SCHILDERUNG DER
ABSETZUNG AUS DEM KESSEL AUS OSTPREUßEN
PILLAU
Mein liebes Mädel !
Leipzig, 23.2.45
Nun bin ich doch in Leipzig gelandet. Die Verspätung hat gut
20 Stunden betragen und es war wieder ein Durchmogeln von Station zu Station.
Die erste Etappe bis nach Stuttgart nahm 12 Stunden in Anspruch, die nächste
bis Würzburg genau soviel. Die Weiterreise über Bamberg, Probstzella, Saalfeld
nahm dann verhältnismäßig nicht so lange Zeit in Anspruch. Hier traf ich
gestern Abend gegen 10 Uhr ein. Ich habe gleich Erna aufgesucht, um dort mein
Gepäck zu lassen. Sie hat sich sehr gefreut und war wirklich sehr nett. Ich
habe mich erst etwas frisch gemacht und habe dann den Weg nach Mockau
angetreten. Hier traf ich gegen Mitternacht ein und mußte nun Papa und Lotte
aus dem Bette holen. Hier haben wir uns bis 2 Uhr unterhalten und dann ging´s
ins Bett. Das wäre in kurzen Zügen das, was sich ereignet hat. Über meine
weiteren Pläne bin ich mir nicht ganz im klaren. Wenn ich meinen ganzen
Aufenthalt hier etwas tarnen will, dann ist es wahrscheinlich am
zweckmäßigsten, wenn ich doch erst nach Hamburg weiterreise, um mich dann von
dort wieder nach Leipzig versetzen zu lassen. Ich glaube, daß das die beste
Lösung ist. Sowie ich hier weiterreise, gebe ich Dir noch kurz Bescheid, damit
Du weißt, was weiter geschehen ist. Sonst habe ich alles gut überstanden. Mit
dem Zuge waren wir wiederholt im Luftschutzkeller wir sind also im
Eisenbahntunnel stehen geblieben. Mein
liebes Mädel, ich habe mich nun wieder
für die schönen Tage, die Du mir während meines kurzen Urlaubs bereitet hast,
recht herzlich zu danken. Du hast wieder alles getan, was Dir nur irgend wie
möglich war und auch die Kinder haben mir die Tage mit verschönern helfen. Daß
alles so schön und harmonisch verlaufen konnte, ist doch immer wieder Deiner
Güte und Deinem großen Einfühlungsvermögen zu verdanken. So groß wie die Freude
des Wiedersehens war, so schmerzlich ist dann immer der Abschied. Es hat mir diesmal wohl ganz besonders
wehgetan, weil man so gar nichts für Euch tun kann, denn die Dinge sind doch
diesmal unklarer denn je, und man hat nur die Gewißheit, daß man alles gesund
daheim verlassen hat. Ich sehe Euch, meine Lieben, noch am Zuge stehen und mir die
Hände drücken, doch der Zug rückt an und ich bin allein. Im Dämmerschein der
Lampe sehe ich Euch noch stehen und alles scheint ausgelöscht zu sein. Aber
eines bleibt uns ja noch, und das ist die Hoffnung auf ein gesundes
Wiedersehen, das uns bis jetzt immer noch beschieden war. Wir wollen für das
nächste Mal glauben, daß uns das Schicksal ein genau so unverhofftes und
plötzliches Zusammenkommen läßt. Bleibt mir nur gesund und haltet Euch
weiterhin, aber vor allem seid nochmals herzlich bedankt für alles, was Ihr mir
getan habt. Ich hoffe, daß ich Euch das in irgendeiner Form wieder entgelten
kann. Nehmt recht herzliche und innige Grüße entgegen, laßt Euch alle zusammen
vielmals küssen von Eurem Vaterle und
Deinem Ernst.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen