Mein liebster Schatz, Du mein gutes Mädel! 3.11.44
Ich habe ja noch von
dem letzten Schwung Briefe, die ich mit einem Male erhielt einiges zu
beantworten und doch kann ich mich heute schon wieder für einen Brief bedanken,
den ich gestern erhielt,. Es ist ein Nachzügler. Nummer 74. Und doch konnte ich
mich darüber freuen, denn Deine lieben Zeilen lösen für mich eine Zeit aus der
Gegenwart heraus und lassen mich das für eine Weile vergessen, was um mich
herum ist. Auch Dein Vater schrieb mir wieder. Er hat es diesmal kürzer
gehalten, doch hat er gleich weitere Nachricht versprochen. Du erwähnst nun in
Deinem Brief, daß Du mit der einen Frau gesprochen hast, wegen Deiner Näherei.
Dir wurde nun der Vorschlag gemacht, in einer Werkstube mitzuarbeiten. Ich kann
dazu nur sagen, daß ich dann von mir aus nur daszu raten kann, wenn es keine
weitere Belastung für Dich bedeutet. Ich verstehe darunter, daß Du nicht noch
weiter zu laufen hast und nicht mehr Pflichten auf Dich nimmst. Du hast die
Kinder und mußt sie schließlic h auch noch in schulischer Hinsicht betreuen.
Ich bitte Dich dringend, nicht mehr zu tun, was Deine Kräfte übersteigen
könnte. Ich muß immer wieder betonen, daß Du keine Riesin bist. Ganz abgesehen
davon, daß die gegenwärtige Ernährungslage Dir keine Gelegenheit bietet,
Kraftreserven zu sammeln. . Ich bitte Dich also nochmals, nach meinen
Vorschlägen zu handeln. _Wenn ich so an Deinen Verdienst von 1,48 RM lese, da
muß ich unwillkürlich an die Erzählungen Deiner Mutter denken, wie sie mit
ihrer Mutter sich hat kümmerlich hat durchschlagen müssen, um für das tägliche
Brot zu arbeiten. Wenn wir auf diesen Verdienst angewiesen wären, dann könnten
wir doch keine großen Sprünge machen. Sage einmal, was machst Du denn mit dem
vielen Geld, was Du Dir so nebenbei verdienst? Da verdienst Du ja bald soviel
wie unser Jörg. _ Deine Frage wegen meines Knies hat sich insoweit überholt,
als ich Dir vor einigen Tagen nochmals davon geschrieben habe. Du weißt ja, daß
man bei einer Verstauchung Geduld haben muß und daß sich das con heute auf
morgen nicht wieder so einrenkt, wie es vorher war. Ich schrieb ja, daß ich wieder so laufen kann, daß die Humpelei
ein Ende hat. Das andere wird sich auch im Laufe der Zeit wieder geben. Gestern habe ich Dir zwei grüne Marken
mitgesandt, die als Marken für Weihnachtssendungen gedacht sind.. Bei der
gegenwärtigen Ernährungslage hatte ich mir überlegt, obich sie Dir zusenden
soll, ober ob ich sie hierlassen soll. Ich hoffe, daß Du selbst so vernünftig
bist und daß Du nichts sendest, was Euch in irgendeiner Form nachher abgeht.
Wenn es sich nicht anders einrichten läßt, dann schicke mir bitte nicht, denn ich
habe mein Auskommen. Ich verlasse mich auf Dich und Deine Verständigkeit. Über
eines bin ich nur froh, als ich einen Deiner letzten Briefe las. Ich freue
mich, daß wir einen kleinen Vorrat an Rauchwaren, insbesondere den Zigaretten
daheim haben. Denn wenn unser Herr Siohn demnächst Bedarf haben wird, dann muß
ich mir doch keine Gedanken machen, wo wir sie hernehmen sollen, da er ja doch
noch keine Raucherkarte bekommt. Ja, da kann man sagen, früh krümmt sich, was
ein Häkchen werden will. Ich habe ja doch im Stillen darüber lachen müssen. Der
Alte, der raucht seit Jar und Tag nicht und dieser junge Spritzer versucht
jetzt schon damit, um nichts zu versäumen. Aber es freut mich, daß er sich sein
Gewissen Dir gegenüber erleichtert und daß Du sein volles Vertrauen besitzt.
Denn man sieht doch daraus, daß er weiß, daß ihm gerecht begegnet wird. Richte
ihm bitte von mir aus, daß er nur fleißig weiterüben soll, damit er mir einmal
etwas vormachen kann, wenn ich wieder einmal heimkomme. Was Deine Ansicht über meine kritischen
Worte wegen meines Weges zum Verbandsplatz anbelangt, so will ich in diesem
Fall nachgeben. Wenn Du mit meinen Taten protzen willst, dann kann ich das
nicht ändern. Nein, es ist schon zum Teil berechtigt, was Du schreibst. Ich
werde in meinem nächsten Brief an Deinen Vater auch von den Sturm und
Nahkampftagen erzählen, denn dies ist ja immer das Spiegelbild von dem, was man
tatsächlich mitgemacht hat, wenigstens was den einfachen Soldaten anbelangt.
Bei den Offizieren ist das immer etwas anderes. Aber das sind ja für mich keine
Dinge, über die ich mich ärgern müßte.
Wenn Ihr in letzter Zeit soviel mit Alarm zu tun habt, dann gebt nur
Obacht und laßt Euch nicht überraschen. Gebt Obacht und laßt Euch nichts
passieren. _ Herzliche Grüße und viele, viele Küsse sende ich Dir und den
Kindern. Bleibt mir gesund und grüßt auch Vater von mir. In Gedanken bin ich
immer wieder bei Euch.
Dein Ernst.
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