Mein liebes gutes
Mädel ! 11.1.45
Da braucht man sich nicht wundern, wenn man hin und wieder
lange auf Post warten muß, wenn ab und zu ein Schreiben irgendwo hängen bleibt.
Gestern trudelte Dein wirklich lieber Brief vom 9.12. auch schon ein. Der muß
sich wahrscheinlich unterwegs ausgeruht haben, Aber an Inhalt hat er ja trotz
des langen Ausbleibens nicht verloren. Man merkt aus Deinen Zeilen, daß Du
wieder einmal frisch und munter gewesen bist, daß Du wieder einmal Laune gehabt
hast. Man ist ja nicht an jedem Tag gleich gut aufgelegt, das weiß ich ja auch
von mir selbst. Wenn ich nicht gerade sagen könnte, daß ich mich bisher zu
einem Brief quälen müßte, den ich an Dich schreiben wollte, so gibt es doch hin
und wieder Stunden, da hat man das Bedürfnis, wie immer zu schreiben und es
kommt und kommt nicht das zustande, was man eigentlich vor hat. Ich kann mir
vorstellen, daß die zwei Wochen Wartezeit schon eine gewisse Nervenanspannung
bedeuten, und daß dann eine Lösung dieser Spannung eintritt, wenn man gleich
mit mehreren Schreiben bedacht wird. Wenn zwar die Kinder schon darunter leiden
müssen, wenn so ein Masseneintreffen von Briefen eintritt, dann müßte man schon
etwas dagegen tun. Nicht genug, daß Du Helga kitzelst, so hattest Du noch die
verwerfliche Absicht, die gleiche Prozedur auch an mir auszuüben. Habe ich ein
Glück gehabt, daß ich noch hier draußen bin. Nicht nur, daß Du mich kitzeln
wolltest, Du hattest auch noch vor, mich zu piesaken und an den Haaren zu
ziehen. Das ist doch die Höhe. Wichtig ist ja, daß sich alles wieder gegeben
hat und ich nehme an, daß Euer Leben auch wieder in geordnete Bahnen gekommen
ist. Du fragst, ob wir uns früher mit Schätzlein oder ähnlichem angeredet
hätten. Ich weiß es zwar auch nicht genau, es ist mir zwar auch jetzt nicht
ganz klar, was die Veranlassung war, daß ich etwas derartiges geäußert habe.
Wenn Du von Dir sagen kannst, daß Du noch nicht so abgeklärt wärst, wie ich es
behauptet habe, dann ist ja auch alles in Ordnung. Von mir wolltest Du nun
wahrscheinlich auch eine entsprechende Erklärung haben, denn Deine Zeilen
zielen darauf hin. Ich habe manchmal das Gefühl, daß ich noch der gleiche
Dummkopf sei, der ich früher auch war. Ich meine, ich würde die gleiche
Dummheit nochmals machen und Dich wieder heiraten. Ich habe ja bis jetzt keine
schlechten Erfahrungen gemacht. Zwar bin ich wohl bald die Hälfte unserer
Ehejahre nicht daheim und kann damit sagen, daß ich ganz gut mit Dir
zurechtkomme und wirtschaften kann, aber ich glaube, daß die Jahre vorher, die
wir zusammen gemeinsam verlebt haben, auch nicht die schlechtesten waren. Das
ist doch wieder ein tolles Kompliment. Du wirst sagen, das sieht dir ganz und
gar ähnlich. Aber daran kannst Du vielleicht auch erkennen, daß ich mich in den
vergangenen Jahren nicht sonderlich geändert habe. Meinst du, ich sei abgeklärt
und kühler geworden? Das nicht, aber der gleiche Flegel oder Lümmel bist Du
auch noch, wirst du sagen. Gut, dann nehme ich das eben hin und gehe reumütig
in mich. Wenn Du mir nach 13jähriger Ehe Liebeserklärungen machst, wie Du
schreibst, so wird das doch höchste Zeit, denn früher hattest Du das doch ganz
vergessen. Aber es fehlt noch etwas Schmalz (Schmelz?). Wenn ich so manchmal
die Briefe von den jungen Kameraden sehe, die an ihre Freundinnen und Bräute schreiben, da können einem die Augen
übergehen. An Überschriften konnte ich ohne weiteres etwas lernen. Aber in
dieser Beziehung waren wir schon von früher Jugend auf prosaisch, wie Du früher
immer sagtest. Wenn Du mir mitteilst,
daß ich hier mit Kameraden im Bunker sitze und Du wegen der Einquartierung
maulen würdest, so hat das nicht ganz seine Richtigkeit. Ich will wissen, daß
meine Wohnstatt, meine Heimat für mich offen steht, wenn ich einmal nach hause
kommen darf. Ich möchte mir nicht Gedanken machen müssen, daß in der an sich
schon kleinen Wohnung noch jemand haust, und den ich erst fragen müßte, ob ich
kommen darf. Es ist genug, daß wir hier draußen unter solchen Verhältnissen
leben müssen. Das läßt sich hier nicht anders einrichten. Daheim geht das aber.
