Mein
lieber Schatz ! 20.12.42
Die
beiden vorhergehenden Tage habe ich nicht schreiben können, denn ich muß Dir
mitteilen, daß ich durch den Arzt wegen der ukrainischen Krankheit ins Revier
gewiesen worden bin. Die Arbeitskameraden auf dem Büro hatten Angst, daß ich
Grippe hätte, und daß ich sie anstecken würde. Es ist aber der Durchmarsch
gewesen und es ist jetzt soweit, daß ich morgen oder übermorgen entlassen
werde. Ich bin hier mit noch vier Kameraden untergebracht, die verhältnismäßig
jünger sind als ich. Aber ich komme ganz gut mit ihnen aus. Es geht uns schon
wesentlich besser. Wir haben gestern Abend „Mexiko“ gespielt, weil wir vor
Langeweile nicht wussten, was wir machen sollten. Ich hatte aber auch keine
Lust und keine Stimmung zum Briefeschreiben. Ich möchte aber nicht, daß Du
allzu lange ohne Post bist. Es ist mir noch nicht ums Briefeschreiben; vor
allem läßt es sich im Bett so schlecht schreiben. Vor allem danke ich Dir für Deine beiden Briefe vom 7. und 8.,
die ich im Bett erhielt. Sie haben mich aufgemuntert, Ich habe mich dann auch
über Helgas Fleiß freuen können, die sich bemüht, jeden Tag mit an mich zu
schreiben. Das ist sehr lieb von ihr. Eines muß ich aber immer noch mit
Bedauern feststellen, daß mein Nikolausbrief noch nicht angekommen ist. Viele
Briefe, die ich später geschrieben hatte, hast du in der Zwischenzeit erhalten
und ausgerechnet den, auf den ich noch soviel Mühe verwendet habe, der auch
nach meiner Berechnung, die ich mit Hilfe der anderen Briefe angestellt habe,
rechtzeitig angekommen wäre. Es ist nun einmal so und das läßt sich nun nicht
mehr ändern. Ich hatte die Absicht, Deine gesandten Päckchen vor dem
Weihnachtsfest nicht anzurühren. Gestern bekam ich aber einen solchen Appetit,
daß ich mir ein Päckchen holen ließ. Das Glück war mir dabei günstig, ich bekam
das Päckchen Nr. 1, das ich doch nach Deiner Anweisung aufmachen durfte. Ich
habe mir die Kopfschützer angesehen und ich muß anerkennen, daß Du Dir sehr
viel Mühe damit gemacht hast. Jetzt bin ich den größten Kältegraden gewachsen,
da kann einem schon nichts mehr passieren. Wenn es so weitergeht mit der
Witterung wie bis jetzt, so hätten wir nicht mehr viel zu erwarten. Dieser
Hoffnung kann man sich aber nicht hingeben, denn das Wetter ist so wechselhaft,
und ich muß sagen, daß dies auch die Schuld ist, daß es mich hier umgeworfen
hat. Betonen muß ich aber nochmals, daß es nichts Ernsthaftes ist und Du Dir
deshalb keine Gedanken machen brauchst. In der vergangenen Woche hattet Ihr
aber ein großes Programm, das muß man schon sagen. Es ist schon gut, wenn Ihr
Euch Eure Zähne beizeiten zurechtmachen laßt, dann habt Ihr weniger Umstände
und Beschwerden damit. Ich freue mich immer wieder, wie Du die Kinder schon
frühzeitig an das Zahnarztgehen gewöhnt hast, denn so haben sie doch weniger
bange und vor allem erhalten sie sich ihre Zähne gesund. Den Einkauf für Dich
haben unsere Leute am letzten Samstag machen wollen. Ich wünschte mir nur, daß
sie noch etwas Rechtes bekommen haben, für Dich, mein lieber Schatz. Ich werde
ja bald darüber hören, denn in wenigen Tagen ist das auch von den Kindern so
heiß ersehnte Fest herangekommen. Ich hoffe, daß Du die verschiedenen
Kleinigkeiten noch vor dem Fest bekommen hast. Das würde mich jedenfalls sehr
freuen. Ich kann mir denken, daß Vater
große Augen gemacht hat, als er gesehen hat, daß Du die Tür selbst an das
Schränkchen fabriziert hast. Ich kenne ihn ja,. Er hat sich erst alles
angesehen und wollte anfangen mit Kritisieren. Ich sehe aber, daß Du ihm
sämtliche Waffen aus der Hand genommen hast. Das sieht Dir ja auch wieder
ähnlich. Aber an Dir ist auch ein kleiner Handwerksmeister
verlorengegangen. Den Zeitungsartikel,
worin über das Auftreten unserer Tochter berichtet wird, habe ich gelesen. Wie
ist das zu verstehen, wenn es da heißt: „Die Kinder kamen und brachten Geschenke für die Soldaten im Feld“ ? War das
nur symbolisch oder wurden tatsächlich Geschenke für die Soldaten gebracht? An
wen wurden die dann geschickt? Ich frage nicht etwa für mich, weil ich denke, ich
käme zu kurz. Im Gegenteil, Du hast Dich allerhand angestrengt nach der
Päckchenzahl zu schließen. Obwohl ich
nicht weiß, was alles für Geheimnisse darin verborgen sind, will ich Dir heute
schon danken, denn ich weiß, daß es für Euch ein Opfer war, von dem wenigen,
