Donnerstag, 19. März 2020

Brief 554 vom 26.9.1944


Mein liebster Schatz, herzliebes Mädel!                                              26.9.44 /7.10. 

Der Wind streicht schon ziemlich rauh über die Stoppelfelder und nun hat er nach lager Regenpause nicht nur den Regen, sondern auch die Frische mitgebracht. Wir haben ja auch einen ordentlichen Bunker, der uns vor den Unbilden des Wetters schützt, aber man merkt es doch schon ziemlich, dass es jetzt aus ist mit dem warmen Wetter. Wenn ich so über die Ackerstoppeln sehe und ich habe die Zeit dazu, dann gucke ich mir auch einmal das an, was dort wächst. Das ist aber nun auch bald vorbei. Einiges unkraut aber auch noch einige Feldblumen sind vereinzelt zu finden. Als Gruß von mir sende ich Dir zwei kleine Blüten mit, die Dich immer an unsere Verbundenheit erinnern sollen. Dieser Sommer ist nun dahin, wenn es sich nur nicht noch über den ganzen Winter hinziehen würde, dann müßte man sich hier schon noch mehr darauf einrichten wie bisher. Unseren neuen Bunker haben wir nun bezogen und eine Nacht habe ich schon darin geschlafen. Schlafen ist wohl schon etwas zuviel gesagt, denn wie schon die Nacht vorher, war ich wieder unterwegs oder es gab sonst etwas zu tun. Am Tage kommt man hier auch nicht zur Ruhe. Aber trotz allem will ich das gern hinnehmen, wenn sich die Dinge nicht schwieriger gestalten, wie sie bis jetzt sind. Wir haben in unserem Bunker sogar ein Fenster und eine richtige Tür. Einen Tisch mit einigen Stühlen ist vorhanden und als Zeichen ganz großen Fortschritts haben wir ein Regal, auf dem wir einen Teil unserer Sachen ablegen können. Leben wir hier nicht bald wieder hier wie Kulturmenschen? Unsere vornehme Einrichtung geht sogar soweit, daß wir uns ein eigenes Waschbecken halten können. Da bist Du sprachlos, ha? Man richtet sich so sein und man lebt so wie es gerade am besten unter den gegebenen Umständen möglich ist. _ In einem Deiner Briefe schreibst Du mir, daß Du Heimweh hattest nach der schönen Zeit des Zusammenseins. Ich kann Dir das vollkommen nachfühlen , denn Du weißt ja, denn ich fühle mich mit Dir ja genau so untrennbar verbunden. Es ist schwer, sich zu trennen und die Überbrückung bis zu dem Zeitpunkt, der einem wieder das Alltagsleben in gewohnter Form erscheinen läßt, ist schwer zu überwinden, aber in solchen Dingen kann eben nur die Zeit helfen. Deine gescheiterten Ansätze, diese Zeit durch verstärkte Arbeit zu überwinden, sind mir deshalb nur verständlich. Ich hoffe aber, dass Du inzwischen in das frühere Gleis gekommen bist. _ DAß Ihr Helgas Geburtstag so nett gefeiert habt, hat mich sehr gefreut.  Das muß sicherlich ganz schön gewesen sein, als Ihr beieinander wart. Daß die Kinder ihr Mutterle nicht vergessen hatten, das konnte ich mir ja denken. Ich bedauere nur, daß mein Geburtstagsbrief nicht zur rechten Zeit angekommen ist. Hoffentlich ist er nicht verloren gegangen. _ Nun können auch die anderen Lehrer nach hause gehen. Jetzt hast Du ja Beide daheim herumsitzen. Die werden recht traurig sein. Für wie lange soll denn das bemessen sein. Hast Du da schon etwas erfahren? Die Kinder kommen ja ganz und gar aus dem täglichen Rhythmus, wenn noch eine Weile hingegangen ist. Dann wird es heißen, daß keine Heizungda sein und daß deshalb wieder schulfrei gemacht werden muß. Ratsam wäre es, wenn unsere beiden Stromer sich täglich mindestens eine Stunde hinsetzen und sich ihre Bücher ansehen, damit sie nicht alles vergessen.  Denn mit der Zeit macht sich das doch irgendwie bemerkbar. _ Daß Du ein solch schönes Teil Zwetschgen bekommen hast, ist doch herrlich. Da hast Du gleich noch die Restgläser füllen können. Hast Du auch auf meine Karte noch Obst bekommen, oder gab es da nichts mehr ? _ Gestern ahbe ich noch an Deinen Vater eine Karte geschrieben, damit er weiß, daß ich seinen Brief erhalten habe. Wenn ich dazu komme, beantworte ich ihm seinen Brief. Uagenblicklich geht es schlecht, denn in erster Linie kommst Du an die Reihe. _ Bleibe gesund und die Kinder auch. Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich und bin mit vielen lieben Küssen immer 

Dein Ernst.

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