Donnerstag, 19. März 2020

Brief 564 vom 21.10.1944


 Meine liebste, liebe gute Annie!                                                                         21.10.44 

Diesmal kann ich mich gleich wieder für zwei Briefe von Dir bedanken, die ich gestern erhielt. Es handelt sich um Deine beiden Briefe von 9. und 10.  Solche lieben Nachrichten sind mir immer ein Lichtblick in unserem grauen Alltag. Grau ist schon das Wetter. Die Spätherbstnebel vermischt mit Regen und den sonstigen unangenehmen Begleiterscheinungen, lassen wenig Wärme im Herz und auch rein körperlich aufnehmen.  Trotz allem habe ich keinen Anlaß zu Murren, denn ich sage mir, wenn wir in unserem Abschnitt in keine größeren Kampfhandlungen verwickelt werden, dann will ich herzlich froh sein, denn ich kann mir vorstellen, daß es wenig angenehm ist, jetztin eine rückwärtige Stellung zurückzumüssen, in der sich keine Bunker befinden, dann ist die Vorstellung nicht unbedingt rosig. Vorläufigliegt ja auch noch keine Veranlassung für solche Gedanken vor, und wenn es tatsächlich einmal soweit kommen sollte, dann wird man sich damit auch wieder zurechtfinden müssen. Von Deinem Vater erhielt ich gestern den Rundbrief Nummer 21, der ja inzwischen auch in Deine Hände geraten ist. Ich habe mich im Wesentlichen darüber gefreut, doch eines stößt mir immer wieder auf, wenn er schreibt, daß sich andere Frauen einfach hinlegen würden, wenn sich sich das Bein verletzt hätten Seine Lotte dagegen opfert sich asuf und schafft für ihren geliebten Mann weiter. Wenn man die Frau nicht kennen würde, dann könnte man das glauben, aber wenn man mit ihr schon zusammengekommen ist, dann kann man wohl schon mit Recht behaupten, daß da selbst die Hühner lachen, wenn mann so etwas liest. Ich werde das selbstverständlich nicht zum Anlaß einer Kritik ihm gegenüber nehmen, denn ich habe nicht Lust, solch einen Streitvom Zaune zu brechen wie Siegfried, bei dem man sich gegenseitig ärgert, und bei dem am Ende doch nichts herauskommt. So lassen wir ihn in seinem Glauben, daß er doch mit seiner Frau den besseren Teil erwählt hat. Bei dem Brief, den Siegfried an Deinen VAter geschrieben hat, beklagt Siegfried sich doch darüber, daß die Zeitungen immer noch an den Sanitätsgefreiten, nicht an den Feldwebel gerichtet sind. Daß er sich vorkommt, als sei ere degradiert worden. Die Art und Weise, dies zu bemängeln, finde ich etwas kleinlich, doch wenn ich hier sehe, was für Funktionen die Herren hier ausüben und wie wichtig sie sich vorkommen, dann kann ich diese Redewendung schon verstehen. Ich will mich bestimmt nicht als Musterknabe hinstellen, aber was soll ich nur sagen, was ich mit meiner Rückversetzung mitgemacht habe. Wenn das schließlich auch nicht auf einer Stufe liegt, so kann man ja ohne weiteres auf solche Gedanken kommen und man muß sich sagen, was seid ihr doch für kleine Würstchen. Die Frage Deines Vaters an mich, ob ich noch nicht befördert sei und ob die Vwersprechungen, die uns frühergegeben wurden, nicht eingehalten würden, zeugen ja vbon einer gewissen Anteilnahme, doch ich habe Dir ja meine Stellungnahme zu diesem Offiziersproblem anläßlich meines letzten Urlaubs mit Dir durchgesprochen. Ich habe hier wiederholt Gelegenheit gehabt, diese Leute zu beobachten. Wenn ich so sehe, wie die zu allen möglichen Dingen hingezogen werden, dann bin ich doch liebe in meiner gegenwärtigen Stellung, als daß ich mir noch um andere Dinge Kopfschmerzen mache.  