Donnerstag, 19. März 2020

Brief 602 vom 24.12.1944


Meine liebe gute Annie, liebe Helga und mein lieber Jörg!                                         24.12.44

 Am Heiligabend im Bunker am Fluß. Bald fängt es an zu dämmern. Der Abend bricht bald herein. Damit kommt dann auch wieder die Stunde, auf die man als Kind so sehnlich wartete. Denn es ist nur einmal im Jahr Weihnachten. Weihnachten, das Fest der Familie. Wenn wir auch räumlich nicht beieinander sind, so wollen wir uns doch im Geist zueinander setzen. Helga und Jörg werden trotz der Härte der Zeit in froher Erwartung sein.  Mutterle wird die kleinen Geschenke bereitgelegt haben. Vielleicht habt Ihr  ein Bäumchen erstanden, andernfalls wird ein Kranz mit einigen Zweigen die weihnachtliche Stimmung heben. Zum Essen wird es doch einiges Gebackenes geben und für den Feiertag hat Mutterle wohl auch einiges erübrigt. Alles in allem , es ist doch wieder Weihnachten geworden, trotz allen Einschränkungen, die sich nun im alltäglichen Leben jetzt ergeben. In der Stube werdet Ihr Euch versammeln. Helga und Jörg stimmen ein Weihnachtslied an. Einige Kerzen werden die frohe Stimmung im Herzen noch etwas erhellen. Daß Ihr dabei auch an mich denkt, das ist so sicher wie ich im Moment mit Euch beieinander bin. Aber ich stehe hier auch nicht allein, denn ich habe noch Euren Weihnachtsbrief und ein liebes Päckchen von Euch. Mit unserem Küchenfahrzeug kommt dann noch ein Weihnachtsbäumchen und einige Sachen werden sich wohl auch noch einfinden. In dieser Beziehung sind wir hier draußen bestimmt nicht vergessen worden. Im Ofen ballert das Holz und der Bunker ist recht mollig warm. Doch mit dem Antritt der Dämmerung heißt es auf Posten sein, denn gerade der Feind kommt kennt ja unsere Einstellung zum Weihnachtsfest und hofft uns einmal überraschen zu können. Doch soweit lassen wir es nicht kommen. Morgen werden wir auch noch Zeit haben, uns zu besinnen. Aber meine Gedanken weilen in jeder freien Minute bei Euch. Ich habe aber Hoffnung, daß Ihr die Tage in Ruhe verbringen könnt. Vielleicht haben auch wir das Glück.  Bleibt mir nur gesund. Wir hoffen alle auf das kommende Jahr. Vielleicht können wir doch wieder einmal das Fest gemeinsam begehen. Das wäre so schön. Aber vorerst schicken wir uns in das, was uns für jetzt vorbehalten ist.  Recht herzlich grüße ich Euch alle Drei und viele liebe Küsse füge ich hinzu.  Ich bin in Gedanken immer bei Euch und bleibe stets in Liebe Euer Vaterle und 

Dein Ernst.

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