Mein liebster
Schatz! 8./9.11.44
Wieder kann ich Dir den Eingang eines Briefes von Dir
bestätigen, über den ich mich recht gefreut habe. Es ist diesmal Dein Brief vom
29.10. Nummer 84. Du warst nun zu der Trauerfeier für den Jungen der
Nachbarschaft in der Kirche und hast genau die gleichen Erfahrungen gemacht wie
ich hier mit den Pfarrern. Daß Gerede dieser Herren ist so gesalbt und
geschraubt, daß man sich schon auf das Ende einer solchen Rede freut. Wir sind
wohl zu kritisch veranlagt bei der Betrachtung dieser Dinge, oder wir verlangen
zuviel oder besser gesagt mehr, als uns diese Herren geben können. Das ist ja
auch hier bei uns das gleiche. Wenn ich mir hier unsere Vorgesetzten ansehe,
dann kommt mir ein leies Lächeln, wie wichtig und aufgeblasen diese Menschen
tun. Da kommt dann so ein junger Leutnant, d.h. er wird heute 21 Jahre alt.
Dieser Mann ging noch in die Schule, als ich Soldat wurde. Von meiner Kampf und meiner Fronterfahrung will ich nicht
erst groß reden, aber die Ansichten dieser jungen Menschen wirken doch manchmal
etwas sonderbar. Man weiß nicht, ob man diese immer für voll nehmen kann. Von
Ausreifen kann ja noch keine REde sein und das, was diesen jungen Bengels die
Hitlerjungend mitgegeben hat, ist ja auch nicht so durchschlagend. Aber, wie
gesagt, wir mögen etwas zu kritisch sein, wenn vielleicht auch unsere Meinung
von anderen Leuten mit geteilt wird. Du
hast wieder einige Arbeiten gemacht, die mit der Zeit notwendig geworden sind.
Wenn Du die Bereifung der Räder ändern mußtest, da liegt doch dafür eine
Notwendigkeit vor, die sich ganz und gar nach dem richtet, was eben am
vordringlichsten ist. So wird es für eine Weile gehen. Wenn Du mit dem anderen
Rad auch fahren kannst, dann mußt Du eben dann das verwenden. Andernfalls müßt
Ihr Euch einteilen. Du mußt also keine Bedenken haben, wenn Du mein Rad in
Anspruch nimmst. Mein Kamerad
Wittenburg hat nun wieder einmal von sich hören lassen. Ich hatte schon die
Absicht, an die alte Feldpostnummer zu schreiben, aber ich war mir ganz
unschlüssig. Mir fehlt auch seine Heimatanschrift, die ich mir noch besorgen
muß, damit ich in einem solchen Fall nicht auf dem Trockenen sitze. Ich werde
ihn nicht lange auf Antwort warten lassen, denn es interessiert mich doch auch,
zu erfahren, wie die Dinge dort gelaufen sind. Er selbst ist ja nun auch bei
der Truppe gelandet. Das wird ihm sicherlich schwer fallen. Es kommt ja darauf
an, wo er eingesetzt ist. Trotz allem, die vier Jahre in Frankreich werden
einen anderen Eindruck hinterlassen haben, wie das, was er jetzt mitmachen muß.
An Thomas hatte ich ja auch geschrieben. Es ist ja möglich, daß ich von ihm
trotzdem eine Antwort bekomme. Ich
schreibe so über Mitternacht hinweg, weil wir heute im Laufe des Morgens für
einige Tage aus unserer gegenwärtigen Stellung hinausgezogen sind, um
geschlossen eine kurze Ausbildung mitzumachen. Wahrscheinlich gehen wir dann
wieder hierher zurück. Ob ich dann gleich wieder zum Schreiben komme, kann ich
ja noch nicht sagen, darum will ich Dir gleich schon jetzt eine Antwort
zukommen lassen, dann bin ich sicher, daß es zum Klappen kommt. _ Deine
Mitteilung über den Eingang des Päckchens Nummer 3 hat mich sehr gefreut, denn
um die Schokolade wäre es ärgerlich gewesen, wenn sie verloren gegangen wäre.
Es ist ja nicht viel, aber immerhin kann man doch damit wieder einmal den
Gaumen ?. Wenn du diese Sachen für Weihnachten willst, dann hast Du doch
eine Kleinigkeit. Hoffentlich treffen die anderen Päckchen auch noch ein. Auch mit diesem Brief sende ich Dir recht
herzliche und innige Grüße. Viele viele liebe Küsse für Dich und die Kinder
sind wieder eingeschlossen und wünschte ich mir, daß ich sie Euch alle
persönlich übermitteln könnte. Doch bis
dahin bin ich mit meinen Gedanken immer bei Euch, meine lieben Drei. Nochmals
Jedem, einen lieben Kuß von
Deinem Ernst.
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