Du mein liebster Schatz ! 16.12.44
War das wieder eine Freude, als ich gleich 5 Briefe von Dir
erhielt. Fünf liebe Briefe von Dir, die die Nummern 109/113 tragen. Außerdem
kam noch Dein lieber Weihnachtsbrief an, den ich mir aufhebe und drei kleine
Päckchen, sowie das zweite große Päckchen. Das ist fast die ganze
Postzuteilung. Es kommt früher oder später doch wieder einem ein gerechter Ausgleich
zustande. Wie ich aus Deinen lieben
Zeilen ersehen kann, hast Du wieder fest geschuftet. Erst den Lodenmantel für
unser Mädle und dann die lange hose für unseren Stromer. Außerdem noch die
laufenden Sachen und die freiwillig übernommene Näharbeit. Da nimmt es wirklich
nicht wunder, wenn Dir die Wochen wie im Fluge vorbeigehen. Wenn es Dir selbst
auch noch nicht weihnachtlich zumute ist, wie Du schreibst, so glaube ich doch
aus allem etwas von einem bißchen Weihnachtsstimmung herauszuspüren. Zwar machen
es die vielen Andeutungen, die Du mir von den Kindern mitteilst, aber mir
persönlich geht es hier so, daß ich viel schärfer auf so etwas achte, wie das
früher vielleicht der Fall war, denn gerade Weihnachten ist ja mit das Fest,
das uns allen so tief verwurzelt ist, und das uns immer wieder fühlen läßt, wie
nahe wir miteinander verbunden sind. Das Hervorholen der Adventskalender, die
Freude von Jörg über einen Weihnachtmann und die Nikolausvorbereitungen von
Helga und Ingrid, das sind alles so Dinge, die mir selbst Freude machen und mir
richtig vor Augen kommen. Wie werden die Beiden wieder Jokus gemacht haben. Daß
sich unser Junge nun schon dazu mit hingezogen fühlt, Vorbereitungen zu einer
Nikolausfeier machen zu dürfen, das kann ich mir ganz gut vorstellen. Wenn er
in seinem Alter schon zu sowas hingezogen wird, kann ihm in gewisser Beziehung
nützlich sein. Es hat allerdings auch gewisse Schattenseiten. Was hat er denn
nun für eine Funktion? Soll er erst etwas werden oder ist er schon soweit. Ich hoffe,
daß er dadurch nicht zu der Ansicht kommt, es wären izm schon die Hörner
aufgesetzt worden. Er soll der gleiche Kerle bleiben und seine Pflicht tun und
wie ich sie von ihm gewohnt bin. Ich will es bei dieser Gelegenheit aber
nochmals betonen, daß ich von ihm verlange, daß er während der Schulferienzeit
am Tage wenigstens mindestens eine Stunde sich über die Bücher setzt und sich
diese einmal ansieht, damit er nicht alles verlernt. Gerade jetzt in dieser für
ihn ruhige Zeit kann er sich die Sachen ansehen, in denen er nicht ganz so
sattelfest ist. Es freut mich, daß Ihr
von Vater nochmals einige Äpfel bekommen habt. Ich weiß, daß sie bei Euch nicht
umkommen, denn Ihr seid doch nun einmal große Obstschmatzer. Daß Vater aber nun
gewissermaßen wieder den Dackel für Paula macht, das entspricht ganz und gar
dem früheren Verhältnis, das einmal bestanden hat und das er sonst immer so
kritisiert hatte. Einmal ist er zu
gutmütig und zum zweiten hat er nicht den Mut, ihr einmal offen das zu sagen,
was in diesem Fall notwendig wäre. Gerade aus diesem Grund habe ich es bei ihr
wohl verdorben. Aber das macht wohl weiter nichts. Morgen schreibe ich Dir ja auch wieder. Darum lasse es für heute
gut sein und Dich recht herzlich grüßen und viel, vielmals küssen von
Deinem
Ernst.
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