Du meine Liebste !
8.1.45
Deinen letzten Brief vom ersten Weihnachtstag erhielt ich am
3. Die vergangenen Tage habe ich leider
vergeblich auf einen Gruß von Dir gewartet. Es muß dies aber mit der
allgemeinen Postbeförderung von unsrer Kante herauf zusammenhängen, denn meine
anderen Kameraden, die aus unserer Gegend Post erwarten, ergeht es genau nicht
anders. Da heißt es also weiter abwarten. Gestern habe ich einmal nicht an Dich
geschrieben, wenn ich auch Gelegenheit dazu gehabt hätte. Ich war nicht so
recht in Stimmung dazu. Vorgestern hatten wir nach dem Kameradschaftsabend
einen Ruhetag eingeschaltet und gestern früh ging es mit unserer Ausbildung
weiter. Wir haben Angriff geübt und mußten in eine Stellung einbrechen. Dabei
passierte mir wieder einmal ein Pech, denn ich habe mir zur Abwechslung den Fuß
übertreten. Diesmal ist es das rechte Fußgelenk. Das linke Fußgelenk und das
Kniegelenk habe ich ja schon dran gehabt. Da wäre also jetzt noch das rechte
Kniegelenk heil. Es ist diesmal nicht ganz so schlimm, denn ich denke, daß ich
bald wieder richtig mitschlurfen kann. Für heute , dem Tag, an dem die große
Übung steigt, ist es ja aus. Dafür habe ich hier Telefonwache, während alle
anderen Kameraden weg sind. Das läßt sich nun nicht ändern. Hauptsache ist, daß
es bald wieder ins richtige Gleis kommt, alles andere wird sich schon finden.
Was macht eigentlich Dein Fuß? Hast Du noch größere Beschwerden damit, oder hat
es sich jetzt ganz gegeben. _ Gegenwärtig herrscht hier ein einigermaßen
ordentliches Winterwetter. Heute morgen hat es auf den alten verharschten
Schnee wieder neue flocken gegeben. Es sieht alles wie frisch überzogen aus.
Die Tannen und Kiefernbäumchen, die zur Tarnung vor dem Bunkerfenster stehen,
sind leicht bereift und haben dadurch ein etwas festliches Kleid bekommen. Der
Himmel ist zwar gleichmäßig grau und verspricht noch mehr Schnee. Ist es bei
Euch ebenso kalt wie in Leipzig gewesen? Hier war die Temperaturschwankung
nicht ordentlich stark. Da wird für Dich bald wieder eine Schuhsorge eintreten,
denn Jörg wird dann bei einigermaßen ordentlichem Eisverhältnissen
Schlittschuhlaufen wollen. Das ist eben in dieser Zeit nicht so einfach. Wegen
des Kalenders mußt Du Dir weiter keine Lauferei machen, denn Dein Vater sandte
mir erst einmal einen zu und versprach, daß er mir bald einen ordentlichen
Taschenkalender folgen lassen will, sobald er den bestellten erhält. Ich komme noch einmal auf die Angelegenheit
wegen einer Räumung von Konstanz zurück.
Durch die Maßnahmen, die gegenwärtig in militärischer Hinsicht laufen,
ist dieser Fall wohl wieder etwas in den Hintergrund getreten, doch ich erwähne
dies vor allem deshalb, weil Du selbst in einem Deiner letzten Briefe davon
sprichst. Dein Vater kommt auf Deine Zeilen zurück und meint, daß Du bzw. ich
mich mit entscheiden müßte. Du würdest im Fall der Notwendigkeit lieber auf das
Angebot von Erna eingehen, weil Du glaubst, daß es auf die Dauer mit Lotte doch
nicht gut gehen würde, Daß Dein Vater großen Wert darauf legt, daß im Notfall
seine Tochter zu ihm kommt, ist ihm hoch anzurechnen, aber es spielen eben
manchmal noch gewisse Dinge mit, die in diesem Falle eben darin liegen, daß
Leute vielleicht den guten Willen haben mögen, aber Schwierigkeiten bestehen
nun einmal und denen soll man nach Möglichkeit aus dem Weg gehen. Ich kann mir vorstellen, daß Du mit Erna
leichter hantieren könntest als im anderen Fall. Zudem ist ja die Platzfrage
recht entscheidend. Zwar muß man eben auch damit rechnen, daß Siegfried eines
Tages auf Urlaub erscheinen würde, aber da ließe sich dann schon eine Regelung
finden. Wenn ich so das eine gegen das andere abwäge, komme ich ebenfalls zu
dem Schluß, daß eine einstweilige Unterkunft bei Erna günstiger ist. Es müßte
dann im Ernstfall Deinem Vater die Notwendigkeit klargemacht werden. Aber
hoffen wir, daß die Dinge für uns weiterhin einen günstigen Verlauf
nehmen. Ich grüße Dich und die Kinder
recht herzlich. Vater wünsche ich gute Besserung mit seiner Bauchgeschichte.
Hoffentlich renkt sich das wieder ein. Wenn er noch weiterhin Schmerzen haben
sollte, dann müßte er eben einen Arzt oder den Bandagisten aufsuchen. Bleibt
Ihr meine drei Lieben alle gesund und nehmt recht liebe und viele Küsse
entgegen von
Deinem Ernst.
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