Mein liebster Schatz
! 26.12.44 am zweiten
Weihnachtstag
Drei liebe Briefe
waren es, die ich gestern von Dir erhielt. Ich habe mir besonders vorgenommen.
Unter dem Baum standen noch die Bilder der Familie wie jetzt auch. Die zwei
gesandten Kerzen brennen jetzt wieder und nun möchte ich, mit diesem Brief an
Dich, die Feiertage ausklingen lassen. Über vieles habe ich mich freuen können,
manche Nachricht war mir eine Beruhigung. Doch einiges hat mir Gedanken
gemacht. Aber ich werde eins nach dem anderen, der Dringlichkeit nach
beantworten. Kurz will ich aber noch auf unsere Weihnachtszuteilungen eingehen,
die wir hier erhalten haben. Von der Stolle, dem Gebäck und der Wurst hatte ich
wohl schon geschrieben. Etwas Schokolade hatte es auch schon gegeben. Doch zum
Heiligabend bekam jeder von uns ein Stück Streuselkuchen im Ausmaß von 25 X 30
cm, vier Mann eine Torte, einige Mann gar eine Flasche Cognac. Außerdem gab es
reichlich Rauchwaren. Dies alles ausser der üblichen Verpflegung. Ich habe fast
mit dem zu schaffen gehabt. Einige Kameraden hatten das alles in der Nacht
gegessen. Am gestrigen Morgen bekamen vier Mann ein Kochgeschirr voll Pudding.
Das hat alles mächtig hingehauen. Ich habe wirklich eine Feiertagsstimmung im
Magen gehabt. Dies liegt nun hinter uns. Bis jetzt sind wir von vermuteten
Ereignissen verschont geblieben. Wir hoffen auch, daß keine Änderung eintreten
wird. Der Werktag geht nun wieder los. Bei uns unterscheidet dies sich wohl im
großen und ganzen dadurch, daß wir etwas anderes zu essen bekommen. Der Dienst
geht in der gewohnten Form weiter. _ Aus Deinen lieben Zeilen muß ich leider
feststellen, daß Du vor einiger Zeit viel Ärger und Sorgen gehabt hast. Ich
konnte Dir wohl schon meine Ansicht über die Frage kurz erwähnen. Nun, nachdem diese SAche mehr Staub
aufgewirbelt hat, wird es wohl nötig sein, daß ich mich mit den Stellen von
hier aus in Benehmen setze, die dafür verantwortlich zeichnen. Bei voller
Würdigung der Sachlage und unter Berücksichtigung der schwierigen Verhältnisse komme
ich zu folgender Auffassung. Die Wohnfläche für eine dreiköpfige FAmilie, denn
ich bin ja jetzt nicht daheim, ist auf keinen Fall zu groß, wenn man unsere
Kleinstwohnung betrachtet. Wenn man auch einmal damit rechnen muß, daß ich in
Urlaub komme, so kann ich als Frontkämpfer, der nun schon seit Monaten seinen
Kopf in vorderster Linie für die große Sache hinhalte, verlangen, daß mein
Platz und der mir zustehende Wohnraum nicht noch von fremden Leuten weggenommen
wird. Ich sehe nicht ein, daß ausgerechnet ich als Frontsoldat zugun sten der
Leute auf meinen Wohnraum verzichten soll, die jahraus jahrein sich daheim
herum drücken und nun eine schutzlose Frau, statt daß sie ihr die gebührende
Hilfe zukommen lassen, anbrüllen und ihr noch Grobheiten machen. Ich werde
jedenfalls Mittel und Wege finden, die einer solchen Ungerechtigkeit steuern.
Ganz abgesehen von meinem Recht auf meine Wohnung, muß man noch
berücksichtigen, daß die Anordnung der Wohnung einen Dauerzustand niemals
zulassen. Wenn Not am Mann ist, dann ist es ohne weiteres vertretbar, wenn man
einmal auf einige Tage einen hilflosen Menschen aufnimmt, aber als Dauerzustand
kommt eine derartige Regelung auf keinen Fall infrage. Wenn es vorerst keinen
anderen Ausweg gibt, daß Du für das erste ein Kind aufnehmen mußt, dann mußt Du
auf alle Fälle Deine Nähstunden aufgeben, denn ich kann es nicht dulden, daß
fremde Menschen in unserer Wohnung leben und Du bist während dieser Zeit nicht
daheim. Ich möchte da von Anfang an gleich klare Linien haben und bitte Dich,
daß Du entsprechend meiner Anweisungen handelst. Ich kenne hier nur eins und
das ist der Zusammenhalt unsere Familie. Solange nicht die Notwendigkeit
geboten ist, daß Du unsere Wohnung verlassen mußt, muß es bei dieser Anordnung
bleiben. Käme es einmal anders, dann könnte man nichts machen, wenn andere
Leute in unserer Wohnung sich aufhalten, aber im Augenblick muß es bei dieser
Meinungsauffassung bleiben. Auf jeden Fall läßt Du Dich nicht ins Boxhorn
jagen, denn wir können zumindest verlangen, daß auch wir zumindest standesgemäß
untergebracht sind, wie es uns zukommt, denn ich nehme an, daß gerade die Leute
mit ihren großen Wohnungen nicht volle Belegung erhalten, derweil man ihnen
entsprechend ihrem Wohnbedarf nur Belegungen zuläßt. Wenn Du irgendwelche
weiteren Schwierigkeiten hast, dann teile sie mir mit und ich werde mich dann
von hier aus entsprechend dahinterklemmen. Laß Dich nur nicht unterkriegen und
handle bitte nach meinen Anweisungen. Wenn Du auch einmal Deinem Herzen Luft
machen mußt, so tue das nur ohne weiteres, wenn auch einmal etwas mehr darin
steht. Man muß sich damit abfinden, daß sowas an die Front geschrieben wird,
wenn solche Maßnahmen in der Heimat getroffen werden. Ich hoffe, daß Du nun
klar siehst und daß Du nun weißt, wie Du handeln sollst, sofern noch
irgendwelche Unklarheiten bestehen. Lasse dich für heute recht herzlich grüßen
und vielmals küssen. In Gedanken bin
ich immer bei Dir und den Kindern. Ich bin und bleibe immer
Dein Ernst.
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