Meine liebe gute Annie ! 13.1.45
Wenn meine Gedanken
auch wie immer bei Euch weilen, so weiß ich doch nicht, wie viel zu schreiben
ich heute in der Lage bin. Zeit hätte ich ja, aber ich bin äußerst abgespannt
Seit achtundvierzig Stunden habe ich nur mit ganz wenige Unterbrechung gewacht.
An Schlafen kann ich gegenwärtig nicht so denken, wie man es gern möchte. Es
kann sich wahrscheinlich noch einige Tage so hinziehen. Die Gedanken kann man
dann doch nicht so sammeln, aber Du sollst immer wieder sehen, daß ich an Euch
denke und daß ich Euch nicht vergesse. Diese Schreiben sind nun einmal der
sichtbare Beweis dafür. Ich weiß, daß es Dir wohl nicht erst eines besonderen
Beweises bedarf. Es handelt sich ja auch nicht darum, sonder mir sind diese
wenigen Minuten, die ich mich zum Schreiben hinsetze und manchmal aus
Zeitmangel zwinge, die Minuten der Erholung aus dem hiesigen Erleben. Da kann
ich meine Gedanken zusammenfassen und besonders mit bestimmter Zielsetzung nach
hause wandern lassen. Schreibe ich
nicht, dann werde ich durch dies oder jenes abgelenkt. Das kann aber so nicht
eintreten. Das ist eben unsere Aufgabe, wach und munter zu bleiben. Ich schlafe
tatsächlich nur noch wie ein Tier. Wenn ich nicht gerade im ersten Schlaf bin,
den ich so für die erste Stunde rechne, da höre ich jeden, der kommt und jedes Geräusch.
Daß das keine Ruhe ist, das ist wohl ganz klar. Aber immerhin bin ich nach ganz
kurzer Ruhezeit fast vollkommen frisch. Man wundert sich, wie schnell man unter
gegebenen Umständen ausgeruht ist. Zwar muß man damit rechnen, daß das bei
nächstbester Gelegenheit nachgeholt wird. In dieser Situation gibt es nun
Kameraden, die fressen eine Zigarette nach der anderen. Das ist mir kein
Bedürfnis bis jetzt. Denen hilft es, aber ich habe das noch nicht nötig. Ich
hoffe auch, daß das nicht einmal notwendig sein wird. Das ist recht, daß die Kinder die Ferien täglich zum Ausschlafen
benutzen. Wenn dann die Schule mit ihrem geregelten Betrieb angeht, dann steckt
ihnen doch bald die Müdigkeit wieder in den Knochen. Das Wetter ist bei uns wieder milder geworden. Nur stellenweise
ist der Fluß aufgebrochen. Doch zum größten Teil trägt das Eis noch. Wenn wir
Glück haben, dann wird der Winter nicht allzu streng. Aber trotz allem heißt es
hier Obachtgeben. Lasse mich jetzt bitte schließen. Ich grüße Dich und die Kinder
recht herzlich und viele Küsse für ich wieder bei. Ich bin stets
Dein Ernst.
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