Mittwoch, 3. Januar 2018

Brief 361 vom 27./28.12.1942


Mein bestes Mädel !                                                                     27.12.42    
   
Heute habe ich nochmals Weihnachten feiern können. Die restlichen 2 Päckchen trafen vorhin ein und außerdem noch Deine 3 Briefe vom 14., 15., und 17.12. Recht, recht herzlichen Dank für alles.  Zuerst habe ich Deine Päckchen ausgepackt. Da war alles so schön zusammengefügt, daß ich es mir fast nicht getraut habe, es auseinander zu packen. Die Stolle werde ich mir zu Gemüte ziehen.  Die Granatsplitter habe ich probiert , so schmecken sie schon bedeutend besser. Zur Feier dieses Abends werde ich mir nachher eine rote und eine weiße Kerze anzünden. Man muß mit diesen Sachen behutsam umgehen, denn man weiß ja nie, wie man diese Sachen hier brauchen kann. Recht schönen Dank nochmals. Das hast Du wieder feingemacht. Daß mein Päckchen mit den Bonbon und den Pralinen zur rechten Zeit eingetroffen ist, hat mir ebenfalls mächtig Spaß gemacht. Da hast Du doch eine Kleinigkeit gehabt von mir, die Du unter den Baum mit legen konntest. Eine weitere schöne Überraschung war es für mich, als ich lesen konnte, daß Kurt so unvermittelt auf Urlaub kam. Da hat er ja eine ganz nette Reise durch Deutschland und zu allen seinen Verwandten und Bekannten gemacht. Das ist direkt auffallend, daß er diesmal gesprächiger war, als sonst. Es hat mich gewundert, daß er doch immer wieder auf mich zu sprechen kommt, wenn er im Urlaub ist und meint, daß ich wieder einmal da sein müßte. Ich selbst würde mich zwar auch freuen, wenn ich ihn ihm Urlaub begrüßen könnte. Es ist ja so eigenartig, daß man sich so wenig kennt, findest Du nicht auch? Mit Deinem Bruder ist es doch ähnlich. Das muß anscheinend so sein, denn man erkennt daran, daß gerade wir beide uns doch am nächsten stehen.  Mit Deiner Einteilung der Süßigkeiten bin ich ganz und gar einverstanden. Du bist ja auch so ein kleines Leckermaul. Wenn es für die Kinder noch etwas gegeben hat, ist das schon ganz in Ordnung. Ich habe , wie ich Dir schon mitteilte, wieder eine kleine Rücklage. Ich hatte sie schon fertiggemacht, aber bevor ich nicht wußte, wie es mit den anderen Sachen zugegangen ist, wollte ich es nicht auf den Weg geben. Man wird misstrauisch, wenn man schon Lehrgeld gezahlt hat. Denn man spart sich diese Sache ab und hat dann nicht Lust, dies für andere Leute tzu tun, denn dazu gibt es zu wenig. Man macht es ja nur, um seinen Lieben daheim eine Freude zu bereiten. Außerdem brauchtest Du ja zu jener Zeit etwas Schmerzensgeld für Deine Zahnreparatur. Ich weiß, daß das manchmal eine weniger angenehme Sache sein kann. Froh ist man aber doch, wenn es wieder in Ordnung ist. Ich weiß es, unser Junge ist ein Lauser. Ich habe heute beiden einen Brief geschrieben, von dem ich den Durchschlag beifüge. Sie hatten mir soviel geschrieben, daß es mir schon schwer auf der Seele lastete, daß ich solange nicht geantwortet hatte. Nun ist es mir schon wesentlich leichter. Daß ich vom Schwimmenlernen geschrieben hatte, geschah in der Absicht, ihn nochmals zu reizen. Wie ich heute aus Deinen Briefen lese, hat er sich anscheinend doch aufgerafft. Wenn er mit dem Gurt schon ein Stück vorwärtskommt, dann wird er auch weiterhin Fortschritte machen. Daß ihm das Freude gemacht hat, zeugt doch davon, daß er an sich will, es sich aber nicht getraut. Es dreht sich eigentlich nur darum, daß er den Kniff herausbekommt. Wenn er es erst einmal heraus hat, wird er schon Geschmack an der Sache bekommen. Ich teile also ganz und gar seine Freude, wie Du wohl auch.  