Du mein liebster Schatz! 28.10.44
Recht herzlichen Dank für Deinen Brief Nr. 73 /17.10. ohne Datum, den ich gestern bekommen habe.
Du teilst mir den Geldeingang mit. Dann erfahre ich von Dir eine Angelegenheit,
die in ihrer Art recht bedauerlich ist. Es beruhigt mich aber, daß Du mir davon
erzählt hast, denn von solchen Dingen muß ich Bescheid wissen. Wie Du diesen
Fall pariert hast, kann ich nur gutheißen. Auf diese Art und Weise wird doch dem
Jungen die Lust zum Arbeiten genommen. Es hat halt alles sein Für und Wider.
Wenn er in Deiner Nähe ist, kannst Du immer zu ihm sehen. Aber wenn er auswärts
ist, dann hänselt ihn vielleicht einer, wie es hier der Fall ist. Dooch es
besteht ja dann wenig Möglichkeit, zu ihm zu sehen. Wenn aber keine Änderung in
diesem Zustand eintritt, dann nimmst Du ihn einfach heim und er bleibt zuhause.
Denn aus welchem Grund sollen wir die Kinder anderer Leute zur Faulheit
anhalten, damit unser Jörg sich für den Kriegseinsatz melden kann. Ich sehe ja
ein, daß sie uns womöglich auslachen. Dann soll er sich lieber hinsetzen und
was lernen oder für sich basteln. Darum freue ich mich, daß Du da gleich
eingegriffen hast und gleich den Leuten den Standpunkt klar gemacht hast. Wir
lassen schließlich nicht von solchen Schlawinern darüber bestimmen, was mit
unseren Kindern gemacht wird. Wenn wir solch schlechte Erfahrungen machen, dann
bleibt Helga von vorneherein daheim. Vor allem sollen sich diese Herren
Hitlerjugendführer dazu melden und nicht auf ihrem Bann herumhocken. Das paßt
aber ganz und gar zu dem Bild, wie ich es in diesen unteren Stellen schon seit
Jahren kennengelernt habe. Du wirst mir ja darüber berichten, wie sich dieser
Vorfall nun weiter entwickelt hat. Du
fragst mich in einem Deiner letzten Briefe, ob ich mit meinem Feldwebel
zusammen in einem Bunker wohne. Das hast Du wohl nicht richtig verstanden, doch
das war noch in unserer letzten Stellung. Dort hatten wir einen kleinen Bunker
für zwei Mann. Zudem hatte ich einen schönen Ofen ergattert, von dem ich Dir
schon schrieb. Man hat sich grad so umdrehen können, den Kopf mußte man auch
etwas einziehen. Aber das war ja nicht weiter schlimm. In unserer geenwärtigen
Stellung, da ist der Bunker schon etwas größer. Man kann sich ordentlich
aufrichten und dann ist immer noch viel Platz über dem Kopf. Auch sonst ist es
ziemlich geräumig und im Verhältnis schön trocken und warm ist es auch ohne daß
man einheizt. Vor einigen Tagen haben wir einen Bunkerofen bekommen, doch unsere
Wohnung ist so hoch, daß das dazu gehlieferte Rohr zu kurz war. Weiteres Rohr
war nicht zu bekommen, so haben wir uns einen Tisch beschafft, und dort unseren
Wärmespender daraufgestellt. Vorhin haben wir ihn zum ersten Mal eingeheizt,
und ich kann sagen, daß es eine ganz wohlige Wärme ist, die er in unserer Bude
verbreitet. Hier sind wir nun zu Dritt in diesem Bunker. Noch ein jüngerer
Kamerad und unser Feldwebel, mit dem ich ja nun schon gleich nach meiner
Rückkunft herumziehe. Er hat wohl seine Launen, auf die man sich einstellen
muß, aber das ist wohl auf eine frühere Kopfverwundung zurückzuführen. Unsere
Stellung zieht sich unmittelbar am Fluß hin, und wir haben unsere Unterkunft in
einem kleinen Gehölz, das etwa 15o bis 200 Meter vom Fluß zurückliegt. Sonst
geht es mamchmal kriegerisch zu, aber das läßt sich nun einmal nicht anders
einrichten. Da, wo Krieg gespielt wird, da wird geschossen. Das mit dem Schlaf,
das ist so eine Angelegenheit, an die man sich gewöhnen muß. Einmal schläft man
am Tage und wenn in der Nacht Zeit dazu ist, dann nimmt man da ein Auge voll.
Von richtigem Schlaf kann ja überhaupt keine Rede sein, weil man doch nicht
fest schlafen kann. Liegt man einmal um, dann kommt bewiß einer angekleckert
und will etwas haben oder etwas wissen. Wenn ich einmal wieder irgendwo in Ruhe
Zeit zum Schlafen habe, ich glaube, ich könnte eine ganze Weile in einem Stück
gebrauchen. Aber hier geht das nicht
und man findet sich damit ab, wie mit vielen anderen Dingen, auf die man auch
verzichten muß. Körperpflege und ähnliche Scherze fällt alles flach. Gestern
mußte ich erst das Eis auf unserem Wasserbehälter aufklpfen. Daß man dann mit
dem Waschen etwas kürzer tritt, das versteht sich ziemlich am Rande. Von Zeit zu Zeit sende mir doch bitte einige
Bogen Papier oder auch Feldpostbriefe, sonst müßte ich meine Schreibarbeiten
einstellen. Ganz so schlimm ist es zwar nicht, denn ich bekomme auch hier immer
wieder etwas, aber im Monat kannst Du mir schon einmal so zehn Stück zukommen
lassen, damit ich nicht so ganz auf dem Trockenen sitze. _ Lasse Dich und die
Kinder wieder recht schön und herzlich grüßen. Viele und liebe Küsse füge ich
für Euch Drei bei. Grüße auch Vater wieder mit von mir. Kommt er denn auch
immer zu Dir hinauf? Dir einen besonders lieben Kuß von
Deinem Ernst.
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