Donnerstag, 19. März 2020

Brief 599 vom 16.12.1944


Du mein liebster Schatz !                                                                                       16.12.44     

War das wieder eine Freude, als ich gleich 5 Briefe von Dir erhielt. Fünf liebe Briefe von Dir, die die Nummern 109/113 tragen. Außerdem kam noch Dein lieber Weihnachtsbrief an, den ich mir aufhebe und drei kleine Päckchen, sowie das zweite große Päckchen. Das ist fast die ganze Postzuteilung. Es kommt früher oder später doch wieder einem ein gerechter Ausgleich zustande.  Wie ich aus Deinen lieben Zeilen ersehen kann, hast Du wieder fest geschuftet. Erst den Lodenmantel für unser Mädle und dann die lange hose für unseren Stromer. Außerdem noch die laufenden Sachen und die freiwillig übernommene Näharbeit. Da nimmt es wirklich nicht wunder, wenn Dir die Wochen wie im Fluge vorbeigehen. Wenn es Dir selbst auch noch nicht weihnachtlich zumute ist, wie Du schreibst, so glaube ich doch aus allem etwas von einem bißchen Weihnachtsstimmung herauszuspüren. Zwar machen es die vielen Andeutungen, die Du mir von den Kindern mitteilst, aber mir persönlich geht es hier so, daß ich viel schärfer auf so etwas achte, wie das früher vielleicht der Fall war, denn gerade Weihnachten ist ja mit das Fest, das uns allen so tief verwurzelt ist, und das uns immer wieder fühlen läßt, wie nahe wir miteinander verbunden sind. Das Hervorholen der Adventskalender, die Freude von Jörg über einen Weihnachtmann und die Nikolausvorbereitungen von Helga und Ingrid, das sind alles so Dinge, die mir selbst Freude machen und mir richtig vor Augen kommen. Wie werden die Beiden wieder Jokus gemacht haben. Daß sich unser Junge nun schon dazu mit hingezogen fühlt, Vorbereitungen zu einer Nikolausfeier machen zu dürfen, das kann ich mir ganz gut vorstellen. Wenn er in seinem Alter schon zu sowas hingezogen wird, kann ihm in gewisser Beziehung nützlich sein. Es hat allerdings auch gewisse Schattenseiten. Was hat er denn nun für eine Funktion? Soll er erst etwas werden oder ist er schon soweit. Ich hoffe, daß er dadurch nicht zu der Ansicht kommt, es wären izm schon die Hörner aufgesetzt worden. Er soll der gleiche Kerle bleiben und seine Pflicht tun und wie ich sie von ihm gewohnt bin. Ich will es bei dieser Gelegenheit aber nochmals betonen, daß ich von ihm verlange, daß er während der Schulferienzeit am Tage wenigstens mindestens eine Stunde sich über die Bücher setzt und sich diese einmal ansieht, damit er nicht alles verlernt. Gerade jetzt in dieser für ihn ruhige Zeit kann er sich die Sachen ansehen, in denen er nicht ganz so sattelfest ist.  Es freut mich, daß Ihr von Vater nochmals einige Äpfel bekommen habt. Ich weiß, daß sie bei Euch nicht umkommen, denn Ihr seid doch nun einmal große Obstschmatzer. Daß Vater aber nun gewissermaßen wieder den Dackel für Paula macht, das entspricht ganz und gar dem früheren Verhältnis, das einmal bestanden hat und das er sonst immer so kritisiert hatte.  Einmal ist er zu gutmütig und zum zweiten hat er nicht den Mut, ihr einmal offen das zu sagen, was in diesem Fall notwendig wäre. Gerade aus diesem Grund habe ich es bei ihr wohl verdorben. Aber das macht wohl weiter nichts.  Morgen schreibe ich Dir ja auch wieder. Darum lasse es für heute gut sein und Dich recht herzlich grüßen und viel, vielmals küssen von 

Deinem Ernst.

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