Die Not der Ausquartierten ist bestimmt groß, aber zur Linderung dieser Not muß
eben die Aufsichtsbehörde da eingreifen, wo es möglich ist und nicht dort, wo
die Menschen schon aufeinander sitzen. Ich denke, daß wir in dieser Geschichte
nun vollkommen klar sehen. Daß meine
SA-Hose für unseren Jungen noch so gute Zwecke erfüllt ist ja in Ordnung. So
fressen höchstens die Motten das Ding auf und für ihn haben sie noch Zweck. Ich
werde schon wieder etwas finden, wenn ich sie noch einmal brauchen sollte. Die
nächsten 14 Tage kommt das ja noch nicht infrage. Daß Du mir für die Zur
Verfügungsstellung dankst, ist nicht weiter notwendig. Besser wäre es schon,
wenn das unser Herr Sohn tun würde. Ich weiß zwar, daß er zu sehr mit Spielen
und Basteln beschäftigt ist, da hat er weniger Zeit für einen alten Vater. Gestern bekam ich noch von Nannie einen
Brief. Sie schreibt wieder ganz vernünftig.
Ich werde ihr bald diesen Brief beantworten. Dann lasse ich Dir ihre
Zeilen wieder mit zugehen. _ Ich schrieb Dir wohl schon gestern von unserem Bunker,
wie riesig da alles ist. Ich habe dabei so an das Buch „Jürn Jakob Swehn...“
denken müssen. Das wäre sogar für dieses Ehepaar ein Kunststück gewesen, mit
Kreide Zeichen der einzelnen Zimmer abzuteilen. Vor allem bei einer solchen
Besatzung. Die hatten wenigstens noch den Vorteil, daß sie keine Ratten hatten.
Mit diesen Biestern kann man auch nicht so umgehen wie man will, denn die sind
imstande und streichen die Kreise weg.
Ich selbst unterhalte mich am meisten, wenn die Kameraden wie wild tun.
Erstens werden die tollsten Märchen erzählt und jedem sieht man dabei an, wie
er sich ekelt. Ich könnte ja auch nicht behaupten, daß ich meine Freude an
diesen Viechern hätte, aber ich habe dabei doch meine Ruhe und bin trotz allem
imstande, mich noch über die anderen zu amüsieren. Weniger schön ist dagegen
die Läuseplage. Aber ich habe mir schon ein Mittel besorgen lassen, das dem
abhelfen soll. Hoffentlich wird es dann wieder einmal anders. Wenn Du wieder
Deinen Spaß an meinem Klagelied haben solltest, dann schicke ich Dir einmal
eine ausgequetschte mit, damit Du diese Viecher auch einmal kennen lernst. Was
sagst Du nun zu dieser Drohung? Die
Gegend ist wieder einmal voller eisenhaltiger Luft. In der Nachbarschaft
wummert es wieder einmal ganz gewaltig. Da darf man nicht neugierig sein und
die Nase muß man wegnehmen. Jetzt habe
ich Dir wieder allerhand vorgeklönt und Kohl steht auch allerhand auf diesem so
geduldigen Papier. So hast Du es nun bis hierher geschafft. Nun ist es sowieso
Schluß. Lasse Dich darum mit den Kindern recht herzlich grüßen und vielmals
küssen. Ich bin in alter Frische immer Euer Vaterle und
Dein Ernst.
Schicke doch bitte wieder einmal einige
Feldpostbriefe. Es wird knapp.
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