Mein liebster Schatz ! 26.11.44
Kein Gruß kam gestern von Dir an. Dein Vater sandte mir
wieder Zeitungen. Es ist ja wieder soweit, daß ich hier bei der Kompanie
auffalle mit meinem großen Zeitungsverbrauch. Vor zwei Tagen erhielt ich von
die die neue IZ und Dein Vater läßt mir mit gewohnter Regelmäßigkeit allerhand
Zeitungen zugehen. Es ist nur schade, daß ich hier so wenig Gelegenheit habe,
sie mir richtig zu Gemüte zu führen, weil mir die Zeit hinten und vor nicht
langt. Ich habe hier schon manchmal gesagt, es ist schade, daß der Tag nur 24
Stunden hat. Wenn er mehr hätte, könnte man noch etwas länger unterwegs sein.
Das geht ja alles noch, denn die Hauptsache ist und bleibt, daß man gesund ist.
Ich sende Dir heute einige Gedichte mit,
die ich in unserer Zeitung fand. Ich glaube sicher, daß sie Deinen Beifall
finden, denn ich meine, daß sie recht tief und fein empfunden sind. Den Artikel
sende ich Dir aus bestimmten Gründen heute nicht mit, den lasse ich Dir später
mit zugehen. Ich bin ja im allgemeinen kein großer Leser von Poesie, denn die
Prosa habe ich schon immer bevorzugt. Aber ich muß sagen, daß mir diese beiden
Sachen sehr gefallen haben. Du kannst mir ja einmal Deine Ansicht darüber
mitteilen. Eins kannst Du aber wohl dabei feststellen, daß ich in der
vergangenen Zeit noch nicht ganz und gar verbauert bin und mich auch noch für
etwas anderes, als für meine jetzige Umgebung erwärmen kann. Ich bin auch
bestrebt, mich von der Umgebung nicht so stark beeindrucken zu lassen, daß alles
untergeht. Wenn es mit dem Waschen und der Körperpflege auch etwas mangelt, so
hoffe ich, daß ich das bald überwinden werde, wenn ich wieder einmal für immer
in ordentlichen Verhältnisse zurückkomme.
Heute ist nun wieder Sonntag und in einem Monat ist schon wieder bald
Weihnachten vorüber. Wenn ich ehrlich sein soll, dann muß ich Dir sagen, daß
ich froh wäre, wenn es erst vorbei ist, denn das gibt doch wieder ein paar
Tage, die am Erinnern zehren. Doch bin ich durch manche Fährnisse
hindurchgekommen, dann werde ich das wohl auch durchstehen. Es sind aber die
Tage, an denen man eben weeich werden kann, und an denen man das Herz wieder in
beide Hände nehmen muß. Noch ist es aber noch nicht zum VErzweifeln. Eines
macht mir ernstlich Sorgen und seid Ihr, meine Lieben. Die Amerikander stehen
nun am Rhein und es geht hart zu. Straßburg ist nun auch schon besetzt, das
geht in einem Tempo, das einem wirklich Sorgen bereitet. Man kann von hier aus
eben nichts überblicken, und Anordnungen von hier treffen hat keinen Zweck,
weil man unter Umständen dann gerade etwas Verkehrtes tut. Andererseits möchte
ich Dir gern Unterstützung geben und kann nicht so helfen, wie ich es gern
haben will. Haltet den Kopf oben. Ich weiß ja, daß Du ihn nicht so bald
verlierst und daß ich mich in jeder Beziehung auf Dich verlassen kann. _ Bleibt
mir gesund und laßt Euch recht herzlich und lieb grüßen und fest küssen von
Deinem immer an Euch, meine drei Trabanten, denkenden
Ernst.
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