Deine Mitteilung über Vater, daß er immer noch an dem Schuppen arbeitet, hat mich doch etwas in Verwunderung versetzt. Daß er sich nicht sonderlich beeilt hat, das weiß ich. Aber daß er fast zehn Wochen dazu braucht, bis er das bißchen Schuppen fertig bekommt, das ist doch für meine Begriffe etwas zuviel. Wenn  er mit solchen Arbeiten sein Brot verdienen müßte, dann ging es aber verdammt knapp bei ihm zu. Nun kann ich mir auch erklären, warum er Dir während Deines Krankseins nicht hat behilflich sein können. Wir müssen uns eben damit abfinden, daß er so ist und wir machen ihn auch nicht mehr anders. Ich sende Dir heute gleich wieder die Bilder von Athen mit zurück. Ich habe hinten daraufgeschrieben, was es ist, damit man darüber immer im Bilde ist. Das eine wurde anläßlich meines Abschieds abends gemacht. Aus diesem Grund sitze ich auch gleich mit in vorderster Front. Das andere Bild ist ja etwas flau, aber immerhin kann man ja erkennen, wer es ist. Mein Feldwebel hat etwas Augen gemacht und wollte eine lakonische Bemerkung dazu machen, doch er hat es sich doch nicht so ganz getraut. Einige Zulassungsmarken für Päckchen habe ich auch beigelegt. Ich habe sie vor einigen Tagen erhalten. Ich bitte Dich aber aufrichtig, schicke mir keine Eßwaren, denn ich habe hier reichlich und ich könnte das Gesandte nich in Ruhe genießen, ohne dabei daran zu denken, daß IhrEuch das von Eurem Wenigen abgespart habet. Sei bitte brav. _ Die Feldpostnummer von Siegfried habe ich mit notiert, ich werde ihm in diesen Tagen auch einmal schreiben. _ Wenn Du jetzt mit Deinem Fuß‘ einigermaßen wieder in Ordnung kommst, so bitte ich Dich, Helga nicht gleich zum Arbeitseinsatz weggehen zu  lassen, denn Du sollst Dich nicht gleich überanstrengen. Was für Arbeit müßte sie dann denn machen? Eins habe ich Dich auch noch fragen wollen. Du hast mir immer geschrieben, daß Dir die Grabgabel durch den Fuß gegangen sei, aber welcher Fuß eigentlich getroffen wurde, das hast Du mir nicht mitgeteilt. _ Dein Verhalten gegenüber den Leuten, die Dir die Leiter geborgt haben, billige ich voll und ganz. Die können doch nicht erwarten, daß man ihnen nun die kleine Apfelernte in den Hals wirft. Wenn sie nicht wollen, dann gibt es schließlich auch noch andere Möglichkeiten. Schließlich kann man ja auch im Notfalle im Gutshof danach fragen. Wenn Du dem Mann einige Zigaretten gibst, dann kommst Du ent schieden weiter, wie in diesem Fall. Doch das ist ja nun erledigt. _ Daß Du Dich nun auch der Schulaufgaben annimmst und mit den Kindern rechnest, freut mich sehr. Sie selbst werden ja gemerkt haben, daß sie ganz aus der Übung gekommen sind und daß die Wiederholung notwendig ist. Wenn sie das Gelernte immer wieder einmal auffrischen, dann bleiben sie doch in einem gewissen Training. Wenn Du mit Helga immer etwas Eng lisch sprechen kannst, so macht sich doch das, was Du einmal in früheren Jahren gelernt hast, bezahlt, wenn man so sagen soll. Die große Rechnung, die Du mir aufgeschrieben hast, ist mir noch in blasser Erinnerung aus der Schulzeit her. Ich muß nur fest stellen, daß ich für diese Art zu rechnen bisher noch keine Verwendunghatte, aber ich bin bald drtaufgekommen, wie das läuft, und nachgerechnet habe ich auch und ich habe die erstaunliche Feststellung treffen müssen, daß sie stimmt. Helga ist ja an sich nicht so dumm, daß sie nicht daraus profitieren würde. Es ist mir nicht um das Geld, das man an Privatstunden geben könnte, ab er ich glaube, daß ihr das auch genügt. Zudem ist es so, daß sich Resi nicht so darum kümmert wie Du und das darf man dabei nicht ausser Acht lassen. _Recht herzlich grüße ich Dich und die Kinder und füge viele liebe Küsse für Dich und die Kinder bei. Ich bin in Liebe immer 

Dein Ernst.

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