Meine
liebste Annie ! 27.1.43
Gestern
mußte ich Dir leider mitteilen, daß ich Deine beiden Briefe vom 20. und 21. in
allen ihren Teilen beantworten kann und heute erhielt ich wohl zu meiner Freude, andererseits wieder
zu meinem Leidwesen, weil ich ihn nicht gleich beantworten kann einen weiteren Brief vom 16., der mich
wieder sehr erfreut hat. Ich komme erst
wieder sehr spät zum Schreiben, denn wir hatten heute wiederholt Fliegeralarm.
Wir mußten uns in den Keller begeben. Dieser Alarm hast sich ziemlich lang
ausgedehnt, aber was nutzt es. Man kann ja nicht wegspringen. Ich komme nun
erst kurz vor 11 Uhr zum Schreiben, zudem ist es kalt in meiner Bude, denn
draußen haben wir etwa 30 Grad Kälte, was sich im Zimmer auch fühlbar bemerkbar
macht. Aber was sich die kleinen Unannehmlichkeiten gegen das, was die anderen
braven Kameraden draußen an Entbehrungen und an Not leiden müssen. Ich denke
mit tiefer Kümmernis an die tapferen Helden, die nun ihr Letztes hergeben
müssen, weil ihnen nur noch dieser Weg bleibt . Anmerkung: gemeint ist der Endkampf in Stalingrad Das ist eine heroische Leistung, die
ihresgleichen sucht. Trotz allem ist der Winter noch nicht vorüber. Sobald aber
die Sonne über Tag scheint, merkt man doch schon, daß wir ein Stück von der
Sonnwende weg sind., denn trotz der Kälte, die draußen herrscht, merkt man
schon die wärmenden Strahlen. Von
Deinem Schürzenkauf habe ich Kenntnis genommen und ich weiß nun, daß Du einen
Teil des Weihnachtsgeldes dazu verwendet hast. So hast Du doch etwas Nützliches
gekauft, was Du wieder wirst gut gebrauchen können. Der Mann, dem ich mein Päckchen mitgab, hat nicht alle
beieinander, denn dem fehlen ein paar. Ich war aber froh, als ich von Dir las,
daß Du dieses Päckchen erhalten hast. Ich hatte an sich Bedenken, aber man muß
es probieren, denn eine solche Gelegenheit bietet sich nicht immer, daß man
einen solchen Schwung wegbringt. Es ist ja nun trotz der Schwernisse, die Dir
durch die Lauferei gemacht wurden, ordentlich angekommen. Bei diesen Glassachen
ist das immer ein Risiko. Er hat ja ganz schön angegeben, wie ich aus Deinem
Brief sehe. Daß die Flasche mit dem Hautöl auch noch ganz gut war, hat mich
gewundert, denn es war eine ziemliche Spannung in der Kiste. Heute habe ich also wieder ein Päckchen und
zwar Nummer 13, abgesandt. Morgen geht wieder eines ab und übermorgen folgt
nr. 15. Sie enthält Öl, Cognac und
Kirschwasser. Wenn alles gut ankommt, dann kannst Du Dir ja den Kirschlikör
aufmachen und nach und nach zu Gemüte führen, denn er ist süß und das wäre
sicher etwas nach Deinem Geschmack. Ich habe die Sachen verpackt und an Dich
abgesandt, weil ich mich damit bei einem Umzug nicht herumschleppen will. Die
Frage des Umzugs ist noch nicht geklärt. Ich nehme aber an, daß es sich nur
noch um einige Tage handeln kann. Über den Erfolg unseres Jungen habe ich mich
sehr gefreut. Das hast Du ja wohl auch aus meinem Handschreiben an ihn gelesen,
denn ich wollte ihn doch nicht länger auf die von ihm verdiente Prämie warten
lassen. Über so etwas kann man sich sehr freuen. Ich kann mir auch Deine Freude vorstellen, als er so
unaufgefordert und von sich aus es versucht hat und als es dann klappte. Für unsere beiden ist das doch ein ganz
schöner Erfolg der Arbeit im Winter. Die Freude unseres Jungen und seinen Stolz
dazu kann ich mir gut ausmalen. Wenn er nun ungehindert herumschwimmen kann und
sich nicht mehr in dem kleinen Rahmen halten muß wie bisher, wird er selbst
seinen Spaß dran haben. Er soll sic h dies, wie ich ihm schon gestern
mitteilte, zur Lehre halten lassen, daß man viel mehr durch eigenen Willen
erreichen kann als durch die Unterstützung der anderen. Ich möchte jetzt schließen, denn ich habe
heute wieder ziemlich viel Schlaf nötig. Sei Du, mein liebster Schatz, vielmals
gegrüßt und herzlich geküsst von Deinem Ernst. Wegen der Zwischensteckers
werde ich an Thomas schreiben, sobald ich von ihm wieder Antwort erhalte. Bis
dahin wirst Du Dich noch gedulden müssen.
