Donnerstag, 19. März 2020

Brief 586 vom 30.11.1944


Du mein liebster Schatz !                                                                                                30.11.44    

Recht herzlich möchte ich mich für Deine beiden Briefe vom 20.  und 21. bedanken, die gestern abend schon bwei mir eingingen. Die sind doch ziemlich schnell gegangen. Ich weiß, daß bei Dir jetzt die Zeit auch öfter sehr knapp ist.  Augenblicklich ist es ja bei mir ähnlich, denn dieser Feldwebel läßt mir wirklich verdammt wenig Ruhe. Wenn man einmal an sich denken will, dann muß man sich schon die Zeit wegstehlen. Ich sage mir aber immer wieder, daß dieser Zustand kein Dauerzustand ist und daß dies alles vorbeigeht. Ein Kamerad von mir, der sonst mit mir immer zusammen ist, befindet sich in unserem Erholungsheim, sodaß sein Dienst von mir noch micht gemacht werden muß. Manchmal kommt eben alles zusammen. _  Du schreibst mir, daß Jörg mit seinen Aufgaben auf Dich gewartet hatte, damit Du ihm hilfst.  Bekommt er das nicht allein zusammen oder ist das nur einmal gewesen? Ich frage nur deshalb, weil er doch sonst allein damit fertig geworden ist. _ Du meinst, es sei gut, daß wir in unserem Bunker heizen können. Da hast Du ohne weiteres recht, aber wie ich Dir schon vor einigen Tagen mitteilen mußte, ist bei uns Wasser eingedrungen. Der Grundwasserspiegel ist gestiegen. Das war nicht mehr schön, wie man beobachten konnte, wie das Wasser mehr und mehr stieg. Gestern waren es durchweg zehn Zentimeter.  Es herrschte direkt ein fauliger Geruch und alles roch so modrig. Der Ofen wollte vor Feuchtigkeit auch nicht mehr brennen und das Holz konnten wir nicht mehr richtig aufbewahren. Ausserdem war alles feucht und kalt. Der Aufenthalt war bestimmt nicht mehr als angenehm zu bezeichnen. Nun hatten wir gestern unseren Bunker einmal gründlich ausgeschöpft und dann haben wir den ganzen Boden mit Sand ausgefüllt. Darauf haben wir nun Bohlen gelegt und darüber Bretter. Dadurch ist der Fußboden um etwa zwanzig Zentimeter gehoben. Jetzt läßt es sich doch wieder einigermaßen leben. Es sind alles so unangenehme Dinge, die man hier mit in Kauf nehmen muß und mit denen man täglich rechnen muß, die sich aber auch täglich einstellen. Diese Sachen sind aber anscheinend dazu da, daß man sie überwindet. _ Mit dem Mist kommst Du aber gut weg in diesem Jahr. Wenn Du nochmals einige Fuhren hast holen können, dann denke ich, daß Du damuit ausreichen wirst. Womöglich bleibt noch für den kleinen Garten etwas übrig. Hoffen wir nur, daß die Entwicklung der ganzen Lage es nicht notwendig machet, daß Ihr von dort fort müßt. Es macht mir viel schwere Gedanken, wenn ich im Wehrmachtsbericht lese, daß Freiburg und Offenburg bombadiert worden sind. Wie leicht kann es passieren, daß auch unser Konstanz einmal drankommt, denn diesen Mordbren nern ist ja nichts heilig. Unsere Geduld und unsere Kraft wird auf eine harte Probe gestellt. Es kostet viel Nerven und viel Vertrauen, wenn man immer mit gleicher Gläubigkeit bei der Sache bleiben soll. _ Zum Strümpfestopfen kann ich unsere Helga schon einmal gebrauchen, die Löcher sind erst so groß, daß man eine Faust durchstecken kann. Gut ist nur, daß ich zwei Paar übereinander habe, und daß die Löcher jeweils an verschiedenen Stellen sind. Du mußt Dich nun nicht so sehr über meine Lotterei wundern. In diesen Tagen wird ja wieder die Wäsche gewechselt und dann habe ich ja auch wieder für einige Zeit frische Sachen an.  Lasse Dich wieder einmal in die Arme nehmen und herzlich küssen. Es geht aber leider nur wieder von ferne. Darum füge ich viele liebe und innige Grüße für Dich und die Kinder bei. Immer 

Dein Ernst. 

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