Donnerstag, 19. März 2020

Brief 566 vom 28.10.1944


Du mein liebster Schatz!                                                                         28.10.44   

Recht herzlichen Dank für Deinen Brief Nr. 73 /17.10.  ohne Datum, den ich gestern bekommen habe. Du teilst mir den Geldeingang mit. Dann erfahre ich von Dir eine Angelegenheit, die in ihrer Art recht bedauerlich ist. Es beruhigt mich aber, daß Du mir davon erzählt hast, denn von solchen Dingen muß ich Bescheid wissen. Wie Du diesen Fall pariert hast, kann ich nur gutheißen. Auf diese Art und Weise wird doch dem Jungen die Lust zum Arbeiten genommen. Es hat halt alles sein Für und Wider. Wenn er in Deiner Nähe ist, kannst Du immer zu ihm sehen. Aber wenn er auswärts ist, dann hänselt ihn vielleicht einer, wie es hier der Fall ist. Dooch es besteht ja dann wenig Möglichkeit, zu ihm zu sehen. Wenn aber keine Änderung in diesem Zustand eintritt, dann nimmst Du ihn einfach heim und er bleibt zuhause. Denn aus welchem Grund sollen wir die Kinder anderer Leute zur Faulheit anhalten, damit unser Jörg sich für den Kriegseinsatz melden kann. Ich sehe ja ein, daß sie uns womöglich auslachen. Dann soll er sich lieber hinsetzen und was lernen oder für sich basteln. Darum freue ich mich, daß Du da gleich eingegriffen hast und gleich den Leuten den Standpunkt klar gemacht hast. Wir lassen schließlich nicht von solchen Schlawinern darüber bestimmen, was mit unseren Kindern gemacht wird. Wenn wir solch schlechte Erfahrungen machen, dann bleibt Helga von vorneherein daheim. Vor allem sollen sich diese Herren Hitlerjugendführer dazu melden und nicht auf ihrem Bann herumhocken. Das paßt aber ganz und gar zu dem Bild, wie ich es in diesen unteren Stellen schon seit Jahren kennengelernt habe. Du wirst mir ja darüber berichten, wie sich dieser Vorfall nun weiter entwickelt hat.  Du fragst mich in einem Deiner letzten Briefe, ob ich mit meinem Feldwebel zusammen in einem Bunker wohne. Das hast Du wohl nicht richtig verstanden, doch das war noch in unserer letzten Stellung. Dort hatten wir einen kleinen Bunker für zwei Mann. Zudem hatte ich einen schönen Ofen ergattert, von dem ich Dir schon schrieb. Man hat sich grad so umdrehen können, den Kopf mußte man auch etwas einziehen. Aber das war ja nicht weiter schlimm. In unserer geenwärtigen Stellung, da ist der Bunker schon etwas größer. Man kann sich ordentlich aufrichten und dann ist immer noch viel Platz über dem Kopf. Auch sonst ist es ziemlich geräumig und im Verhältnis schön trocken und warm ist es auch ohne daß man einheizt. Vor einigen Tagen haben wir einen Bunkerofen bekommen, doch unsere Wohnung ist so hoch, daß das dazu gehlieferte Rohr zu kurz war. Weiteres Rohr war nicht zu bekommen, so haben wir uns einen Tisch beschafft, und dort unseren Wärmespender daraufgestellt. Vorhin haben wir ihn zum ersten Mal eingeheizt, und ich kann sagen, daß es eine ganz wohlige Wärme ist, die er in unserer Bude verbreitet. Hier sind wir nun zu Dritt in diesem Bunker. Noch ein jüngerer Kamerad und unser Feldwebel, mit dem ich ja nun schon gleich nach meiner Rückkunft herumziehe. Er hat wohl seine Launen, auf die man sich einstellen muß, aber das ist wohl auf eine frühere Kopfverwundung zurückzuführen. Unsere Stellung zieht sich unmittelbar am Fluß hin, und wir haben unsere Unterkunft in einem kleinen Gehölz, das etwa 15o bis 200 Meter vom Fluß zurückliegt. Sonst geht es mamchmal kriegerisch zu, aber das läßt sich nun einmal nicht anders einrichten. Da, wo Krieg gespielt wird, da wird geschossen. Das mit dem Schlaf, das ist so eine Angelegenheit, an die man sich gewöhnen muß. Einmal schläft man am Tage und wenn in der Nacht Zeit dazu ist, dann nimmt man da ein Auge voll. Von richtigem Schlaf kann ja überhaupt keine Rede sein, weil man doch nicht fest schlafen kann. Liegt man einmal um, dann kommt bewiß einer angekleckert und will etwas haben oder etwas wissen. Wenn ich einmal wieder irgendwo in Ruhe Zeit zum Schlafen habe, ich glaube, ich könnte eine ganze Weile in einem Stück gebrauchen.  Aber hier geht das nicht und man findet sich damit ab, wie mit vielen anderen Dingen, auf die man auch verzichten muß. Körperpflege und ähnliche Scherze fällt alles flach. Gestern mußte ich erst das Eis auf unserem Wasserbehälter aufklpfen. Daß man dann mit dem Waschen etwas kürzer tritt, das versteht sich ziemlich am Rande.  Von Zeit zu Zeit sende mir doch bitte einige Bogen Papier oder auch Feldpostbriefe, sonst müßte ich meine Schreibarbeiten einstellen. Ganz so schlimm ist es zwar nicht, denn ich bekomme auch hier immer wieder etwas, aber im Monat kannst Du mir schon einmal so zehn Stück zukommen lassen, damit ich nicht so ganz auf dem Trockenen sitze. _ Lasse Dich und die Kinder wieder recht schön und herzlich grüßen. Viele und liebe Küsse füge ich für Euch Drei bei. Grüße auch Vater wieder mit von mir. Kommt er denn auch immer zu Dir hinauf? Dir einen besonders lieben Kuß von 

Deinem Ernst.

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