Donnerstag, 19. März 2020

Brief 592 vom 7.12.1944


Mein liebster Schatz, gutes Mädel !                                                                              7.12.44  

Gestern habe ich Dir einmal einen Brief geschrieben, der aus dem sonst gewohnten Rahmen herausfällt. Es ist ja im allgemeinen nicht unsere Art, über solche Dinge zu schreiben, weil wir in dieser Beziehung doch etwas verschlossener sind als andere Menschen. Ich habe es aber einmal getan, weil es schließlich doch einmal notwendig ist, wenn man dies einmal klarlegt.  Nach langem Warten hat man mit mir doch wieder ein Einsehen gehabt, und mir einen richtigen Arm voll Post zukommen lassen. Von Dir gleich vier Briefe, Nr. 104/107. Da habe ich schon eine Weile zu lesen gehabt. Über vieles habe ich mich freuen klönnen, doch manches hat mir Gedanken gemacht. Ich schrieb Dir ja schon neulich, daß mir die Entwicklung der Kampfhandlungen in unserer Ecke einige Kopfschmerzen bereitet. Während meines letzten Urlaubs hatten wir uns ja schon besprochen und uns mit dem Gedanken einer Räumung vertraut gemacht. Wenn nun die Möglichkeit einer solchen Entwicklung näherrückt, dann wir es einem doch nicht so einerlei. Alles müßtest Du doch zurücklassen, denn bei den geringen Möglichkeiten, die mit 30 Pfund gegeben sind, bleibt ja so gut wie alles daheim.  Ich sinne schon auf einen Ausweg, wie man einen Teil vorher sicherstellen könnte.  Vielleicht könnte man eine Kiste irgendwo hinschicken. Vorher allerdings entsprechend versichern. Wenn Du Dich einmal deshalb erkundigen könntest. Vielleicht an Dora, Deinen Vater oder an Nannie. Welchen Weg man dann wählt, darüber müßte man sich dann bald entschließen. Deinem VAter habe ich heute auch geschrieben. Ich habe ihm gegenüber eine Andeutung der Lage gemacht. Ich will einmal sehen, wie er sich dazu äußert.  Besser wäre es auf jeden Fall, wenn eine solche starke Bedrohung nicht erst eintreten würde. Gestern habe ich noch an Nannie zum Geburtstag geschrieben. Doch nun haben sich wieder verschiedene andere Briefe eingestellt, die mich zum Schreibschuldner gemacht haben. Nannie und mein früherer Kamerad Finnesen haben mir geschrieben. Auch von Dir bekam ich noch eine Zeitungssendung mit dem beigeklebten Spiegel. Für beides herzlichen und leiben Dank. Die einem Deiner beigefügten Karte der Dienst stellen 32500 hat mich verwundert. Ich kann mir nicht erklären, was die noch von mir wollen. Die Karte ist zwar durchgeschlagen, was darauf schließen läßt, daß der gleiche Inhalt noch an andere Personen geschrieben worden ist. Ich werde in diesen Tagen einmal an den Kameraden Öritz schreiben.  Den ganzen Inhalt Deiner Briefe kann ich Dir heute nicht beantworten. Ich werde das so nach und nach tun. Heute schicke ich Dir durch Einschreiben mein EK zu, damit ich es nicht immer in der Tasche mit mir herumtragen muß. Die Urkunden sind ja wohl inzwischen in Deinen Besitz gelangt.  Wenn ich so Deinen Speisezettel lese, so muß ich sagen, daß ich mich gern wieder einmal an Deinen Tisch setzen würde. Ich sehe, daß Ihr immer noch auf Abwechlsung haltet. Wenn du mir ab und zu davon schreibst, dann ist mir das immerhin eine gewisse Beruhigung. So vielgestaltig geht es bei uns ja nicht zu, doch bin ich immer noch satt geworden, und das ist wohl recht wesentlich. Daß die Schule für unseren Jungen schon wieder aus ist, ist ja wenig erfreulich, denn diese ewigen Unterbrechungen machen sich ja auch einmal bemerkbar. Da muß er aber jeden Tag mindestens eine Stund sich über seine Bücher setzen. Davon kannst Du mir auch einmal schreiben. Lasse Dich und die Kinder recht herzlich grüßen und oftmals küssen von 

Deinem Ernst.

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