Mein liebster Schatz ! 21.12.44
Die Dämmerung ist hereingebrochen, die ja heute recht zeitig
gekommen ist, denn wir haben ja nach dem Kalender den kürzesten Tag. Aber wenn
wir auch eine lange Nacht haben, so ist es doch sternenklar, und am Anfang der
Nacht scheint uns noch schön der Mond. Es ist schon etwas wert, wenn es nicht
ganz so dunkel ist, denn in der Nacht im Graben herumstolpern ist bei völliger
Dunkelheit doch keine reine Freude. Wenn die Kälte so anhält und nicht stärker
wird, dann geht es ja. Der Fluß ist
wohl gefroren, aber die Tragfähigkeit kann man wohl in Zweifel ziehen. Wenn wir gerade jetzt vor Weihnachten noch
etwas schärfer als bisher aufpassen müssen, so wollen wir hoffen, daß es doch
zu keinen größeren Ereignissen kommt.
Eins ist nur gut, daß wir jetzt richtig angezogen sind. Ich schieb ja,
daß wir wie richtige Schläger aussehen.
Du mein liebes Mädel! 22.12.44
Auch gestern konnte ich diesen Brief nicht zuende bringen.
Es ist dies nun binnen kurzer Zeit das zweite Mal. Das geht aber manchmal dumm
zu mit der Zeit, daß sie hinten und vorne nicht reicht. Mit dem Schlaf kommt es
oft sowieso nicht hin. Das ist aber alles noch verträglich und ich denke, daß
Du dafür Verständnis aufbringst, wenn ich an einem Brief einmal zwei Tage
schreibe. Ja, mit unserer Bekleidung, da muß man sich wirklich wundern, daß es
uns noch möglich ist, die Männer noch derartig einzukleiden. Jeder hat einen
zweiteiligen gefütterten Anzugerhalten, ein Paar feste Handschuhe und
Kopfschützer. Heute soll es Filzstiefel geben. Es handelt sich bei dem meistens
um neue Sachen. Dann erhält jeder einen zweiten Pullover, der aus der
Wollesammlung stammt. Meiner muß ein Damenpullover gewesen sein. Der ist schön
bunt quergestreift. Doch das macht wohl weiter nichts, denn die Hauptsache ist
wohl daß er warm hält. Von den gestrickten neuen Wollunterhosen hatte ich ja
auch schon geschrieben. Du siehst also, daß in dieser Hinsicht für uns gesorgt
worden ist. Wenn ich schon davon schreibe, daß man sich wundern muß über das,
was noch geliefert wird, dann liegt für das Wundern noch eine weitere
Veranlassung vor, wenn man die Weihnachtszuteilungen betrachtet. Damit der Mann
nicht alles bei sich haben muß, ist uns schon vorgestern ein Teil dieser Sachen
ausgehändigt worden. Es gab für den Kopf etwa 30 Stück Gebäck /Keksart), den
Tag vorher eine Stolle und gestern bekam jeder eine Wurst von Etwa einem Pfund.