was Euch daheim zugeteilt wird, noch das abzuknapsen. Unsere beiden Schlawiner kenne ich ja. Ich sehe Euch Drei vor
mir. Du versuchst eine gestrenge Miene aufzusetzen und die beiden Stromer
können sich nicht bezähmen und machen ungehindert weiter, und mit ihrer
unverwüstlichen Freude drängen sie wieder durch und bringen Dich doch noch
einmal zum Lachen. Um dann im Ton unseres Jungen fortzufahren „haben sie doch
wieder gesiegt.“ Wenn es dann noch so abgeht, bist Du ja selbst froh, denn ich weiß,
daß Du auch keine Freude am Schimpfen hast. Manchmal steht es aber auf Spitze
und Knopf und dann kommt es darauf an, was die Oberhand behält. Man sieht aber,
daß sie gesund sind, diese beiden Rabauken, das kann uns immer noch froh
machen. Wie unglücklich wäre man, wenn eines von beiden krank wäre oder ein
Gebrechen hätte. Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Es stimmt, man mußte es
ertragen, aber lieber will man es einmal hinnehmen, wenn es etwas toller
zugeht. Das kostet nicht soviel Nerven, wie wenn man sich im anderen Fall Sorge
machen müßte. Hoffen wir zuversichtlich, daß es so bleibt, dann wird auch alles
weitergehen. Das Buch „Lachendes Leben,
ist das nicht die Zusammenstellung von
?. Es ist bestimmt nicht schlecht. Mir hat sie gut gefallen. Ich denke,
daß Dein Vater seine Freude daran haben wird, denn es sind ganz belustigende
Geschichten drin. Ihr könnt ab und zu
bei Euch das Kino besuchen. Bei uns ist das nicht möglich. Hier müssen die
Kinos zumachen, überall wurden rigoros in den Unterkünften die Lampen
herausgenommen, weil wir das Licht sparen müssen. Das ist zwar eine
bedauerliche Maßnahme, die sich aber aus Mangel an Kohlenzufuhr als notwendig
erwiesen hat. Man findet sich damit ab, weil es nun einmal nicht anders geht.
Mit dem Wasser ist es genau so. Das
läuft jetzt von früh 4 bis 10 und am Nachmittag läuft es ab und zu auch noch
einmal einige Stunden. Wenn man das weiß, kann man sich ja darauf
einrichten. Gestern warst Du in der
Spielzeugausstellung. Hoffentlich hat es Dir gefallen. Es kann ja möglich sein,
daß Du noch einige Kleinigkeiten gekauft hast.
Vom Wetter kann ich hier auch nur berichten, daß es nicht gerade
einladend ist. Etwas Nebel. Der Himmel bedeckt. Sonst verraucht und verrußt. Gesund
ist sie auch nicht. Wir sind aber einmal hierher kommandiert, und da hilft uns
niemand weiter. Lasse mich heute
schließen und ich bitte Dich, mache Dir keine Sorgen, denn dazu liegt bestimmt
keine Veranlassung vor. Mir geht es wirklich nicht schlecht, und ich benutze
die Gelegenheit, mich hier noch einige Tage auszuruhen. Ich grüße Dich, mein
liebes Mädel und grüße und küsse die Kinder von mir wie ich Dich im Geiste auch
wieder küsse. Dein Ernst.
Mein
liebstes Mädel !
21.12.42
Morgen
komme ich hier wieder heraus. Ich fühle mich soweit auch wieder ganz in
Ordnung. Nur vom Bettliegen habe ich einen etwas benommenen Kopf. Aber ich bin
froh, daß ich es wieder geschafft habe, denn ich hatte keine Lust, auch noch
während der Feiertage hier im Revier zu liegen. Drei Briefe habe ich von Dir erhalten. Über alle habe ich mich
sehr gefreut, denn es ist schön, wenn man den ganzen Tag über im Bett liegt und
man bekommt zur Abwechslung dann wieder Nachricht von zuhause. Auf die
einzelnen Sachen werde ich wohl morgen eingehen. Ich freue mich vor allem, daß
Du jetzt mit der Butter, die Du Dir zurücklegen konntest, zum Weihnachtsfest
auch etwas backen kannst. Ich habe Dir ja schon mitgeteilt, daß ich wieder
welche besorgt und an Dich abgeschickt habe. Ich habe aber auch ein kg Bienenhonig
bekommen, und jetzt noch ein kg Sonnenblumenöl. Ich hoffe, daß Dich das freut
und daß Du Dich beruhigen kannst, daß Deine Fettreserven nicht ernstlich
zusammenschmelzen. Wie ich lese, hat es Dir Freude gemacht, daß für Jörg die
Sonderzuteilung von Honig gegeben worden ist. Ich kann mir das vorstellen.
Genau wie Du selbst darüber gespannt bist, ob mich Deine Päckchen erreichen, so
geht es mir auch, denn man isst doch immer in etwas Sorge, ob diese Sachen
ankommen. Ich würde es bedauern, wenn beispielsweise der Brief an die Kinder
verloren gegangen wäre. Über die
anderen Dinge werde ich schreiben, wenn ich hier aus dieser haft herausgekommen
bin, denn es läßt sich hier so schlecht schreiben und man ist auch nicht in der
richtigen Verfassung. Recht viele
herzliche Grüße und Küsse sendet Dir und den Kindern Dein viel an Dich
denkender Ernst.
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