegenwärtig
ist es hier so, daß wohl in den Nachbarabschnitten einige Kilometer weiter
südlich etwas los ist. Aber das darf uns ja weiter nicht berühren, denn wenn
sich bei uns einmal etwas ereignet, sind wir auch nur auf uns selbst
angewiesen. Das Kriegsgeschehen hier draußen hat seine eigenen Gesetze, die
unumstößlich sind. Die Fliegenplage hat ja jetzt praktisch aufgehört, denn die
wenigen, die nach dem großen Sterben übriggeblieben sind, kann man ja schon
zählen und die kommen nicht mehr in Betracht. Dagegen haben wir jetzt einen
Kampf mit unseren Mäusen auszufechten der sich wohl im Laufe der Zeit zu
Ungunsten unserer Mitbewohner auswirken wird. Ich habe mir eine ganz
raffinierte Falle konstruiert. Du wirst staunen. Ein alter Eimer, der halb mit
Wasser gefüllt ist. Dieser wird unter eine Tisch- oder Stuhlkante gestellt. Über diesen Eimer bzw. auf die
Tischkante legt man einen Papierstreifen. Auf die äußerste Kante wird ein
Stückchen Brot gelegt. Wenn die Maus das Brot schnappen will, kippt die Pappe
um und die Maus fällt ins Wasser und kann sich baden. Drei Stück sind mir heute
schon auf diesen Leim oder besser gesagt, auf diese Pappe gegangen. Wie ich von
einem Kameraden erfahren habe, soll die Brotzuteilung nochmals gekürzt sein.
Stimmt das oder ist das wieder ein dummes Gerede? Daß Ihr für die Kinder Honig
zugeteilt bekommen habt, ist bestimmt sehr schön. Wie viel Kartoffeln hast Du
für Euch zusammen für den Winter? Wenn ich Euch Bonbons zusende und einmal eine
Tafel Schokolade, so ist mir das eine Freude. Du mußt Dir keine Gedanken
deshalb machen, denn Bonbons bekommen wir in der Woche fast zweimal oder gar
einmal mehr. Daß ich von Euch nichts geschickt haben möchte, brauche ich wohl
nicht nochmals betonen. Vor einigen Tagen hatte unser Koch uns sogar
Streuselkuchen gemacht. Es gab ja für die vielen Männer nicht viel, aber man
hat doch wieder einmal. Das hat mich
gefreut, daß Du einige Nüsse gegen Zigaretten eintauschen konntest. Mehre
solcher Kleinigkeiten helfen doch alle
zusammen. Das ist immer das, was man gegenwärtig so braucht. Die Rauchwaren
haben ja für uns keine Bedeutung weiter.
Daß Du bezüglich des Nachbarn von Erna auch meiner Meinung bist, konnte
ich mir ja vorstellen. Weißt Du, auf was das auch mit zurückzuführen ist, daß
sich solche Spannungen ergeben? Erna hat doch eigentlich noch nicht viel
Lebenserfahrung sammeln können. Solch ein Mann mit einer solchen Gosche macht
schöne Sprüche und gleichzeitig sucht er seinen Nutzen. Ein typischer Sachse. Erna
fehlt jemand, der sie etwas führt und leitet. Aber ich glaube, sie hat eben
auch ihren eigenen Kopf und will ihre eigenen Wege gehen. Siegfried übersieht
vielleicht die Dinge nicht in dem Maße. Aber Beide müssen zusehen, wie sie
fertig werden. Es ist nicht unsere Aufgabe, da hineinzureden. Daß Du noch
einmal eine kleine Kartoffelernte hattest, ist ja schön. Die kannst Du sicher ganz gut gebrauchen.
Davon könnt Ihr immerhin wieder einige Tage essen. Was bekommt denn eigentlich
Jörg für seine Arbeitsleistung? Er geht doch hoffentlich nicht ganz leer aus?
Für heute Dir und den Kindern wieder recht herzliche Grüße und viele, viele
liebe Küsse sendet Dir Dein Ernst.
Mitbewohner auswirken wird. Ich habe mir eine ganz
raffinierte Falle konstruiert. Du wirst staunen. Ein alter Eimer, der halb mit
Wasser gefüllt ist. Dieser wird unter eine Tisch- oder Stuhlkante gestellt. Über diesen Eimer bzw. auf die
Tischkante legt man einen Papierstreifen. Auf die äußerste Kante wird ein
Stückchen Brot gelegt. Wenn die Maus das Brot schnappen will, kippt die Pappe
um und die Maus fällt ins Wasser und kann sich baden. Drei Stück sind mir heute
schon auf diesen Leim oder besser gesagt, auf diese Pappe gegangen. Wie ich von
einem Kameraden erfahren habe, soll die Brotzuteilung nochmals gekürzt sein.
Stimmt das oder ist das wieder ein dummes Gerede? Daß Ihr für die Kinder Honig
zugeteilt bekommen habt, ist bestimmt sehr schön. Wie viel Kartoffeln hast Du
für Euch zusammen für den Winter? Wenn ich Euch Bonbons zusende und einmal eine
Tafel Schokolade, so ist mir das eine Freude. Du mußt Dir keine Gedanken
deshalb machen, denn Bonbons bekommen wir in der Woche fast zweimal oder gar
einmal mehr. Daß ich von Euch nichts geschickt haben möchte, brauche ich wohl
nicht nochmals betonen. Vor einigen Tagen hatte unser Koch uns sogar
Streuselkuchen gemacht. Es gab ja für die vielen Männer nicht viel, aber man
hat doch wieder einmal. Das hat mich
gefreut, daß Du einige Nüsse gegen Zigaretten eintauschen konntest. Mehre
solcher Kleinigkeiten helfen doch alle
zusammen. Das ist immer das, was man gegenwärtig so braucht. Die Rauchwaren
haben ja für uns keine Bedeutung weiter.
Daß Du bezüglich des Nachbarn von Erna auch meiner Meinung bist, konnte
ich mir ja vorstellen. Weißt Du, auf was das auch mit zurückzuführen ist, daß
sich solche Spannungen ergeben? Erna hat doch eigentlich noch nicht viel
Lebenserfahrung sammeln können. Solch ein Mann mit einer solchen Gosche macht
schöne Sprüche und gleichzeitig sucht er seinen Nutzen. Ein typischer Sachse. Erna
fehlt jemand, der sie etwas führt und leitet. Aber ich glaube, sie hat eben
auch ihren eigenen Kopf und will ihre eigenen Wege gehen. Siegfried übersieht
vielleicht die Dinge nicht in dem Maße. Aber Beide müssen zusehen, wie sie
fertig werden. Es ist nicht unsere Aufgabe, da hineinzureden. Daß Du noch
einmal eine kleine Kartoffelernte hattest, ist ja schön. Die kannst Du sicher ganz gut gebrauchen.
Davon könnt Ihr immerhin wieder einige Tage essen. Was bekommt denn eigentlich
Jörg für seine Arbeitsleistung? Er geht doch hoffentlich nicht ganz leer aus?
Für heute Dir und den Kindern wieder recht herzliche Grüße und viele, viele
liebe Küsse sendet DirDein Ernst.
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