Bonbons und Likör wurden außerdem noch zugewiesen. Rauchwaren hat es ebenfalls
schon gegeben, doch es soll noch etwas kommen. Ist das nicht allerhand? Ich
habe im Moment soviel zu essen, daß ich damit bestimmt nicht durchkomme. Aber
ich denke, daß ich es mit der Zeit schon noch schaffen werde. Aber nun erst
einmal herzlichen Dank für Deinen Brief Nr. 114 vom 6.12. Heute früh erhielt
ich ihn beim Postempfang. Deine Schilderung vom Nikolausabend der beiden Mädels
hat mir Spaß gemacht. Ich kann mir denken, daß sie selbst alle Beide Freude
daran gehabt haben. Ihre große Freude wird wohl mit darin bestanden haben, daß
sie nicht erkannt wurden. Du mußt sie aber auch ziemlich gut hergerichtet
haben. Daß nun unser Lümmel ein solcher Herumtreiber ist und sich erst kurz vor
Mitternacht heimfindet, das ist auch meine Meinung, daß die Jungs nicht nur bis
kurz nach Einbruch der Dunkelheit nach hause gehören, sondern daß sich diese
Bengels, die sich Führer nennen, von den anderen absondern und meinen, sie
müßten für sich extra etwas tun. Ich habe nur immer wieder die Meinung von
unserem Jungen, daß er an sich natürlich denken kann, und das er mit Hilfe des
Einflusses des Elternhauses in sich bewahrt und das er sich nicht durch solche
Mätzchen verderben läßt. Vielleicht
kann er doch einmal mit seiner gesunden charakterlichen Veranlagung anders
wirken, als diese von den anderen bisher bekannt geworden ist. Hauptsächlich
aus diesem Grundhabe ich auch nichts dagegen einzuwenden, daß er mitmacht. Ich
hoffe nur immer wieder, daß er sich ein
gesundes Empfinden bewahrt und daß er es entsprechend anwendet. DAß die
Straßenbengels sich von ihm unterscheiden, siehst Du ja auch schon daran, daß
diese sich erst stark fühlen, wenn sie in Gemeinschaft sind. Es sind doch im
allgemeinen gesehen große Feiglinge. Ich freue mich deshalb auch, daß sich Jörg
nicht in diesem Fahrwasser befindet und daß als Kerl auftreten kann. Wenn das
nicht der Fall wäre, würde er sicherlich nicht, nachdem er erst dieses Jahr zu
den Pimpfen gekommen ist, zu diesem Führerlehrgang genommen worden sein. Er
soll sich seine Art bewahre. Ich glaube, daß er dann ohne viel Schwierigkeiten
durchkommen wird. Von der
Gehaltsabrechnung habe ich Kenntnis genommen. Was macht das eigentlich
monatlich brutto aus, was ich erhalte? Waren das schon immer 280,RM? Mit der
Länge der Zeit kommt man so ganz und gar heraus. Mit dem, was Du abheben
kannst, kommst Du doch wohl durch, oder wird es sehr knapp bei den
verschiedenen Zahlungen? Du schreibst,
daß Du nichts nach Leipzig schicken kannst, weil Du in diesem Jahr nichts
hättest. Wie ist das, hast Du nicht einige Rauchwaren abgesandt? Wenn das noch
möglich ist dann kannst Du das ja nachholen. Dein Vater wird sich sicherlich
darüber freuen. Ich habe ja auch schon wieder einiges, was ich an Dich absenden
kann. Du mußt ja noch einen kleinen Vorrat da haben. Was hört man denn von Fritz? Ist da bis jetzt noch keine
Nachricht von seiner Einheit angekommen? Das würde mich aber schwer wundern.
Man muß doch die Frau einmal benachrichtigen. Man kann sie doch nicht im
Unklaren lassen. Das wäre doch recht seltsam. Was sagt denn Resi zu allem? Augenblicklich herrscht bei uns schönes
winterliches Wetter. Es ist nur schade, daß man so gut wie nichts davon hat. Am
Tage, wenn die Sonne scheint, schläft man, sofern einem Zeit und Gelegenheit
dazu gegeben ist. Will man hier laufen, dann kann man sich doch die meiste Zeit
nur im Graben bewegen. Nachts ist es ja empfindlich kalt, so daß unser Fluß
schon eine ziemlich geschlossene Eisdecke bekommen hat. Es ist aber noch nicht
so, daß man schon darauf laufen kann. Hoffentlich bleibt dieser Zustand noch
eine Weile so, aber auf die Witterung haben wir ja keinen Einfluß. Nun lasse mich wieder mit recht herzlichen
Grüßen und vielen lieben Küssen schließen. Ihr seid meine lieben Drei mit
Seelen (?), denen mein ganzes Streben und meine ganze Liebe gilt. Bleibt gesund
und behaltet mich lieb, denn ich bin und bleibe ja immer Euer Vaterle und
Dein
Ernst
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