Mein
liebstes Mädel ! 28.1.43
Erst muß ich mich wieder über den Posteingang auslassen, ehe
ich auf Deine Zeilen von den vorhergehenden Tagen eingehe. Also heute war
allgemein wenig Post, so daß nach dem reichlichen Bedenken der vergangenen Tage
für mich nicht mit dabei sein konnte. Ich kann ja auch nichts sagen, denn das
einem jeden Tag mehrere Briefe gebracht werden, das kann man nicht gut
verlangen. Ich bin ja bis jetzt auch immer noch zufrieden wenn es so geht wie
bisher. Wie ich sehe, hast Du, nachdem
Du anscheinend nichts mehr umzuräumen hattest, angefangen zu basteln. Du bist
ja immer auf der Suche nach Platz für Deine Sachen. Durch die Abänderung in
Deinem Küchenschrank hast Du ja nochmals welchen geschaffen. Ich freue mich,
daß Du Dir in diesen Fällen immer selbst helfen kannst und mehr oder weniger
auf fremde Kräfte nicht angewiesen bist. Ich sehe, daß es Dir nicht nur Arbeit
sondern auch Freude gemacht hat, daß Dir diese Änderung so gelungen ist. Ich
sehe es schon kommen, ich brauche mich solcher Änderungen daheim später nicht
mehr annehmen, denn das kannst Du entschieden besser wie ich. Ich strecke meine
Waffen. Dir aber meinen herzlichen Glückwunsch für das Gelingen. Ich hatte nochmals auf Deine Anregung hin
ein paar Puppen bestellt, aber die sind bis jetzt noch nicht geliefert worden.
Wenn und ob sie überhaupt kommen, das kann ich noch nicht sagen. Sie haben
nochmals 20% aufgeschlagen. Aber Geld spielt hier bei uns keine große Rolle,
denn man bekommt ja nichts dafür, so daß man nichts weiter ausgibt als das, was
man gerade in der Kantine zu kaufen bekommt. Das ist an sich auch nicht viel,
aber man gibt sich damit zufrieden.
Wenn Du einmal unter einem Brief die Unterschrift vergessen hast, so ist
das noch lange kein Verbrechen, das ist mir auch schon ab und zu so gegangen.
Das kann in der Hitze des Gefechts passieren. Ich kann das darum auch sehr gut
entschuldigen, weil ich weiß, wie schnell das vorkommen kann, vor allem, wenn
man zu tun hat. Die paar Punkte sind schnell verbraucht, vor allem wenn man
längere Zeit keine neuen Sachen beschafft hat. An Deiner kurzen
Zusammenstellung kann man erst ermessen, wie schnell die alle werden, wenn man
großen Bedarf hat. Darum bin ich, wie schon öfter erwähnt, sehr froh, daß ich
noch die verschiedenen Käufe getätigt hatte, denn das hat sich schon fühlbar
bemerkbar gemacht. Du weißt nicht, was man für ein Bedürfnis hat, für Euch
etwas zu beschaffen, weil man sich im klaren darüber ist, wie alles jetzt
streng gehandhabt wird. Daß Schiebungen daheim gemacht werden und nicht zu knapp,
das geht schon aus den täglichen Zeitungsnotizen hervor. Aber uns fehlen die
notwendigen Verbindungen dazu und dann sind wir auch nicht die Menschen, die
das so ohne weiteres fertig brächten.
Die Laubsänge existiert also noch, das beruhigt mich und anscheinend
auch Dich. Jörg weiß ja wohl noch nicht, welches Glück ihm bevorsteht. Du hast
mir ja versichert, daß Ihr beide Euch einig werdet, das gibt mir eine gewisse
Beruhigung. Die Übersendung des Geldes
an Deinen Vater zum Kauf von etwas Tannenschmuck für die Gräber stimme ich
vollkommen zu. Wir brauchen uns nichts von ihm schenken lassen und er wird es
auch nicht ablehnen, wenn er das Geld in Besitz hat. Wie ich aus der Zeitung ersehen mußte, sind die Engländer wieder
über die Schweiz nach Süddeutschland eingeflogen. Ich hoffe, daß auch nichts
passiert ist. Mit der Verwendung der
Bonbons und der Schokolade bin ich ganz und gar einverstanden. Ich freue mich,
daß Dir diese Sachen zugesagt haben. Die Kinder sind ja gegen Süßigkeiten auch
nicht abgeneigt, da es sich bei der Schokolade um Milchschokolade handelt,
werden sie doppelt zufrieden gewesen sein. Mit Umschlägen und Briefpapier bist
Du wohl für eine Weile eingedeckt. Eine Sendung mit etwas Papier schicke ich in
diesen Tagen nochmals weg, dann hört es einmal für eine Weile auf. Daß ich den
Taschenkalender von Deinem Vater nicht bekommen habe, teilte ich Dir schon
kürzlich mit. Ich bin ja soweit damit versorgt, soll der, der ihn gefunden hat
damit selig werden. Schuld daran hat aber Dein Vater insoweit, als er ihn für
die lange Reise mangelhaft verpackte. Das ist aber kein Grund, sich deshalb
graue Haare wachsen zu lassen.
Herzliche Grüße und recht viele Küsse sendet Dir und den Kindern Dein
Ernst.
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