Donnerstag, 19. März 2020

Brief 606 vom 29./30.12.1944


 Du meine liebe, meine gute Annie !                                                                    29.12.44     

Dem Wochenende entgegen. Das Wetter ist hell und sichtig. Frischen Schnee hat es in der vergangen Nacht gegeben. Die Sonne scheint wieder und über unser Gehen durch Granaten und Granatenwerfer hinweg. Man nimmt nicht sonderlich Notiz, denn sie gelten ja nicht uns. Sie sollen den Iwan treffen. Bekämpfung des Feindes wird es genannt. Bis vor wenigen Tagen haben uns die Brüder herübergewinkt und nachts riefen sie uns zu. Sie fragten, wie spät es sei und ähnliches. Seit nun unsere Scharfschützen in den letzten zwei Tagen etwa zehn Mann abgeschossen haben, ist es auf der anderen Seite etwas ruhiger geworden. Zwar in der Nach macht er sich schon bemerkbar, aber da muß man sich vorsehen und den Geschossen aus dem Weg gehen. Die klaren Mondnächte gemahnen doch immer wieder zu gewisser Vorsicht. Zwar unsere weiße Tarnkleidung

 Liebster Schatz !                                                                                             30.12.44
 Aus bestimmten Gründen habe ich meinen gestrigen Brief abbrechen müssen, denn wir hatten noch eine Flasche Cognac hier, die ich mit meinem Feldwebel leergemacht habe. Wenn man sonst ganz und gar aus der Gewöhnung gekommen ist, dann hat man schon zu schaffen. Aber das ist nun auch vorüber, und für uns läuft der Betrieb einmal weiter.  Einen lieben Brief habe ich gestern wieder erhalten, der mir viel Freude bereitet hat. Es ist Dein Brief vom 17.12. Nummer 122. Daß Ihr Euch auch am 3. Advent wieder zusammengesetzt und Lieder gesungen habt, wird auch den Kindern gut gefallen haben. Daß dieses Zusammensein durch Alarm gestört wird, ist sehr schade, aber mit solchen muß man heute rechnen. Froh ist man aber, wenn alles heil vorübergeht. Das war ja auch der Fall. Deine Schilderung über unseren Jungen hat mich ebenso gefreut, denn ich kann mir vorstellen, wie er zu Eurem Leidwesen die Wohnung vollbaut. Die Soldatenlager dehnen sich sehr aus so daß er sie selbst nicht abreißen kann. Das ist für Frauen, die immer saubermachen wollen, nicht verständlich. Aber wie es scheint, hat sich dieser Pimpf durchgesetzt. Er ist doch ein rechter Kuppelbruder. Wo hat er denn schon wieder die anderen Flieger her? Aber in dieser Beziehung war er ja schon immer sehr betriebsam. Er macht sich jedenfalls Gedanken und befaßt sich mit den Dingen. Meist ist es ja so, daß die Kerle besser Bescheid wissen wie die Eltern. Helga kann man ja gratulieren zu ihrem Sammelergebnis. Das ist wirklich ganz beachtlich.  was sie da erreicht hat. Das kann ich mir vorstellen, daß das Ingrid weniger gefreut hat, denn sie ist in dieser Hinsicht recht ehrgeizig. Aber wichtig ist ja, daß ein jeder seine Pflicht tut.  Gestern bekam ich den Auszug aus dem Heeresverordnungsblatt über die Heranziehung der MV-Beamten zu Reserveoffizieren. Es ist mir dabei etwas nicht ganz klar. Ich weiß nicht nicht, ob das auch für mich in Betracht kommt, nachdem ich vorher nicht im Offiziersrang stand. Ich habe bereits eine Rückfrage an den Kameraden Örz gestartet. Ich will sehen, was man zu dieser ganzen Angelegenheit denkt. Im übrigen erwarte ich ja auch noch Deine Ansicht über diese Angelegenheit. Ich habe ja bis jetzt warten können, dann macht es wohl auch nicht weiter aus, wenn ich noch etwas Zeit verstreichen lasse. Es hat eben alles seine zwei Seiten. Ich weiß nicht mehr genau, habe ich Dir schon davon geschrieben, daß ich am 24. zwei Päckchen an Dich abgesandt habe. Sie enthalten Schokolade, Bonbons, Rauchwaren. Morgen kann ich noch ein kleines Päckchen mit einer Dose Fisch an Dich absenden. Neue Päckchenmarken haben wir hier auch erhalten. Ich sende sie Dir heute wieder mit und bitte Dich, daß Du mir einmal ein paar Äpfel schickst. Du mußt zwar obachtgeben, daß sie keinen Frost bekommen, aber ich denke, daß sich das schon machen läßt.  Ich denke wieder mit recht herzlichen Grüßen an Euch. Laßt Euch alle Drei fest und herzlich küssen., Bleibt nur immer gesund für Euer Vaterle und für 

Deinen Ernst.

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