Donnerstag, 19. März 2020

Brief 569 vom 3.11.1944


Mein liebster Schatz, Du mein gutes Mädel!                                                                  3.11.44 

 Ich habe ja noch von dem letzten Schwung Briefe, die ich mit einem Male erhielt einiges zu beantworten und doch kann ich mich heute schon wieder für einen Brief bedanken, den ich gestern erhielt,. Es ist ein Nachzügler. Nummer 74. Und doch konnte ich mich darüber freuen, denn Deine lieben Zeilen lösen für mich eine Zeit aus der Gegenwart heraus und lassen mich das für eine Weile vergessen, was um mich herum ist. Auch Dein Vater schrieb mir wieder. Er hat es diesmal kürzer gehalten, doch hat er gleich weitere Nachricht versprochen. Du erwähnst nun in Deinem Brief, daß Du mit der einen Frau gesprochen hast, wegen Deiner Näherei. Dir wurde nun der Vorschlag gemacht, in einer Werkstube mitzuarbeiten. Ich kann dazu nur sagen, daß ich dann von mir aus nur daszu raten kann, wenn es keine weitere Belastung für Dich bedeutet. Ich verstehe darunter, daß Du nicht noch weiter zu laufen hast und nicht mehr Pflichten auf Dich nimmst. Du hast die Kinder und mußt sie schließlic h auch noch in schulischer Hinsicht betreuen. Ich bitte Dich dringend, nicht mehr zu tun, was Deine Kräfte übersteigen könnte. Ich muß immer wieder betonen, daß Du keine Riesin bist. Ganz abgesehen davon, daß die gegenwärtige Ernährungslage Dir keine Gelegenheit bietet, Kraftreserven zu sammeln. . Ich bitte Dich also nochmals, nach meinen Vorschlägen zu handeln. _Wenn ich so an Deinen Verdienst von 1,48 RM lese, da muß ich unwillkürlich an die Erzählungen Deiner Mutter denken, wie sie mit ihrer Mutter sich hat kümmerlich hat durchschlagen müssen, um für das tägliche Brot zu arbeiten. Wenn wir auf diesen Verdienst angewiesen wären, dann könnten wir doch keine großen Sprünge machen. Sage einmal, was machst Du denn mit dem vielen Geld, was Du Dir so nebenbei verdienst? Da verdienst Du ja bald soviel wie unser Jörg. _ Deine Frage wegen meines Knies hat sich insoweit überholt, als ich Dir vor einigen Tagen nochmals davon geschrieben habe. Du weißt ja, daß man bei einer Verstauchung Geduld haben muß und daß sich das con heute auf morgen nicht wieder so einrenkt, wie es vorher war.  Ich schrieb ja, daß ich wieder so laufen kann, daß die Humpelei ein Ende hat. Das andere wird sich auch im Laufe der Zeit wieder geben.  Gestern habe ich Dir zwei grüne Marken mitgesandt, die als Marken für Weihnachtssendungen gedacht sind.. Bei der gegenwärtigen Ernährungslage hatte ich mir überlegt, obich sie Dir zusenden soll, ober ob ich sie hierlassen soll. Ich hoffe, daß Du selbst so vernünftig bist und daß Du nichts sendest, was Euch in irgendeiner Form nachher abgeht. Wenn es sich nicht anders einrichten läßt, dann schicke mir bitte nicht, denn ich habe mein Auskommen. Ich verlasse mich auf Dich und Deine Verständigkeit. Über eines bin ich nur froh, als ich einen Deiner letzten Briefe las. Ich freue mich, daß wir einen kleinen Vorrat an Rauchwaren, insbesondere den Zigaretten daheim haben. Denn wenn unser Herr Siohn demnächst Bedarf haben wird, dann muß ich mir doch keine Gedanken machen, wo wir sie hernehmen sollen, da er ja doch noch keine Raucherkarte bekommt. Ja, da kann man sagen, früh krümmt sich, was ein Häkchen werden will. Ich habe ja doch im Stillen darüber lachen müssen. Der Alte, der raucht seit Jar und Tag nicht und dieser junge Spritzer versucht jetzt schon damit, um nichts zu versäumen. Aber es freut mich, daß er sich sein Gewissen Dir gegenüber erleichtert und daß Du sein volles Vertrauen besitzt. Denn man sieht doch daraus, daß er weiß, daß ihm gerecht begegnet wird. Richte ihm bitte von mir aus, daß er nur fleißig weiterüben soll, damit er mir einmal etwas vormachen kann, wenn ich wieder einmal heimkomme.  Was Deine Ansicht über meine kritischen Worte wegen meines Weges zum Verbandsplatz anbelangt, so will ich in diesem Fall nachgeben. Wenn Du mit meinen Taten protzen willst, dann kann ich das nicht ändern. Nein, es ist schon zum Teil berechtigt, was Du schreibst. Ich werde in meinem nächsten Brief an Deinen Vater auch von den Sturm und Nahkampftagen erzählen, denn dies ist ja immer das Spiegelbild von dem, was man tatsächlich mitgemacht hat, wenigstens was den einfachen Soldaten anbelangt. Bei den Offizieren ist das immer etwas anderes. Aber das sind ja für mich keine Dinge, über die ich mich ärgern müßte.  Wenn Ihr in letzter Zeit soviel mit Alarm zu tun habt, dann gebt nur Obacht und laßt Euch nicht überraschen. Gebt Obacht und laßt Euch nichts passieren. _ Herzliche Grüße und viele, viele Küsse sende ich Dir und den Kindern. Bleibt mir gesund und grüßt auch Vater von mir. In Gedanken bin ich immer wieder bei Euch.   

Dein Ernst.

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