Mein liebes gutes
Mädel! 13.10.44
Das war gestern eine Freude für mich, als ich mit einem Mal
gleich drei Briefe von Dir erhielt. Vor allem habe ich wieder lesen können, daß
Du mit der Gesundung ganz gut vorwärts kommst. Es ist vollkommen richtig, wenn
Du systematisch Dein Bein an Anstregnungen gewöhnst und es nicht mit Gewalt
versuchst, die alte Gebrauchsfähigkeit wiederherzustellen. Gib nur Obacht, daß
Du nicht nachträglich noch Schwierigkeiten damit bekommst. Gefreut hat mich
auch Deine Mitteilung, daß die Kinder so fleißig Kartoffel herausgemacht haben.
Wenn man so überschlägt, dann ist der Ertrag doch ganz ordentlich. Im
vergangenen Jahr war das doch die ganze Ernte, was Ihr bis jetzt herausgemacht
habt.. Ich schrieb Dir ja schon, daß ich nicht verwundert bin, daß sich mein
Vater nicht einmal gezeigt hat und Dir ein paar Kartoffeln heraus gemacht hat.
Er hat doch Zeit und wäre wohl auch dazu imstande gewesen. Ich weiß ja, daß Du
froh bist, daß Du ihn in dieser Beziehung nicht in Anspruch zu nehmen
brauchtest und es hätte ja schon genügt, wenn er den guten Willen gezeigt hätte. Die Kinder haben ja auch mit
den Äpfeln angefangen und nette Erfolge erzielt. Daß das nun nicht so geht, wie
bei einem Erwachsenen, ist ja ganz klar, aber man sieht doch, daß sie sich Mühe
geben. Wenn manches nun nicht so geht, wie man gern möchte, so muß man das mit
inkauf nehmen. Froh wollen wir nur sein, daß mit Dir alles noch so verlaufen
ist und daß keine Komplikationen dazugekommen sind. Die Angelegenheit zwischen Erna und Deinem Vater hat wohl
vorläufig auch ihre Erledigung gefunden. Entgegen unserer Annahme, hat sich
Lotte nun doch dazu aufgerafft und hat den entscheidenden ersten Schritt getan.
Eines steht fest, daß Dein Vater das nicht so gemeint hat und wenn man das
nicht weiter beachtet hätte, hätte kein Hahn mehr danach gekräht. Er glaubt
immer, Berechtigung zur Kritik zu haben und die anderen sollen dazu schweigen.
Das stimmt wohl, aber es ist wohl in dieser Beziehung so, daß man ihm Gewährung
geben muß. ERna trägt zweifellos auch einen Teil Schuld, denn sie kann auch
etwas nachgeben. Wenn Dein Vater immer wieder bemängelt, daß ausser ihm niemand
niemand ans Grab kommt, so finde ich das jedenfalls bezeichnend. Erna liest
doch auch diese Briefe. Wenn sie sich nur immer mit dem Kind entschuldigt, so
kann ich das für mein Teil nicht voll gelten lassen. Wenn Erna tatsächlich so
an Deiner Mutter gehangen hat, dann wird sie im Laufe des Jahres immerhin zwei
Stunden Zeit finden, um einen Gruß hinauszubringen. Entweder läßt sie das Kind
auf diesen Sprung bei anderen Leuten, oder sie nimmt sie mit hinaus, denn
soviel kann das Kind doch schon laufen. _ Wenn ich so aus Deinem Brief lese,
nun gehen wir wieder ins Bett und die Kinder freuen sich darauf, denn es gibt
zum ersten Mal wieder die Federdecke, da muß ich an unsere Verhältnisse hier
denken. Praktisch ist es doch so, daß ich meine Sachen nicht mehr vom Leibe
herunter bekommen habe. Die Schuhe und die Mütze habe ich auch immer an, wenn
es ins Bett geht. Vorhin habe ich einmal meine Schuhe und Strümpfe ausgezogen.
Man fürchtet sich vor sich selbst. Verschmutzt und verdreckt ist alles und
stinken tut man, das ist nicht mehr heilig. Aber solange man noch laufen kann,
dann geht das noch. Du schreibst dann,
daß ich das komisch finden würdem wenn ich Deine vielen Briefe an die
verschiedenen Verwandten und Bekannten so gesehen über einen Leisten sind. Das
finde ich durchaus verständlich, denn mir geht es in einzelnen Fällen genau so.
Daß Du nun gleich mit meiner ? operierst, dagegen kann ich schließlich
auch nicht weiter einwenden, da Du meinen Weg zum ? Platz so romantisch schilderst und mich so als halben Held
hinstellst, das finde ich für mich komisch, wenn ich das lese. Es mag schon
alles so stimmen, aber ich sehe die Dinge etwas anders, nüchterner. Es war doch
alles so, wie es sein mußte. Aber Ihr empfindet das vielleicht anders. Das
spielt ja letzten Endes auch keine Rolle. Zum Ende meines Briefes grüße ich
Dich und die Kinder recht herzlich. Haltet Euch gesund und bleibt stark im
Herzeh wie immerdar. Laßt Euch oftmals küssen, denn ich bin ja immer bei Euch.
So oft sich unsere Gedanken finden, so treu wollen wir zusammenhalten. In
innigem Gedenken an Euch bin ich immer
Dein Ernst.
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