Du liebe gute Annie! 10.10.44
Bei der Post geht es anscheinend wieder einmal recht langsam
zu. Auch gestern erhielt ich keine
Nachricht von Dir. Umso mehr liegt heute Veranlassung vor, daß ich heute mit
einem von Dir rechnen kann. Die Tage scheinen nun ein gewisses Gleichmaß
anzunehmen, denn ich bin heute wieder zum Schlafen gekommen, und das will doch
schon etwas heißen. Wenn es am Vormittag auch nur wenige Stunden waren, so
machte das schon etwas aus, und man freut sich darüber, daß man sich ein
bißchen ausruhen kann. Ich habe immer noch soviel freie Zeit gehabt, daß ich
dem Tommy und dem einen Kameraden aus Griechenland habe schreiben können. Ob
diese Briefe ihren Empfänger erreichen, ist unter den veränderten Verhältnissen
eine Frage, aber immerhin, ich will es versuchen. Du weißt ja, wie ungern ich
Briefschuld habe und daß ich sie immer möglichst schnell von mir abwälze. _ Das
Wetter ist in der letzten Zeitrecht wech selhaft und erinnert dadurch stark an
den Herbst. Die Kälte, die hier schon geherrscht hat, hat inzwischen wieder
tüchtig nachgelassen, doch regnet es hie und da immer wieder einmal, das ist
dann auch nicht gerade angenehm. Ich bin darum froh, daß wir ein Dach über dem
Kopf haben. Heizen kann ich ja unsere Unterstände auch, was uns dann sehr
zustatten kommt. Am Anfang raucht der Ofen beim anheizen und in der Bude ist
nichts mehr zu erkennen, aber das sind nun einmal solche Kleinigkeiten, die man
hier in Kauf nehmen muß. Am Tage kann man ja nicht weiter heizen, denn dies
würde der Feind bemerken. Ich habe darum in der vergangenen Nacht, als ich nach
Erledigung meines Dienstes heim kam, angefangen, unseren Ofen fertig zu machen.
Unser Feldwebel lag schon zu Bett, doch wenn ich feuere und etwas warm haben
wollte, so mußte ich diese Zeit bewnutzen. Also Frischholz in den Ofen und
angebrannt. Es braucht auch nicht lange und ich hatte es soweit, daß bei uns
nichts mehr zu erkennen war. Mein Feldwebel, mit dem ich allein hier zusammen
bin, wachte dann auch auf, weil er keine Luft mehr bekam, aber trotzdem konnte
ich mich trotz wiederholter Ansprüche nicht von meinem Vorhaben lassen. Nach
einiger Zeit hatte ich es dann auch geschafft, daß wir unsere Heimstätte,
nachdem wir vorher gemeinsam die Flucht ergriffen hatten, wieder aufsuchen
konnten. Der Ofen hatt dann eine solche Wärme ausgestrahlt, daß wir uns, ohne
viel zuzudecken hinlegen konnten. Gegen Morgen hatte ich es dann wieder
geschafft, daß wir uns von unserem Lager wieder erheben mußten, weil wir die
Schwitzkur auf die DAuer doch nicht mitmachen wollten, denn es war inzwischen
so heiß bei uns geworden, daß man mit Recht sagen konnte, das ist des Guten
zuviel. Es ist eben nicht so einfach, das richtige Maß zu finden. Vor allem,
wenn man es gut meint. Mit der Wärme, die bei uns eingekehrt ist, sind nun auch
die Fliegen wieder gekommen, die sich die ganze Zeit hier nicht mehr
wohlfühlebn konnten, weil es zu kalt in unserem Bunker war. So nach und nach kommt
eben doch wieder alles in das rechte Gleis. _ Ich hoffe, daß Ihr mir alle
gesund seid und daß die Besserung Deines Fußes sich auch weiterhin anläßt. Was
macht denn unsere HelgaHausfrau und unser Gärtnerlehrling? Herzlich grüße ich
Euch alle Drei und VAter. Laßt Euch von mir recht innig küssen, denn ich bin ja
immer
Dein Ernst.
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