Donnerstag, 19. März 2020

Brief 595 vom 10.12.1944


Mein liebstes Mädel, unser liebes Mutterle !                                                                10.12.44  

Mein letzter Brief war etwas kurz, aber erstens reichte es mir mit der Zeit nicht, und dann hatte ich die Absicht, mich etwas auszuruhen. Mit dem Ausruhen ist es dann nichts geworden, denn es gibt immer soviel Kleinigkeiten  zu erledigen, daß man froh ist, wenn man alles geschafft hat. Wenn man hier auch keine Ansprüche auf Komfort legt, aber die Bude will man doch wenigstens warm haben.  Wir haben doch auch unsere Luftveränderung, einen neuen Bunker bezogen, und da mußte erst einmal der Ofen in Ordnung gebracht werden. Erst mußten wir uns ein Rohr besorgen, was schon ein großes Kunststück ist, denn jede Einheit, die in eine solche Stellung kommt, die grast das Gelände ab und nimmt mit, was nur irgendwie verwendbar erscheint. Als wir das Rohr hatten, haben wir es mit ziemlicher Mühe zusammengebracht. Das Feuermachen schien eine Kleinigkeit, denn Holz und Koks hatten wir schon besorgt. Aber kaum war das Feuer angezündet, da qualmte der Ofen aus allen Fugen. Daraufhin haben wir erst einmal Kalk anrühren müssen, um sämtliche Löcher zuschmieren zu können. Das nutzte herzlich wenig, denn jetzt drückte es den Rauch zur Ofentür hinaus. Wir waren nun der Meinung, daß es am Kamin liegt. Also wurde der umgebaut. Der Qualm war aber unverändert in der Bude und warm wurde es auch nicht. Daraufhin haben wir den Abzug nochmals umgeändert, doch das Ergebnis war das gleiche. Später hatte ich es doch soweit gebracht, daß unser Rohr glühte und unser Bunker einigermaßen überschlagen wurde. Heute früh wollten wir nun einen Bunkerofen anbauen und dieser mußte  abgelassen (?) werden. Nur unter Aufbietung meiner ganzen Überredungskunst gelang es mir, bis heute früh zu warten. Ich hatte die Absicht, das Feuerungsloch abzuändern, damit dieser Ofen mehr Zug bekommt. Unser Feldwebel fing schon heute früh bald an zu werken, so daß ich auch aus der Falle heraus mußte. Ich habe dann den Ofen nochmals untersucht und mußte dabei feststellen, daß das Abzugsrohr vollkommen im Sand stand. Damit war ja die Ursache zur Behebung des Schadens erkannt. Du kannst Dir vorstellen, wie froh wir waren, daß wir nun unseren Ofen anheizen konnten und nicht mehr in einem kaum durchwärmten Bunker zu sitzen brauchten Jetzt habe ich es soweit, das schon alles die Feldblusen auszieht, weil es sonst zu warm ist. Sowas gehört nun zu den Alltagssorgen des Grabenmenschen. Aber nun muß ich mich schnell für Deinen lieben Brief Nummer 108 bedanken, den ich gestern Abend erhielt. Es hat mir vor allem Freude gemacht, wenn Du mir schreiben kannst, daß unsere Jörg sich in seiner Freizeit nützlich gemacht hat und Dir im Wald Holz besorgte. Das kann man in dieser Zeit doch sehr brauchen. Daß er sich im Ried gern aufhält, das kann ich mir gut vorstellen, denn so was ist doch für Jungens ein wahres Paradies. Aber trotz allem muß er Obacht geben, damit er nicht einmal stecken bleibt. Du warst auch wieder recht fleißig und hast für unser Mädel einen neuen Mantel gebaut. Wo hast Du denn den Lodenstoff her? Ist das noch der Mantel von Deiner lieben Mutter? Da wird sie froh sein, wenn sie wieder etwas Neues anzuziehen hat. Ja, die beiden Stromer wachsen aus allem heraus und dann muß man schließlich berücksichtigen, daß sie kaum ein Stück bekommen haben, das ganz aus neuem Stoff wäre. Aber dank Deines Geschicks sind sie immer ordentlich angezogen gewesen und man hat wohl kaum den Eindruck gehabt, daß diese Sachen zusammengestoppelt sind. Daß Du mit den Zigaretten hast aushelfen können, hat sich doch für Dich ganz schön gelohnt.  Wenn es den Leuten nichts ausmacht mit dem Brot, dann ist es Dich doch gewiß eine Hilfe gewesen.  Ich sende Dir und den Kindern recht viele liebe Grüße und küsse Euch alle Drei recht fest. Bleibt immer recht gesund für Euer Vaterle und 

Deinen Ernst.

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