Mein
liebster Schatz !
10.12.42
Viel
Freude habe ich Gestern wieder gehabt, als ich Deinen und Helgas Brief erhielt
vom 29. Ich kam aber leider nicht dazu, sie gestern Abend noch zu beantworten.
Ich habe vorhin noch 3 Briefe an Kurt, Deinen Vater und Siegfried
fertiggemacht, von denen die Durchschläge wieder beiliegen; nun kommst Du noch
vor dem Schlafengehen dran, denn heute möchte ich nicht noch einmal aussetzen.
Wie ich soeben schon erwähnte, haben mich Eure Briefe sehr erfreut und ich
danke Euch sehr dafür. Helga und Jörg haben wieder sehr auf Weihnachten
abgestimmt, so daß man nicht umhin kann und genau merkt, daß es nicht mehr
lange dauert. Ich glaube, daß sie schon voller Spannung sind und je näher
dieser Tag rückt, desto unruhiger werden sie. Ich weiß ja, wie es uns und
besonders mir als Kind gegangen ist. Für die Kinder machen sich die Einflüsse
des Krieges auch in fühlbarer Weise bemerkbar. Wenn ich gerade aus dem Brief
von Helga und auch von Dir lese, ist auf der Messe nichts los gewesen. Das ist
doch eine Messe nur dem Namen nach. Es ist ja auch erklärlich. Es sind ja nur
noch wenige Leute zuhause. Dann hat sich die ganze Wirtschaft ganz auf Produkte
von Kriegsgütern umgestellt, so daß an Spielwaren so gut wie nicht mehr zu
denken ist. Ich habe hier noch ein Pärchen von Puppen bestellt. Für deutsche
Begriffe ist es nach meinem Dafürhalten nichts Besonderes, aber ich denke, daß
Helga trotz allem ihre Freude daran haben wird. Ob Du sie ihr noch nachträglich
zum Weihnachtsfest geben willst, überlasse ich Dir. Vorgestern ist nun unser
Inspektor in Urlaub gefahren. Ich habe ihm 120, RM mitgegeben. Für die Kinder
kannst Di je 20,RM verwenden oder geben und der Rest ist für Dich bestimmt. Das
kleine Päckchen , das ich ihm mitgeben konnte, ist für Dich bestimmt. Ich
schrieb schon, daß es nicht viel ist.
Ich habe dann noch einen großen Briefumschlag mit Schreibpapier
abgesandt und Gestern Briefumschläge. In den letzten Umschlag habe ich noch
einen Film gelegt, den Du mit verwenden kannst. Es ist zwar nicht viel, aber Du
sollst sehen, daß ich bei jeder der sich bietenden Gelegenheit an Euch denke.
Aus
Deiner Schilderung, wie Ihr Drei am Abend zusammengesessen habt, kann ich mir
vorstellen, wie es gewesen ist. Alle Dinge werden lebendig und an allem
erinnert man sich, wie es tatsächlich ist. Ich sehe mir erst wieder meine Fotos
an, die diese Vorstellung noch erleichtern helfen. Wie oft sind wir bei unserer
Tischlampe gesessen, haben das Radio eingeschaltet gehabt. Du hast gelesen, ich
habe mich mit meinen Briefmarken beschäftigt oder habe auch gelesen. Manchmal
haben wir uns unterhalten oder besprachen irgendetwas. Was Deine Sorge bezüglich der Post
anbelangt, so habe ich Dir schon in meinem letzten Brief mitgeteilt, daß diese
unbegründet ist und daß hier irgendein Idiot diesen Brief von Dir zurückgehen
ließe. Ausgerechnet mit diesem, mit dem Du es so gut gemeint hattest. Aber, Du
kannst ganz beruhigt sein, ich hatte Dir schon die richtige Nummer angegeben
und ich bekam, wie Du aus meinen anderen Schreiben gesehen hast, laufend Deine
Post. Helgas Brief hat mich auch
gefreut, denn sie schreibt so ursprünglich. Vor allem wie sie von der Messe
schreibt, daß in der Zeitung erst groß geschrieben wurde und als sie hinkamen,
schreibt sie, „was war es nichts“. Das
hat mir gefallen, wie sie das zum Ausdruck bringt. Stolz war sie, als sie
berichten konnte, daß sie Dir ganz allein einen Advents Kalender gebastelt
hatten. Ich freue mich, daß sie immer in solch aufmerksamer Weise an Dich
denken. Sie hängen ja auch sehr an Dir, was auch ganz selbstverständlich ist,
denn mich sehen sie ja seit Jahr und Tag kaum. Nett hat sie den Brief
eingerahmt und es wird einem, ob man will oder nicht ganz weihnachtlich zumute. Ich bin jedes mal belustigt, wie sich
beide mit den vielen Nullen übersteigern, die sie an Küssen geben wollen.
Anscheinend haben sie selbst gesehen, daß das allerhand Zeug ist, was sie sich
da immer vornehmen, wenn sie schreibt, die vielen Küsse wirst Du wohl gar nicht
aufnehmen können. Ich glaube es auch bald. Das ist zwar eine schöne
Nebenbeschäftigung, aber, wenn man das schaffen wollte, müsste man alles andere
aufgeben und weiter nichts tun, wie sich küssen. Da würde dann auch alles
seinen Reiz verlieren.
Ich
grüße und küsse Dich, meine liebe Annie, recht herzlich.
Denke
auch daran, daß Du unseren Stromern einen davon abgibst und sei versichert, daß
ich immer an Euch denke. Dein Ernst.
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