Donnerstag, 19. März 2020

Brief 584 vom 26.11.1944


Mein liebster Schatz !                                                                                                   26.11.44 

Kein Gruß kam gestern von Dir an. Dein Vater sandte mir wieder Zeitungen. Es ist ja wieder soweit, daß ich hier bei der Kompanie auffalle mit meinem großen Zeitungsverbrauch. Vor zwei Tagen erhielt ich von die die neue IZ und Dein Vater läßt mir mit gewohnter Regelmäßigkeit allerhand Zeitungen zugehen. Es ist nur schade, daß ich hier so wenig Gelegenheit habe, sie mir richtig zu Gemüte zu führen, weil mir die Zeit hinten und vor nicht langt. Ich habe hier schon manchmal gesagt, es ist schade, daß der Tag nur 24 Stunden hat. Wenn er mehr hätte, könnte man noch etwas länger unterwegs sein. Das geht ja alles noch, denn die Hauptsache ist und bleibt, daß man gesund ist. Ich  sende Dir heute einige Gedichte mit, die ich in unserer Zeitung fand. Ich glaube sicher, daß sie Deinen Beifall finden, denn ich meine, daß sie recht tief und fein empfunden sind. Den Artikel sende ich Dir aus bestimmten Gründen heute nicht mit, den lasse ich Dir später mit zugehen. Ich bin ja im allgemeinen kein großer Leser von Poesie, denn die Prosa habe ich schon immer bevorzugt. Aber ich muß sagen, daß mir diese beiden Sachen sehr gefallen haben. Du kannst mir ja einmal Deine Ansicht darüber mitteilen. Eins kannst Du aber wohl dabei feststellen, daß ich in der vergangenen Zeit noch nicht ganz und gar verbauert bin und mich auch noch für etwas anderes, als für meine jetzige Umgebung erwärmen kann. Ich bin auch bestrebt, mich von der Umgebung nicht so stark beeindrucken zu lassen, daß alles untergeht. Wenn es mit dem Waschen und der Körperpflege auch etwas mangelt, so hoffe ich, daß ich das bald überwinden werde, wenn ich wieder einmal für immer in ordentlichen Verhältnisse zurückkomme.  Heute ist nun wieder Sonntag und in einem Monat ist schon wieder bald Weihnachten vorüber. Wenn ich ehrlich sein soll, dann muß ich Dir sagen, daß ich froh wäre, wenn es erst vorbei ist, denn das gibt doch wieder ein paar Tage, die am Erinnern zehren. Doch bin ich durch manche Fährnisse hindurchgekommen, dann werde ich das wohl auch durchstehen. Es sind aber die Tage, an denen man eben weeich werden kann, und an denen man das Herz wieder in beide Hände nehmen muß. Noch ist es aber noch nicht zum VErzweifeln. Eines macht mir ernstlich Sorgen und seid Ihr, meine Lieben. Die Amerikander stehen nun am Rhein und es geht hart zu. Straßburg ist nun auch schon besetzt, das geht in einem Tempo, das einem wirklich Sorgen bereitet. Man kann von hier aus eben nichts überblicken, und Anordnungen von hier treffen hat keinen Zweck, weil man unter Umständen dann gerade etwas Verkehrtes tut. Andererseits möchte ich Dir gern Unterstützung geben und kann nicht so helfen, wie ich es gern haben will. Haltet den Kopf oben. Ich weiß ja, daß Du ihn nicht so bald verlierst und daß ich mich in jeder Beziehung auf Dich verlassen kann. _ Bleibt mir gesund und laßt Euch recht herzlich und lieb grüßen und fest küssen von Deinem immer an Euch, meine drei Trabanten, denkenden 

Ernst.

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