Donnerstag, 25. Januar 2018

Brief 374 vom 25./26.1.1943


Mein liebes Mädel !                                                                     25.1.43  
        
Ich muß auch heute wieder ganz zufrieden sein, denn ich erhielt zwei Briefe von Dir. Es sind die vom 14. und 15. dagegen sind die, die schon weiter zurückliegen, noch nicht angekommen,. Ich danke Dir vielmals für Deine lieben Zeilen und auch für die von Helga, die sie Deinem Brief beigelegt hatte. Ich möchte in diesem Zusammenhang gleich etwas klargestellt haben. Helga schreibt, daß mein Nikolausbrief noch angekommen sei. Ich habe aber das Empfinden, als hätte sie das „nicht“ vergessen, denn Du teiltest mir doch kürzlich mit, daß Du auch hoffen würdest, daß vielleicht doch noch dieser Brief eintreffen würde. Ein Durchschlag eines Schreibens Deines Vaters an Dich kam heute auch noch an. Der Briefumschlag war aber ganz zerfleddert, denn er hatte einen Kalender beigelegt. Das hatte der Umschlag nicht ausgehalten und hat sich dieser Kalender darum selbständig gemacht. Er ist also nicht angekommen. Ich habe ja bereits einen, darum ist das nicht ganz so schlimm.  Mit Freude habe ich vermerkt, daß das erste Päckchen mit Mehl bei Dir angekommen ist. Ich denke, daß es gut brauchbar ist. Ich hoffe, daß die anderen Sachen auch alle noch bei Dir ankommen werden. Wenn Du von dem unterschiedlichen Wetter bei Euch sprichst, so habe ich Dir ja schon berichtet, daß das hier auch nicht anders ist. Heute früh hatten wir wieder 25 Grad Kälte. Morgen früh werden es entsprechend mehr sein, denn jetzt am Abend haben wir schon nach meiner Meinung mehr davon. Wie man aber schon aus dem Wehrmachtsbericht hört, hat es im Kaukasus geregnet. Da kann es passieren, daß das hier auch bald eintritt. Daß eine Entfremdung zwischen den Kindern und mir eingetreten ist, konnte ich auch nicht feststellen. Sie sind ja schon in einem Alter, wo sie schon soviel übersehen können, was jetzt los ist und ihren Vater kennen sie ja auch; und das ist nicht nur von einer Seite. Zudem macht gerade das Briefeschreiben viel aus, denn das trägt zur Bindung und zur Aufrechterhaltung des Gefühls des Zusammengehörens bei. Das dies auch tatsächlich der Fall ist, lese ich immer wieder aus den Zeilen unserer beiden Stromer. Daß auch Du dies alles unterstützt, weiß ich genau. Zwischendurch habe ich erst einmal ein Päckchen mit Briefpapier fertiggemacht.  Was ich jetzt wegschicke, brauche ich nicht zu verpacken und Dir ist es nützlich daheim. Ich weiß, daß Du einen guten Vorrat hast, aber das macht ja nichts. Es ist ja nicht ausgeschlossen, daß ich eines Tages darauf zurückgreifen muß. Für morgen mache ich noch etwas davon fertig, dann habe ich das auch.  Wenn Du mir ab und zu den Speisezettel mitschreibst ist schon richtig, dann kann ich doch immer wieder sehen, was Ihr zu essen habt. Ich kann weiter daraus feststellen, wie es Euch geht in Bezug auf die Ernährung. Daß Du abends immer so müde bist, kommt wohl zeitweilig daher, daß Du die Abende vorher so lange munter bist. Nach einiger Zeit tritt dann die Reaktion ein. Der Körper braucht nun einmal Ruhe.  Ich verstehe das sehr gut, denn mir geht es genau so. Ich bin viele Abende bis spät in der Nacht auf. Früh muß ich ja immer zur gleichen Zeit aufstehen. Aber manchmal habe ich dann direkt Verlangen danach, mich zeitiger hinzulegen. Meist komme ich ja nicht dazu, aber ab und an klappt es doch einmal.  Dein Vater beklagt sich, daß er von mir so lange keine Post bekommt. Das liegt aber nicht an mir, denn ich beantworte meine Post fast am gleichen Tag. Wenn nicht, dann doch kurz nach ihrem Eingang. Daß Dein Vater aber 70 Pfund abgenommen hat, ist ja keine Kleinigkeit für ihn. Man sieht daraus, daß die Ernährung doch nicht mehr so ist. Ich habe zwar heute Nachtdienst, aber ich will zusehen, daß ich zum Schlaf komme und werde ihm in den nächsten Tagen wieder schreiben, obzwar ich schon zwei Briefe an ihn unterwegs habe. Ich muß mich mit meiner Zeit einrichten, denn ich komme schon kaum zum richtig etwas Lesen und das würde ich manchmal ganz gerne tun.  Wie ich aus Deinem großen Brief gelesen habe, gehen wir in allen Dingen wieder einig. Das ist ja gut so, denn dann brauche ich ja keinen Krach mit Dir anzufangen. Da hast Du doch sicherlich große Angst. Lasse Dich, mein lieber Schatz, vielmals recht herzlich grüßen und küssen und bleibe mir weiterhin gesund. Dein Ernst.

Meine liebste Annie !                                                                     26.1.43   
  
Vielen vielen herzlichen Dank für Deine beiden Luftpostbriefe vom 20. und 21., die heute beide eintrafen. Ich kann heute nicht lang schreiben, denn mein Zimmer ist kalt geworden. Ich hatte heizen lassen, aber die Kohle vergast nur das Zimmer, so daß ich ihn habe wieder ausräumen lassen. Das Zimmer ist nun kalt und die Luft verursacht einem trotzdem immer noch Kopfschmerzen. Ein Kamerad fährt aber ins Reich und soll diesen Gruß gleich mitnehmen.  Zuerst habe ich mich sehr über den Erfolg von unserem Jungen gefreut. Die Belohnung für ihn liegt bei, damit er sieht, daß ich mein Wort prompt einhalte. Über diese Dinge schreibe ich noch einmal, nur heute nicht. Eine weitere Freude hatte ich dadurch, daß ich durch diese Briefe erfuhr, daß sämtliche Päckchen aus dem vergangenen Jahr nun alle bei Dir eingegangen sind.  Auch das erste von diesem Jahr ist anscheinend bei Dir angekommen. Ich hoffe, daß die anderen, die jetzt noch unterwegs sind, Dich ebenfalls erreichen. Ich habe heute ein Paket fertiggemacht.  Es enthält Öl und trägt die Nummer 13. Zwei weitere Flaschen folgen morgen. Man hat nur immer die Schwierigkeiten mit der Einhaltung des Gewichts. Überschritten ist es sowieso, aber man darf es nicht allzu auffällig treiben. Einzelheiten werde ich ja noch aus den Briefen ersehen, die unterwegs sind.  Nimm für heute recht viele Grüße und recht, recht herzliche Küsse entgegen von Deinem Mann, Deinem Ernst.

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