Nach dem Ständer bist Du aber schnell gesprungen, den ich mir für den Füllhalter gewünscht hatte. Du hast ihn auch schon gleich bekommen, das ist aber gut gegangen. Das muß nichts Besonderes sein, wenn er nur seinen Zweck erfüllt, das ist doch die Hauptsache.  Was die Angelegenheit mit Alice anbelangt, so gehen wir ja einige. Der Wille Deiner Mutter war es zwar immer, daß wir uns mehr anschließen sollte. Wir haben wohl von uns auch immer versucht, dem Rechnung zu tragen, aber wie ich immer wieder feststellen mußte, war dieses Verhältnis sehr einseitig, denn sie haben uns immer so belanglos geantwortet, wenn sie überhaupt geantwortet haben. Ich habe ja zu Weihnachten wieder geschrieben. Bei ihr langte es ja kaum zu einer Karte und die ist immer so inhaltslos, daß man nicht viel damit anfangen kann. Ich muß schon sagen, daß man sich immer zwingen muß, wenn man an sie schreiben soll. Ich habe es aber immer noch im Andenken an Deine Mutter getan. Ich bedauere es sehr, daß sie es so schwach erwidert. Sie ist zwar sehr schnell gekränkt, fühlt aber nicht, wie sie selbst ist. Wir müssen den Dingen ihren Lauf lassen, denn sonst macht man noch mehr kaputt, wie die ganze Geschichte wert ist.  Ernas Geburtstag habe ich mir notiert, damit ich im kommenden Jahr schreiben kann. Teile mir nochmals Siegfrieds Geburtstag mit. Er ist doch am 18.4. Auch den Hochzeitstag von Beiden sollte ich wissen. Ich weiß nur, daß er im Oktober war.  Die Geschichte mit dem Klöße essen hat mir Spaß gemacht. Daß unsere beiden Lauser so auf Klöße versessen sind, hatte ich nicht gedacht. Da war ja der Jubel auf allen Fronten ganz groß. Bei Jörg hatte es sich ja gut getroffen, als er erst in der Schule im Film das Klöße essen gesehen hatte. Helga war anscheinend entzückt. Ich weiß, daß man mit den bescheidenen zur Verfügung stehenden Mitteln sehr haushalten muß und es ist nicht immer leicht, ein nahrhaftes und schmackhaftes Essen zuzubereiten. Dem Geschmack aller bist Du mit jenem Essen allen entgegengekommen.  Die Sonderzuteilung hast Du rechtzeitig erhalten, um noch die Weihnachtsbäckerei für Euch beenden zu können. Es ist dann nicht bis auf den letzten Tag geblieben. Ich kenne das, Du hast die Hetzerei auf die letzten Tage nicht so gern.  Wenn es gut gegangen ist, dann seid Ihr Gestern im Theater gewesen. Das hat den Kindern hoffentlich gefallen, denn für so etwas sind sie ja immer zu haben. Daß Nannie der Kinder so nett gedacht hat, finde ich schön von ihr. Ich werde mich jedenfalls bedanken für diese Aufmerksamkeit Unser Mädel ist wohl reichlich versehen mit Ketten und sonstigem Gehänge. Jörg hat nun auch ganz nette Bücher, denke ich.  Lasse mich nun schließen. Die anderen Sachen, die noch zu beantworten sind, werde ich morgen vornehmen. Ich grüße Dich und hoffe, daß Deine Erkältung im Hals sich inzwischen wieder behoben hat. Nimm viele Küsse entgegen von Deinem Ernst.
 
