Mein liebster und bester Schatz! 23.11.44
Es ist schon ziemlich nach Mitternacht. Ich komme von der
Grabenstreife zurück und setze mich zu einem Schreiben hin, das eigentlich
schon gestern fällig war. Ich habe in den vergangenen zwei Tagen keine Zeit
gehabt, Dir ein paar Zeilen zukommen zu lassen, weil der (?) Feldwebel , dieser
verrückte Hammel, andauernd ein anderes Anliegen oder einen blöden Auftrag für
mich hatte. Dieser Mann ist ja nicht auf die Dauer mein direkten Vorgesetzter.
Das ist auch gut so, denn dann gäbe es jeden Tag Krach in der Bude. Ich bin
auch so nicht schüchtern zu ihm und muß‘ ihm hin und wider einmal meine Meinung
sagen, damit er mir nicht zu sehr über den Kopf wächst. Dieser Mann gehört zu
der Sorte SAchsen, die in der ganzen Welt diesem Menschenschlag ein solch
schlechtes Zeugnis gegeben haben. Doch da hilft eben nicht weiter, man muß sich
diese Menschen mit verdauen, wenn es manchmal schwerfällt. Für die Zusendung der IZ danke ich Dir
vielmals, ebenfalls für die VB, die ich vorgestern erhielt. Weiteren
Posteingang konnte ich nicht verzeichnen. Dafür bekomme ich dann wieder mehrere
Briefe auf einmal von Dir. Darauf freue ich mich schon heute. Aus den letzten
von Dir eingegangenen Briefe bleibt mir auch nichts wesentliches zu
beantworten. Ich muß Dir bei dieser Gelegenheit noch mitteilen, nachdem ich Dir
heute die Briefe Deines VAters mit zurücksende, daß ich zu der Angelegenheit
mit Erna in meinem letzten Schreiben an Deinen Vater nochmals eingehend
Stellung genommen habe. Ich weiß ja nicht, ob Dir Dein Vater eine Abschrift
zugehen läßt. Immerhin habe ich versucht, diese ganze Sache von der Seite zu
beleuchten, wie ich sie sehe und ich glaube wohl, daß ich objektiv geblieben
bin, denn ich habe ja weder die eine noch die andere Seit zu vertreten. Mir ist
es ja auch darum zu tun, Ruhe und Frieden in unserem Kreise zu erleben. Ich
habe schon genug nach einer Seite hin meinen Stanpunkt zu vertreen. Denn ich
bin ja nicht gewillt, mir in meinen Sachen von meinen Verwandten Vorschriften
machen zu lassen, die meiner Einstellung zum Leben widersprechen. Wir werden ja sehen, ob Dein Vater sich noch
einmal äußert. Ich nehme an, daß das
kleine Erlebnis, das ich gestern nachmittag hatte, Euch etwas Freude machen
wird. Ich wurde gestern mit noch zwei
Kameraden von meiner Kompanie zum Bataillon geschickt, um dort an einer kleinen
Feier teilzunehmen. Als wir dort ankamen, stellte es sich heraus, das wieder
Auszeichnungen verteilt wurden. Ich selbst war etwas überrascht, daß ich mit
dabei war, denn denke Dir, ich erhielt von unserem Kommandeur das Eiserne Kreuz
zweiter Klasse und das Infantriesturmabzeichen in Silber verliehen. Die
Verleihungen der ersten Auszeichnungen ist noch auf die Zeit zurückzuführen,
bevor ich krank wurde, wenn auch mein Gehalt während des NarevÜbergangs mit
gewertet worden ist. Das Infantriesturmabzeichen wurde mir aufgrund der
Sturmtage verliehen, die mir bis jetzt bestätigt worden sind. So geht es, nach
und nach wird man dekoriert, wenn man überall diesen Dreck mitmacht. Es freut
mich insofern, daß ich bewiesen haben , nicht nur mit dem Federhalter mir etwas
verdient zu haben, sonder daß ich auch in der Lage bin, im Kampf meinen Mann zu
stellen. Doch schließlich tue ich meine Pflicht wie jeder andere und wie es von
mir verlangt wird. _ Ich sende Dir wieder einige Päckchen Marken zu, die Du nun
nicht gleich verwenden mußt. Erst gestern fiel mir das ein, daß Du mir in das
Weihnachtspäckchen eine Flasche Cognac hättest einpacken können. Doch das läßt
sich nicht mehr abändern, weil Dich diese Nachricht schon zu spät erreicht. Das
ist aber nicht weiter tragisch. Lasse
mich wieder mit den besten und herzlichen Grüßen an Dich un die Kinder schließen.An
Vater richte bitte auch meine Grüße aus. Jedem von Euch möchte ich wieder einen
recht lieben und innigen Kuß aufdrücken, doch nehmt ihn im Geiste als gegeben
hin. In treuem Gedenken bin ich immer
Dein Ernst.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen