Donnerstag, 19. März 2020

Brief 568 vom 2.11.1944


Du mein liebster Schatz!                                                                                           2.11.44   

Gestern war mein Schreiben etwas kurz geworden, weil ich , wie ich schon schrieb, ziemlich in Anspruch genommen war. Heute muß ich mich aber für verschiedene liebe Briefe von Dir bedanken, die mich wieder mächtig gefreut haben.  Ich war gestern in einer üblen Stimmung, die dann etwas besänftigt wurde, als ich sie gelesen hatte. Es sind Deine Briefe 75 bis 79, deren Eingang ich Dir heute bestens dankend bestätigen kann. Verschiedene Dinge haben mich interessiert und manche haben mich wieder gefreut. _ Daß Du mit Vater nicht über politische Dinge zu sprechen kommen kannst, ist ja schon eine bekannte Angelegenheit. Es stimmt wohl, daß Du Dich gleich ereiferst, aber wenn ich an die Zeiten meiner Kindheit zurückdenke, dann kann ich mich erinner, daß zwischen meinem Vater und Nannie auch immer große Meinungsverschiedenheiten bestanden, wenn sie sich über Politik unterhielten. Das liegt wohl auch daran, daß Vater die Angewohnheit hat, zu  ?   und dies in einer Art und Weise zu bringen, die manchmal direkt zum Widerspruch reizt. Wenn er nun behauptet, daß er mit mir über solche Dinge ub Ruhe hat reden können, so liegt das wohl auch mit daran, daß er mir in einer anderen Weise begegnet. Ob Vater den Überblick hat oder einen größeren Überblick hat als Du oder wir Beide, ist ja schließlich eine Streitfrage. Es ist schon so, daß es auf die innere Einstellung anklommt! Und auf das Herz. Den Verstand muß man wohl haben und wieder ausschalten und den Glauben an unsere Sache sollte man mehr in den Vordergrund stellen. Wenn ich nochmals auf Nannie zu sprechen komme, dann auch deshalb, weil sie in ihrem Brief ein ähnliches Thema anschneidet, das ich schon kürzlich streifte. Sie legt doch immerhin eine Haltung zutage, die sich von der meines Vaters wesentlich unterscheidet. Vor allem, wenn man bedenkt, daß sich mein Onkel mit seinen 69 Jahren noch zum Volkssturm meldet, obwohl er ja auch nicht dazu verpflichtet wäre. Genau so ist es ja mit unserem Jörg, der auch keine Arbeit zu leisten brauchte und sich ebenfalls freiwillig gemeldet hat. Wie gesagt, es kommt in dieser Zeit auf das Herz an. Aber eines bitte ich Dich, Du kommst wegen diesen Dingen mit Vater doch ins Gehege. Ich bitte Dich aber, lasse Dich nur nicht von ihm aufregen, denn Du änderst an ihm doch nichts mehr. _ In unserer Anscith über Erna sind wir uns ja auch einig. Eines hat sie ja wohl nachgeholt, denn ich glaube richtig zu erinnern, daß von einem Besuch auf dem Friedhof die Rede war. Das ist ja an sich schon eine gewisse Pflicht, wenn man es aus einem inneren Bedürfnis nicht schon macht. Dasselbe gilt ja für Aklice, die sich auch nicht darum kümmert. _ Daß die Sache mit unserem Jörg eine solche Regelung gefunden hat, ist recht erfreulich. Es ist eben etwas wert, wenn man selbst dazu stehen kann. Über seinen Verdienst wird er ja ziemlich stolz gewesen sein. Denn das ist doch ganz beachtlich, was er als ersten Lohn erhalten hat. Wenn ich bedenke, was ich als Lehrling im ersten Jahr monatlich bekommen habe. Ich glaube, zuerst erhielt ich 25, dann 35,RM. Dafür habe ich aber den ganzen Tag arbeiten müssen. Da sieht man erst einmal, wie sich die Zeiten schon wieder geändert haben und der Wert des Geldes hat sich auch vermindert. Wie hast Du es dann mit unserer Helga gemacht? Hast Du ihr auch schon was gegeben? Sie wird doch wohl auch darauf spannen. Ich habe Dir gestern von meinem Wehrsold auch wieder 50,RM zugehen lassen. Wie ich darüber verfüge, weiß ich noch nicht. Lasse es erst einmal ankommen, ich werde Dir dann wieder Bescheid zugehen lassen. Daß unser Jörg für einen solchen Blumenschmuck sorgt ist ja recht schön. Ich glaube Dir aber schon, daß das mit der Zeit beängstigend wirkt, _ Schön ist es ja, daß Du den Film hast abgeben können, um Abzüge machen zu lassen. Du kannst sie mir ja zur Ansicht zusenden, Du bekommst sie dann von mir wieder zurückgesandt. Du schriebst ja schon, daß sie ganz ordentlich geworden sind.  Für die übermittelten Grüße von Elsa und Gerhard danke ich Dir. Gerhard ist also in Leipzig. Ihm wird es auch schwer fallen, wenn er wieder heraus muß. Aber er wird sich daran gewöhnen müssen, wie es die anderen ebenfalls.  Unsere Helga macht sich also mit Näharbeiten für ihre Puppe zu schaffen. Man könnte fast sagen, daß sie Dir nachschlägt. Wie stellt sie sich denn dabei an? Herzliche grüße ich Dich und die Kinder.  Jedem von Euch gebe ich einen lieben und festen Kuß. Ich bin in Gedanken immer bei Euch und wie sonst immer   

Dein Ernst.

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