Mein liebstes Mädel !                                                                               28.12.42   
        
Auch heute habe ich wieder Post von Dir bekommen. Es waren eigentlich zwei ganz flinke Briefe dabei. Der eine war vom 25. und der andere 26.11. Sie haben nur etwas über einen Monat gebraucht.  Wenn Du in dem einen Brief von einem kleinen Weihnachtsgeheimnis sprichst, so hättest Du es bei der Ankunft des Briefes nicht so hüten brauchen, denn ich habe Deine Päckchen schon eher bekommen.  Ich kann Dir aber bei dieser Gelegenheit gern noch einmal bestätigen, daß mir der Kopfschützer gefällt. Ich habe es zwar noch nicht notwendig gehabt, ihn zu probieren. Es kann aber sein, daß ich noch mal recht froh um ihn bin. Ich verwahre ihn also vorerst noch bis ich ihn brauche. Nimm bitte darum meinen Dank für Deine Mühe nochmals entgegen, denn Du hast ihn dafür verdient. An alles hast Du gedacht und ich wünschte, daß es nicht notwendig wäre, daß man diese verschiedenen Nebeneinrichtungen, die Du da angefügt hast, nicht brauchen würde, schon im Interesse der anderen Kameraden.  Wenn die Zeiten nun nicht ganz so sicher sind, möchte ich Dich überhaupt bitten, Deinen Brief erst am folgenden Tag wegzuschaffen. Es ist nicht nötig, daß Du Dich hier Gefahren aussetzt, die in keinem Verhältnis zu dem Zweck stehen. Ich werde Deine Briefe schon rechtzeitig erhalten. Nimm meine Mahnung nicht zu leicht, sondern befolge sie. Wenn dann die Tage wieder länger werden, kannst Du dann eher um diese Zeit aus dem Haus gehen.  Daß die Angelegenheit mit der Brust bei Helga abgeschlossen sei, gibt mir auch wieder etwas Beruhigung. Ich halte es aber trotzdem für ratsam, den weiteren Verlauf der Dinge im Auf zu behalten. Wollen wir hoffen, daß der Arzt recht behält und daß sich keine weiteren Folgen einstellen. Denn mit der Gesundheit ist nicht zu spaßen.  Ich bin nun auch nicht der Ansicht, daß der Alkohol ein Allheilmittel sei. Wenn also Dein Kümmeltrinken bei jenem Mal nicht geholfen hat, dann ist der Kopfschmerz nicht in Verbindung mit irgend welchen Magenverstimmungen zu bringen. Wenn es dagegen auf den Magen zurückzuführen ist, kann Dir ein Alkohol nichts schaden. Aber es hat Dir hoffentlich keine weitere Verschlechterung Deines Befindens gebracht. Ich hoffe das wenigstens. Wenn Du aber an einem solchen Tag nicht schreiben kannst, dann verstehe ich das wohl und bin Dir nicht böse darum. Du kannst mir das ja in Deinem nächsten Brief erklären, dann ist ja alles wieder in Butter.  Außer diesen beiden Briefen erhielt ich noch den vom 16.12.. Er hat nicht so lange gebraucht wie die anderen beiden Bummelanten. Dann kam noch eine Illustriertenzeitung von Dir, die ich mir schon vorgeknöpft habe.  Den Brief von Siegfried habe ich entnommen und auch die der Kinder. Für alles recht herzlichen Dank.  Ehe ich aber diesen beantworte, will ich erst noch auf die vorhergehenden Schreiben von Dir zurückkommen, die ich Gestern bekam. Das ist doch komisch, wie mein Vater da mit seiner abergläubischen Einstellung wegen der Arbeitsaufnahme an einem Montag glaubt, sein Schicksal zu zwingen. Es ist ja wesentlich, daß er davon überzeugt ist und meint, daß es ihm hilft. Ich wünsche ihm an seinem neuen Tätigkeitsort recht guten Erfolg und viel Glück. Es wäre wünschenswert, wenn er dort ein paar Pfennig mehr verdienen könnte.  Kurt wird wohl auch wieder gefahren sein, oder muß in diesen Tagen abreisen. Das ist ja immer das Unangenehme an einem Urlaub. Da ist aber nun einmal unsere Pflicht, die uns niemand abnehmen kann und die man erfüllen muß. Es ist schwer, aber es muß geschafft werden. Daß Du Kurt und Vater etwas zu trinken gegeben hast, finde ich in Ordnung. Daß es zu keiner Besäufnis ausartet dafür wirst Du schon Sorge tragen. Außerdem sind die angerissenen Flaschen und die darin enthaltenen Mengen zu gering.  Fritz Bautz hat es nun auch mit dem Urlaub geschafft. Ich denke, daß seine Familie froh war, daß er auch über die Weihnachtszeit daheim war. Wegen der Angelegenheit mit der Schule, nehme ich in diesen Tagen Gelegenheit, darüber zu schreiben, heute reicht mit der Platz nicht aus und es eilt ja auch nicht. Na, das ist ja allerhand, wie Du kürzlich das Aufstehen vergessen hast. Das kann schon einmal passieren. Wie wäre denn das, wenn ich daheim wäre und Du hättest manchmal nicht den notwendigen Schlaf. Ist das etwa anders. Das gehört ja an sich bestraft und wenn es mit meiner Anwesenheit wäre. Dann könnte ich Dir den Schlaf nochmals nehmen und man könnte die Probe aufs Exempel machen. Lassen wir aber von diesem Wunschtraum ab, denn dazu liegt dieser Tag doch zu fern. Bis dahin müssen wir uns eben schriftlich behelfen. Mit dem Schutzmann hast Du ja trotzdem noch Glück gehabt. Hast Du ihn vielleicht angelächelt oder mit Blindheit geschlagen? Diese Zeichnung von Jörg mit den Sternen und vor allem das Motiv hat er das nicht aus einem seiner Bilderbücher. Aber ganz gleich, die Ausführung ist sehr gut und ich muß mich eben wundern, woher er es hat und kann es einfach nicht so schnell fassen, daß es ganz allein aus ihn herauskommt.  Über das Lob kann er sich auch freuen, denn er hat es bestimmt sehr nett gemacht.  Ich weiß, daß Du nicht unbescheiden bist auf Geschenke, aber man möchte gern etwas schenken. Ich muß zwar zugeben, daß man von Frankreich her etwas gewohnt war in Bezug auf das Kaufen. Das ist hier ja alles nicht möglich, weil es praktisch nicht gibt. Darum war ich doch aus so froh, als ich diese Kleinigkeiten bekam. Wenn ich Dir außerdem noch Geld geschickt habe, so kann ich das ohne weiteres entbehren und es geht mir nichts deswegen ab. Du kannst es ohne Sorge annehmen.  Wie Du das Geld verwendest, ist mir gleichgültig. Ich habe ja früher auch nicht so große Sprünge gemacht und habe auch gelebt.  Nur hier in diesem Fall würde es mich schon interessieren, wie Du es eingeteilt hast, denn es handelt sich ja hier um ein Geschenk.  Da nun die Kinder von Siegfried auch wieder Geld erhalten haben, von mir auch noch einen Geldbetrag erhielten, werden sie bei diesem Spartempo bald 200,-RM beieinander haben.  Ich grüße Dich recht herzlich, mein liebes Mädel und nimm gleichzeitig meine herzlichsten Küsse entgegen. Dein Ernst.

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