Du mein liebstes Mädle ! 12.1.45
Mein Tagesgruß soll
nun auch werden, denn es geht wieder auf die Zeit zu, da es heißt, sich fertig
machen und Essen fassen. Gleichzeitig muß man ja dann auch seine Post abgeben.
Wenn man diesen Punkt nicht trifft, dann ist das absenden des Briefes verpatzt
bis zum nächsten Tag. Also dann einmal los. Ein Brief ging von Dir gestern
nicht ein. Ich bekam überhaupt keine Post. Aber das ist ja kein Grund zum
lamentieren. Aber ich habe ja noch einiges, was wohl aus Deinen vergangenen
Briefen zu beantworten ist; auch sonst gibt es einiges zu schreiben. Da wäre
die Mitteilung von Deinem Vater, daß der Elternverein aufgelöst worden sei.
Dieses Schreiben ist doch gewissermaßen eine Art Todesurteil. Wenn man so
bedenkt, steckt doch ein ziemliches Stück Leben Deines VAters und im weiteren
Sinne unserer Familie darin. Was hat sich gerade während dieser 25 Jahre alles
ereignet, und wie ist das Leben Deiner Eltern von diesem Verein beeinflußt
worden. Manches hätte vielleicht andere Wendungen genommen. Manches Positive
hat sich zweifellos dabei auch herausgestellt. Gerade wie in diesem Schreiben,
die Kinderlandverschickungen hervorgehoben werden. Eine Angelegenheit, die
heute von Partei wegen so herausgestellt wird. Dort war es eine Sache, die
schon lange vorher geübt wurde. Du hättest wahrscheinlich nicht nach der
Ostmark gekommen, und wenn der Verein, oder die Dinge, die damit zusammenhängen
nicht gewesen wäre, hätten wir uns sicherlich nicht kennen gelernt. Manchen
Gedanken könnte man dabei weiterspinnen. Aber es ist nicht die Zeit dazu, daß
man nun Tränen der Wehmut vergißt, wenn man einer abgeschlossenen Angelegenheit
das letzte Wort spricht. Mit Stolz kann Dein Vater immerhin auf die geleistete
Arbeit zurückblicken. Was dabei zum inneren Familienleben sich ergeben hat, das
ist ja eine besondere Angelegenheit. Ich werde Deinem Vater dazu in meinem
nächsten Brief an ihn noch einige Worte richten. Nannie schreibt in ihrem
letzten Brief auch um Päckchenmarken. Ehe ich ihr darüber etwas Zusagendes
mitteile, will ich erst einmal bei Dir anfragen, ob Du etwas dagegen einzuwenden
hast, wenn ich ihr die nächste Marke zugehen ließe. Ich werde sie zwar gleich
darauf aufmerksam machen, daß es eben nur große Marken gibt, und ob ihr das
nicht zuviel wird. Denn ich will nicht haben, daß sie sich in Unkosten stürzt,
denn wir haben immer noch soviel zu essen, daß
man auskommt, und mehr braucht man ja auch nicht. Andererseits kannst Du
mir Kleinigkeiten schicken, die ihr nicht so entbehrt, wenn die Möglichkeit des
Absendens besteht. Also teile mir darüber Deine Ansicht bitte mit. _ DAß Du so
mit Würmern zu tun hast, ist ja höchst unangenehm. Aber daß das für mich ein
Grund zum Ekeln wäre, das kann ja nicht zutreffen. Erstens bin ich schon
allerhand gewöhnt; daß ich nicht empfindlich bin, das weißt Du auch. Also da
nur keine falsche Scham. Ich wünsche Dir nur recht viel Erfolg zu Deiner Kur.
Jörg ist doch dafür auch immer sehr empfindlich. Hat er nichts davon abbekommen
oder hast Du sie von ihm? Für die Grüße von Resi danke ich, ich lasse sie
erwidern, wenn Du sie triffst. Ich habe schon einmal gefragt, was macht denn
Fritz? Hat sie überhaupt wieder etwas von seiner Einheit gehört. Wie nimmt sie
das auf? Die Nummern der Sparbücher
hatte ich mir schon früher notiert. Die Kinder haben ja auch schon ganz nette
Beträge zusammen. Hoffentlich können sie es einmal für sich entsprechend
verwerten. Aber auch Du wirst mich ja nun bald erreicht haben. Daß Ihr jetzt öfter wieder inn der kleinen
Stube sitzt, ist doch für Euch auch gemütlicher. Nicht allein, daß Du damit
Heizung sparst, sondern auch so hat sie vieles an sich, was das Leben in ihr
angenehm macht. Wenn ich an den geflochtenen Stuhl denke, so sehe ich im Geiste
noch unseren Kurt damit an dem einen Weihnachtsfest ankommen. Er konnte nicht
viele Worte machen. und doch freute er sich im Stillen, daß ihm das möglich
war. In diesen Tagen sind nun zwei Jahre vergangen, seit er sein Leben ließ.
Immer werde ich in Stolz und Ehre an ihn denken. Er war ein prima Kerl. Daß er
manchmal nicht immer ganz frei war, das muß man verschiedenen Umständen zugute
rechnen, die auf seine Entwicklung eingewirkt haben. Lasse Dich recht herzlich
grüßen. Dir und den Kindern viele liebe Küsse sendet Euer Vaterle und
Dein
Ernst.
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