Donnerstag, 19. März 2020

Brief 573 vom 8./9.11.44.9.1944


 Mein liebster Schatz!                                                                                                8./9.11.44 

Wieder kann ich Dir den Eingang eines Briefes von Dir bestätigen, über den ich mich recht gefreut habe. Es ist diesmal Dein Brief vom 29.10. Nummer 84. Du warst nun zu der Trauerfeier für den Jungen der Nachbarschaft in der Kirche und hast genau die gleichen Erfahrungen gemacht wie ich hier mit den Pfarrern. Daß Gerede dieser Herren ist so gesalbt und geschraubt, daß man sich schon auf das Ende einer solchen Rede freut. Wir sind wohl zu kritisch veranlagt bei der Betrachtung dieser Dinge, oder wir verlangen zuviel oder besser gesagt mehr, als uns diese Herren geben können. Das ist ja auch hier bei uns das gleiche. Wenn ich mir hier unsere Vorgesetzten ansehe, dann kommt mir ein leies Lächeln, wie wichtig und aufgeblasen diese Menschen tun. Da kommt dann so ein junger Leutnant, d.h. er wird heute 21 Jahre alt. Dieser Mann ging noch in die Schule, als ich Soldat wurde. Von meiner Kampf  und meiner Fronterfahrung will ich nicht erst groß reden, aber die Ansichten dieser jungen Menschen wirken doch manchmal etwas sonderbar. Man weiß nicht, ob man diese immer für voll nehmen kann. Von Ausreifen kann ja noch keine REde sein und das, was diesen jungen Bengels die Hitlerjungend mitgegeben hat, ist ja auch nicht so durchschlagend. Aber, wie gesagt, wir mögen etwas zu kritisch sein, wenn vielleicht auch unsere Meinung von anderen Leuten mit geteilt wird.  Du hast wieder einige Arbeiten gemacht, die mit der Zeit notwendig geworden sind. Wenn Du die Bereifung der Räder ändern mußtest, da liegt doch dafür eine Notwendigkeit vor, die sich ganz und gar nach dem richtet, was eben am vordringlichsten ist. So wird es für eine Weile gehen. Wenn Du mit dem anderen Rad auch fahren kannst, dann mußt Du eben dann das verwenden. Andernfalls müßt Ihr Euch einteilen. Du mußt also keine Bedenken haben, wenn Du mein Rad in Anspruch nimmst.  Mein Kamerad Wittenburg hat nun wieder einmal von sich hören lassen. Ich hatte schon die Absicht, an die alte Feldpostnummer zu schreiben, aber ich war mir ganz unschlüssig. Mir fehlt auch seine Heimatanschrift, die ich mir noch besorgen muß, damit ich in einem solchen Fall nicht auf dem Trockenen sitze. Ich werde ihn nicht lange auf Antwort warten lassen, denn es interessiert mich doch auch, zu erfahren, wie die Dinge dort gelaufen sind. Er selbst ist ja nun auch bei der Truppe gelandet. Das wird ihm sicherlich schwer fallen. Es kommt ja darauf an, wo er eingesetzt ist. Trotz allem, die vier Jahre in Frankreich werden einen anderen Eindruck hinterlassen haben, wie das, was er jetzt mitmachen muß. An Thomas hatte ich ja auch geschrieben. Es ist ja möglich, daß ich von ihm trotzdem eine Antwort bekomme.  Ich schreibe so über Mitternacht hinweg, weil wir heute im Laufe des Morgens für einige Tage aus unserer gegenwärtigen Stellung hinausgezogen sind, um geschlossen eine kurze Ausbildung mitzumachen. Wahrscheinlich gehen wir dann wieder hierher zurück. Ob ich dann gleich wieder zum Schreiben komme, kann ich ja noch nicht sagen, darum will ich Dir gleich schon jetzt eine Antwort zukommen lassen, dann bin ich sicher, daß es zum Klappen kommt. _ Deine Mitteilung über den Eingang des Päckchens Nummer 3 hat mich sehr gefreut, denn um die Schokolade wäre es ärgerlich gewesen, wenn sie verloren gegangen wäre. Es ist ja nicht viel, aber immerhin kann man doch damit wieder einmal den Gaumen  ?.  Wenn du diese Sachen für Weihnachten willst, dann hast Du doch eine Kleinigkeit. Hoffentlich treffen die anderen Päckchen auch noch ein.  Auch mit diesem Brief sende ich Dir recht herzliche und innige Grüße. Viele viele liebe Küsse für Dich und die Kinder sind wieder eingeschlossen und wünschte ich mir, daß ich sie Euch alle persönlich übermitteln könnte.  Doch bis dahin bin ich mit meinen Gedanken immer bei Euch, meine lieben Drei. Nochmals Jedem, einen lieben Kuß von 

Deinem Ernst.

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