Mittwoch, 3. Januar 2018

Brief 351 vom 10.12.1942


Mein liebster Schatz !                                                    10.12.42             

Viel Freude habe ich Gestern wieder gehabt, als ich Deinen und Helgas Brief erhielt vom 29. Ich kam aber leider nicht dazu, sie gestern Abend noch zu beantworten. Ich habe vorhin noch 3 Briefe an Kurt, Deinen Vater und Siegfried fertiggemacht, von denen die Durchschläge wieder beiliegen; nun kommst Du noch vor dem Schlafengehen dran, denn heute möchte ich nicht noch einmal aussetzen. Wie ich soeben schon erwähnte, haben mich Eure Briefe sehr erfreut und ich danke Euch sehr dafür. Helga und Jörg haben wieder sehr auf Weihnachten abgestimmt, so daß man nicht umhin kann und genau merkt, daß es nicht mehr lange dauert. Ich glaube, daß sie schon voller Spannung sind und je näher dieser Tag rückt, desto unruhiger werden sie. Ich weiß ja, wie es uns und besonders mir als Kind gegangen ist. Für die Kinder machen sich die Einflüsse des Krieges auch in fühlbarer Weise bemerkbar. Wenn ich gerade aus dem Brief von Helga und auch von Dir lese, ist auf der Messe nichts los gewesen. Das ist doch eine Messe nur dem Namen nach. Es ist ja auch erklärlich. Es sind ja nur noch wenige Leute zuhause. Dann hat sich die ganze Wirtschaft ganz auf Produkte von Kriegsgütern umgestellt, so daß an Spielwaren so gut wie nicht mehr zu denken ist. Ich habe hier noch ein Pärchen von Puppen bestellt. Für deutsche Begriffe ist es nach meinem Dafürhalten nichts Besonderes, aber ich denke, daß Helga trotz allem ihre Freude daran haben wird. Ob Du sie ihr noch nachträglich zum Weihnachtsfest geben willst, überlasse ich Dir. Vorgestern ist nun unser Inspektor in Urlaub gefahren. Ich habe ihm 120, RM mitgegeben. Für die Kinder kannst Di je 20,RM verwenden oder geben und der Rest ist für Dich bestimmt. Das kleine Päckchen , das ich ihm mitgeben konnte, ist für Dich bestimmt. Ich schrieb schon, daß es nicht viel ist.  Ich habe dann noch einen großen Briefumschlag mit Schreibpapier abgesandt und Gestern Briefumschläge. In den letzten Umschlag habe ich noch einen Film gelegt, den Du mit verwenden kannst. Es ist zwar nicht viel, aber Du sollst sehen, daß ich bei jeder der sich bietenden Gelegenheit an Euch denke.
Aus Deiner Schilderung, wie Ihr Drei am Abend zusammengesessen habt, kann ich mir vorstellen, wie es gewesen ist. Alle Dinge werden lebendig und an allem erinnert man sich, wie es tatsächlich ist. Ich sehe mir erst wieder meine Fotos an, die diese Vorstellung noch erleichtern helfen. Wie oft sind wir bei unserer Tischlampe gesessen, haben das Radio eingeschaltet gehabt. Du hast gelesen, ich habe mich mit meinen Briefmarken beschäftigt oder habe auch gelesen. Manchmal haben wir uns unterhalten oder besprachen irgendetwas.  Was Deine Sorge bezüglich der Post anbelangt, so habe ich Dir schon in meinem letzten Brief mitgeteilt, daß diese unbegründet ist und daß hier irgendein Idiot diesen Brief von Dir zurückgehen ließe. Ausgerechnet mit diesem, mit dem Du es so gut gemeint hattest. Aber, Du kannst ganz beruhigt sein, ich hatte Dir schon die richtige Nummer angegeben und ich bekam, wie Du aus meinen anderen Schreiben gesehen hast, laufend Deine Post.  Helgas Brief hat mich auch gefreut, denn sie schreibt so ursprünglich. Vor allem wie sie von der Messe schreibt, daß in der Zeitung erst groß geschrieben wurde und als sie hinkamen, schreibt sie, „was war es  nichts“. Das hat mir gefallen, wie sie das zum Ausdruck bringt. Stolz war sie, als sie berichten konnte, daß sie Dir ganz allein einen Advents Kalender gebastelt hatten. Ich freue mich, daß sie immer in solch aufmerksamer Weise an Dich denken. Sie hängen ja auch sehr an Dir, was auch ganz selbstverständlich ist, denn mich sehen sie ja seit Jahr und Tag kaum. Nett hat sie den Brief eingerahmt und es wird einem, ob man will oder nicht  ganz weihnachtlich zumute. Ich bin jedes mal belustigt, wie sich beide mit den vielen Nullen übersteigern, die sie an Küssen geben wollen. Anscheinend haben sie selbst gesehen, daß das allerhand Zeug ist, was sie sich da immer vornehmen, wenn sie schreibt, die vielen Küsse wirst Du wohl gar nicht aufnehmen können. Ich glaube es auch bald. Das ist zwar eine schöne Nebenbeschäftigung, aber, wenn man das schaffen wollte, müsste man alles andere aufgeben und weiter nichts tun, wie sich küssen. Da würde dann auch alles seinen Reiz verlieren.
Ich grüße und küsse Dich, meine liebe Annie, recht herzlich.
Denke auch daran, daß Du unseren Stromern einen davon abgibst und sei versichert, daß ich immer an Euch denke. Dein Ernst.

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