Mittwoch, 3. Januar 2018

Brief 355 vom 16.12.1942


Mein lieber, guter Schatz !                                                 16.12.42   
      
Briefe, Zeitungen, Päckchen trafen in den letzten Tagen aber ziemlich ein. Gestern bekam ich Deine Briefe vom 3., 4. und 5., dann 3 Zeitungssendungen. Heute kam ein weiteres Päckchen an. Den Weihnachtsbrief habe ich auch erhalten. Ich habe ihn beiseite gelegt und werde ihn mir für den Weihnachtsabend aufheben. Aber nun zu Deinen Briefen. Gestern konnte ich sie nicht beantworten, denn ich war ziemlich müde und habe mich schon gleich nach dem Essen zu Bett gelegt. Meine letzten zwei Briefe habe ich gleich Urlaubern mitgegeben. Sie werden Dich noch rechtzeitig vor Weihnachten erreichen. Auch mein Päckchen Nr. 51, in das ich die Puppen getan habe, wurde mir von unserem Chef, der in Urlaub fuhr, mitgenommen. Ich habe hier noch eine Butter und zwei Packungen mit Käse gehabt und dazugepackt. Wenn ich Glück habe, dann kommen sie noch vor Weihnachten an. Einen weiteren Brief und zwar meinen Weihnachtsbrief hatte ich durch Kurier gesandt, so daß meine Post in den letzten Tagen außergewöhnlich schnell befördert wurden. Auch diesen Brief möchte ich Dir gern für die Weihnachtstage zugehen lassen, damit Du nicht ganz ohne Post über die Feiertage bist.  Daß Du das Nähen wieder aufgenommen  und Du Gefallen daran gefunden hast, habe ich mit Befriedigung gelesen.  Ich finde es sehr nett von Frau Dietz, wie sie sich immer ihres Patenkindes erinnert. Hast du Ihr schon wieder einmal ein Foto von unserem Stromer geschickt. Er könnte ihr ja auch einmal eines seiner Bilder malen. Ich denke, daß ihr das sicher gefallen würde. Ich kann mir denken, daß ihr die Jahre und die Kriegsjahre besonders anhängen. Wenn man älter wird, ist man eben viel anfälliger wie sonst. Daß Du Dir einen neuen Regenumhang gekauft hast, wird wohl notwendig gewesen sein. Das Gummizeug wird mit der Zeit brüchig und erfüllt dann nicht mehr seinen Zweck. Die Haltbarkeit dieser durchsichtigen Umhänge wird zwar auch sehr begrenzt sein.  Wenn es Dich vor dem Regen schützt, erfüllt es aber auch seinen Zweck. Wenn Du den Kindern noch mit Zeichenblocks ud Buntstiften kommst, dann haben sie sicher ihre Freude dran. Denn malen tun sie beiden gern. Aber diese Guckrollen, wie Du sie nennst oder Kaleidoskop, wie es sonst noch heißt, macht ihnen bestimmt Vergnügen. Wenn ich früher Kinder mit einem solchen Kaleidoskop sah, so war das immer mein Wunschtraum, ein solches zu besitzen. Es kam nie dazu. Es gibt so schöne, abwechslungsreiche Figuren.  Ich denken, daß ihnen das sicherlich gefallen wird.  Unser Bildermaler sucht sich schon neue Kundschaft. Ich freue mich, wie er es unbeschwert und von seinem Können überzeugt sie nun schon seiner Lehrerin anbietet. Daß sie nun zu ihm gesagt hat, daß es unter den Baum kommt, macht ihn wohl noch besonders stolz. Er soll sich nur weiter damit beschäftigen. Er braucht ja nun nicht gerade Maler zu werden, aber er gewinnt auf diese Weise Selbstvertrauen und das ist im Leben viel wert.  Bis heute Vormittag hatten wir Tauwetter. Der Schnee war zum größten Teil weg. Aber heute gegen Abend fing es an, kälter zu werden. In der Nacht haben wir ganz sternenklaren Himmel und es ist anzunehmen, daß es morgen einige Grade kalt ist.  Was nun die Versetzungsgeschichte betrifft, so weißt Du ja inzwischen Bescheid, wie es gekommen ist, und daß ich für die nächste Zeit noch hier bleiben werde.  