Donnerstag, 19. März 2020

Brief 593 vom 8.12.1944


Meine Liebste, Du meine liebe Annie !                                                                      8.12.44.   

Mit täglicher Regelmäßigkeit, so gilt auch heute wieder Dir mein Gruß. Für uns hat wieder mit der Mittagzeit unser Tag begonnen, denn es kommt ja immer wesentlich darauf an, daß wir bei Nacht auf Posten sind. Einmal verlangt der Körper auch sein Recht, das man ihm dann in den ersten Tagesstunden geben muß.  Wenn man auch keinen Rythmus hat, so gewöhnt man sich und findet sich auch in diese Lebensgewohnheiten. Ursprünglich war ich ja vorgesehen, daß die einzelnen Kompanien einmal für eine kurze Zeit in Ruhestellung gehen sollten. Wir wären wohl die nächsten gewesen, so daß wir uns über die Weihnachtstage unseren Dienst im Graben gehabt hätten. Doch wie das beim Barras ist, man kann nicht mit etwas fest rechnen.  Schnell kommt einmal etwas dazwischen. Für uns kann ich nur das wiederholen, was ich Dir schon krüzlich schrieb. „Im flotten Trab den (?) auf und ab“Doch mit solchen Zwischenfällen muß man sich abfinden. Darüber schreibe ich Dir ein andermal mehr. _ Nun hätte ich zu Deinen Briefen noch einiges zu sagen. Du meinst. ich würde lachen, wenn Du Dich mit dem Vorbereiten Deines Gepäcks für ein evtl. Abrücken beschäftigst. Durchaus nicht. Im Gegenteil, ich machte Dich ja schon bei unserem letzten Zusammensein darauf aufmerksam, daß man mit allem rechnen muß. Was wäre denn möglich, was Du alles mitnehmen kannst. Bei dem beschränkten Gewicht kann das keine große Menge Sachen sein. Die Kinder können ja auch nicht übermäßig belastet werden, weil sie nicht viel tragen können. Man darf sich nicht vom einmaligen Anheben des Gepäcks täuschen lassen und nun glauben, das geht. Du mußt schließlich immer noch beweglich bleiben. So bedauerlich es wäre, wenn man das alles in Stich lassen muß, was man in all den Jahren zusammengetragen hat, so ist doch immer wieder die Hauptsache, Ihr seid gesund. Es ist eine verantwortungsvolle Aufgabe für Dich, zu entscheiden, wie und was Du in einem solchen Falle tust, aber ich weiß bei Dir alles in rechten Händen, was mir immerhin eine Beruhigung ist.  Daß Du mir das Bild vom Bettelgäßchen vorenthalten wolltest, rechne ich ja wohl mehr Deiner Eitelkeit zu, aber Du brauchst keine Angst zu haben, ich kann Dich deshalb noch genau so gut leiden wie vorher. Daß Du slebst so wenig Vertrauen zu Deinen Erziehungsmaßnahmen an mir hast, ist ja sehr bedauerlich, aber wie dem auch sei, wir haben uns die Jahre hindurch immer verstanden, und wir wollen hoffen, daß es auch so bleibt mit oder ohne Erziehung. Weihnachtsbäckerei ist ja immer ein Hauptspaß für die Kinder gewesen. Daß nun unsere beiden Stromer eine Ausnahme davon machen sollen, kann ich kaum glauben. Dagegen kann ich mir gut vorstellen, daß sie bei den kleinen Handreichungen, die ja sich bis zur VErteilungvon Kostproben gehen, tüchtig bei der Sache waren.
Diese Vorbereitungen auf das Fest tragen ja auch recht schöne Stunden in sich. Was kann sich da ein Kinderherz nicht alles ausmalen. In Friedenszeiten ist das ja alles anders, weil da die Möglichkeiten viel größer sind. Aber wie schnell und wie leicht läßt sich ein Kind erfreuen. _ Der Inhalt der mir übersandten Karten ist mir nicht ganz erklärlich. Was die für eine persönliche Angelegenheit meinen, kann ich mir nicht vorstellen. Aber dazu habe ich Dir ja gestern auch schon geschrieben. Der (Name ?) war es nicht, mit dem ich im Briefverkehr gestanden bin. Es war Öritz, dem ich, wie ich Dir gestern schon mitteilte, auch wieder einmal schreiben will.  Unsere Äpfel sind nicht sonderlich haltbar. es mag daran liegen, daß sie meist etwas verschorft sind. Obstschorfe ist der Anfang von Fäulnis. Wenn man den Baum regelmäßig und ordentlich spritzen könnten, dann könnte man damit schon abhelfen. Verbraucht nur die Äpfel, bevor sie ganz hingehen. So kommen sie Euch doch zugute.  Lasse Dich und die Kinder recht herzlich grüßen. Ich sende Dir wieder viele liebe Küsse und bitte Dich, diese den Kindern mit zu übermitteln. Bleibt alle Drei recht gesund und denkt auch an Euer Vaterle und an 

Deinen Ernst.

   

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