Mein liebstes Mädel ! 25.12.44
Ich sitze im Kreis
der Kameraden unter dem Weihnachtsbaum. Es ist gerade Mitternacht nach
Heiligabend. Unser Troß hat uns wirklich nett beschert. Gestern erhielten wir
Frontkämpferpäckchen, Schokolade und Drops und heute erhielt jeder ein großes
Stück Streuselkuchen, vier Mann bekamen eine Torte, Zigaretten und Cognac. Es
ist wirklich in netter Weise an uns gedacht worden. Ein schöner Tannenbaum, der
mit Lametta geschmückt ist, steht auf dem Tisch. Ein jeder hat das Bild seiner
nächsten Angehörigen an den Fuß gestellt. Ich habe mir Eure lieben
Weihnachtsbrief vorgenommen, der mir viel Freude bereitet hat. Wie viel Liebe spricht
aus Euren lieben Zeilen. Du erinnerst auf verschiedene kleine Dinge, die uns
früher gemeinsam das Fest sahen und auch unsere Helga schreibt in einer
wirklich netten Form. Auf allen Briefen die kleinen Bildchen am Rande haben so
recht an das Fest erinnert. Wir haben nun schon verschiedene Besuche von
unserem Kompanie und Bataillonsführer, Gruppenführern usw. hinter uns. Jetzt
ist nun die Reihe an uns, eine Grabenstreife zu gehen und dabei und dabei bei
unseren einzelnen Gruppen vorzusprechen und unsere Wünsche zum Fest
auszusprechen. Das Weihnachten an der Front ist eben schon anders wie in der
früheren Umgebung. Aber es herrscht laufender Betrieb bei uns, so daß man nicht
lange zum Nachdenken kommt. Unsere
Grabenstreife ist beendet. Bei einer unserer Gruppen sind wir längere Zeit mit
den Kameraden zusammengesessen. Einer hat Mundharmonika gespielt. Einige
Weihnachtslieder und auch Soldatenlieder. Wenn auch nicht die Stimmung
aufkommen kann, wie sie einem aus Friedenszeiten bekannt ist, so sind wir doch zufrieden
mit dem, was sich hier so ergibt. Die Nacht war anfänglich hell und fast klar.
Gegen Mitternacht trat stärkere Bewölkung ein und der Mond hatte sich dann
sowieso verzogen. Unsere Wacht am Fluß wurde dadurch erschwert. Leuchtkugeln
erhellen hin und wieder das Gelände und einzelne MG-Granaten peitschen über die
Eisfelder, sonst ist alles ruhig. Das Eis knackt und reißt höchstens hin und
wieder, doch dem gilt ja nicht weiter unsere Aufmerksamkeit. Vom Osten her weht
ein scharger Wind, der auch feinen Schnee mitbringt. Es will scheinen, als ob
die graue Landschaft nun doch noch ein weihnachtliches Winterkleid anziehen
will. Der Posten späht hinaus und achtet auf jedes Geräusch und jeder Bewegung,
die sich auf der anderen Seite zeigt gilt seine erhöhte Aufmerksamkeit. Doch
der Russe hat sich in seine zweiten Graben zurückgezogen, Von dort aus sendet
er hin und wieder einige Gewehr und
MG-Schüsse herüber. Weiße und grüne Leuchtkugeln erhellen wieder das Gelände. Langsam kühlt
durch die dicke Tarnbekleidung der
eisige Wind den Körper aus. Ob das Eis auch immer noch brüchig genug bleiben
wird? Das ist ja die Frage des Postens. Doch mit dem Antritt von Schneewetter
wird der Frost auch wieder etwas brechen, das hilft dann über einige weitere
Tage hinweg. Bald kommt auch die Zeit der Ablösung heran. Der Gedanke an den
durchwärmten Bunker ist allein schon verlockend. Als ich nach Stunden wieder zurückkehre, finde ich Eure lieben
Bilder unter unserem Baum. Die beiden roten Kerzen stehen daneben, und die
Gedanken wandern wieder zu Euch nach hause. Das Päckchen, das ich mir
aufgehoben hatte, wird nun aufgemacht. Die bunten Klebebilder sehen mich lustig
an und machen den Inhalt noch verlockender. Ein Griff hinein, und man kann
sagen, es lohnt sich. Das Äußere hält bestimmt was es verspricht. Der Heilige
Abend liegt nun hinter uns, denn der erste Feiertag ist angebrochen. Ich habe versucht, ein kleines Stimmungsbild
aufzureißen. Ich hoffe, daß ich Euch einen bescheidenen Eindruck gegeben habe.
Die Tage werden auch vorübergehen. Wenn es klappt, werden wir am Silvesterabend
hier wieder auf einige Tage herauskommen, solange geht es im Wechsel, als man
uns hier in Ruhe läßt. Von Deinem Vater
traf noch vorhin ein Rundbrief ein. Ich komme im nächsten Brief noch darauf zurück.
Für heute ein frohes Fest, wünsche ich Dir nochmals im Kreise der Kinder. Ich
werde auch, wie sonst immer, in den kommenden Tagen in Ge danken bei Euch
weilen mit viel Liebe, herzlichen Grüßen und einigen Küssen bin ich immer
Dein
Ernst.
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