Höhere Gewalt ist natürlich ausgeschlossen. Daß meine beiden ersten Päckchen inzwischen eingetroffen sind, möchte ich gern hoffen. Vielleicht hat es auch mit den beiden anderen noch geklappt. Es sind zwar alles nur Kleinigkeiten. Du hast von mir inzwischen schon erfahren, wie schwer es ist, etwas zu bekommen.  Umso mehr hat es mich gefreut, daß ich dieses Wenige habe schicken können. Das war für die Kinder das richtige Geschäft, einen Brief vom Vater mit einem Auftrag zu bekommen. Ob sie noch Glück gehabt haben, möchte ich fast bezweifeln. Daß aber der Brief für meinen Vater auch an Dich gelangte, ist ja interessant. Ich habe diesmal genau Obacht geben, daß ich nicht einen Brief geschrieben habe mit Deiner Anschrift. Wenn es nun so gekommen ist, dann läßt sich das nicht ändern. Mit der Besteckhülle kann ich schon noch solange warten, bis die Sperre aufgehoben ist. Mache sie aber nicht zu groß, damit sie nicht allzu viel Platz wegnimmt.  Warum die Luftpostbriefe von hier aus immerhin noch so lange brauchen, habe ich Dir kürzlich erklärt. Denn die Flugzeuge fliegen erst noch nach dem Kaukasus und nehmen dort die Flugpost mit, von dort geht es über das Schwarze Meer Richtung Heimat.  Wenn Du der Frau von Deinem Vater etwas für Weihnachten hast, so soll mir das recht sein. Wenn Du meinst, daß sie etwas mitschickt, dann mache das nur wie Du es für richtig hältst. Ich war nur der Ansicht, daß wir doch keinerlei Bindung zu der Frau haben. Wie ich lese, hast Du Dich über die Schränkchen Tür selbst hergemacht. Er wird sich Deine Arbeit ja ansehen und sein fachmännisches Urteil abgeben.  Aber bei Deinen Erfahrungen in der Schreinerei, siehe Regel im Vorraum der Wohnung usw., wird er wohl kaum etwas entdecken können. Es freut mich, daß Dir Helga immer wieder eine Arbeit abnimmt. So wie Du mir zuletzt mitgeteilt hast, das Treppeputzen.  Es ist doch einmal ganz schön, wenn man zusehen kann, wie andere arbeiten. Ich denke, daß sie es zu Deiner Zufriedenheit gemacht hat.  Die Nikolausüberraschung für die Kinder hat ihnen sicherlich viel Spaß gemacht. Ein Kinderherz braucht doch auch so eine kleine Freude. Da es nicht so geht wie in Friedenszeiten, das wissen sie ja selbst. Aber sie wären sicherlich ganz enttäuscht gewesen sein, wenn Du nichts gemacht hättest. Es sind ja bescheidene Sachen, und doch haben sie gewirkt. Unser Strolch hat doch ein Glück. Er zieht, wie Helga schreibt, „natürlich“ den Nikolaus. Daß sie etwas bedrückt war, als sie noch nichts hatte, während er sich über seinen Gewinn freuen konnte, das kann ich mit bei ihrer Veranlagung vorstellen. Sie kam ja dann am Abend noch auf ihre Rechnung. Dich haben sie nicht vergessen. Sie haben also von ihren Spielsachen geopfert. Daß Ihr Euch bei einer Kerze an dem Abend zusammengesetzt habt, daran habt Ihr recht getan.  Wenn Ihr dann noch Weihnachtslieder gesungen habt, so wird das die Stimmung noch wesentlich erhöht haben.  Die Briefe der Kinder kann ich heute nicht mehr beantworten. Ich schreibe aber, sobald es mir möglich ist an sie, damit sie nicht denken, ich würde sie vergessen. Vertröste sie bitte noch auf einige Tage.  Nimm recht schöne Grüße entgegen und lasse Dich herzlich küssen, wie ich Dich bitte auch die Kinder zu küssen von Deinem Ernst.

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