Meine
liebste Annie ! 15.1.43
Viel
Freude haben mir Deine beiden Briefe vom 4. und 5. bereitet, die ich heute
bekam. Auch die beiliegenden von den Kindern haben mir sehr gefallen. Der Mond,
die Sonne, scheinen sie gegenwärtig stark zu beschäftigen. Auch die vergangenen
Weihnachtstage haben sich in den Zeichnungen der Weihnachtsbäume
wiedergespiegelt. Alles ist sehr nett
gemacht. Ich kann ihnen nun nicht auf jeden Brief antworten. Ich habe ja
inzwischen wieder geschrieben. Bei Gelegenheit werde ich es wieder tun, sie
müssen mir aber etwas Zeit dazu lassen, denn Du weißt ja selbst, daß ich immer
vollauf beschäftigt bin. Ich kann ihnen aber versichern, daß sie mir immer viel
Freude mit ihren Äußerungen bereiten. Das Märchen von unserem Jungen ist so
richtig kindlich, aber man sieht, daß sich der Bengel mit den Dingen
beschäftigt. Eure wichtige Frage wegen
des Reviers muß ich nun gleich beantworten, damit Ihr nicht allzu lang auf die
Folter gespannt seid und nicht noch weitere schlaflose Nächte unnötig
verbringen müsst. Ihr seid ja direkt in eine Zwangslage gekommen und bald wird
ein Familienstreit ausbrechen. Laßt es aber bitte nicht soweit kommen. Soll ich
es Euch erzählen oder soll ich es bleiben lassen. Ich musste am Ende doch erst
feststellen, welchen Grad dieses Auseinandergehens der Meinungen schon
eingenommen hat. Ich glaube aber, daß schließlich doch mein gutes Herz siegt.
Ich könnte ja erst doch die anderen Dinge erledigen und wenn am Ende des
Briefes noch Platz ist, darauf zurückkommen. Die Geschichte fängt nun so an.
Ein leerer Saal mit Eingang und Fenstern, der einfarbig gestrichen ist. In dem
14 Betten stehen. In diesen Betten befinden sich zum Teil Kranke und zum
anderen Teil kleine, weil die anderen Kameraden noch gesund sind. Ach so, die
Größe des Zimmers wollt Ihr auch noch wissen. Ja, das kann man so einfach nicht
sagen. Aber ich muß erst noch einflechten, ich hatte ganz vergessen, daß Decke,
Fußboden und Wand auch vorhanden sind. Und nun die Größe. Ja, dieses Revier ist
wahrscheinlich etwas größer wie ein Klassenzimmer, aber bestimmt nicht mehr,
und weniger wohl kaum. Ja, das klingt wohl alles etwas umständlich, aber es ist
doch wahr und ich denke, daß ich den Kernpunkt der Sache gestreift habe. Ich bin heute ganz gut aufgelegt, denn ich
habe ja zwei Briefe von Dir erhalten. Es ist aber noch etwas anderes. Ich habe
heute zwei Flaschen Öl für Dich besorgt. Ich kann Dir nicht sagen, was das für
mich für eine Freude ist. Ich weiß ja genau, was das für Dich bedeutet. Die
Frage ist nur noch, wie ich es nach hause transportiere. Aber eine Flasche
werde ich vielleicht einem Urlauber andrehen, der sie an Dich in der Heimat
aufgibt. Nach langer Zeit war ich heute im Kino. Es war eine Veranstaltung für
unsere Gruppe. Am Nachmittag wurde ein Unterhaltungsfilm mit Marika Röck
gegeben. Inhaltlich war es ein großer Schmarrn, aber die Wochenschau war sehr
schön. Es war eine mit den Bildern von Weihnachten. Als ich die Kinder auf der
Leinwand sah, da wurde es mir wieder etwas weich zumute. Aber was nutzt das
alles, man muß sich immer wieder sagen, diese Trennung von der Familie muß aus
wichtigen Grünen sein. Heute Abend war noch einmal eine Kinovorstellung und
zwar wurde der Film „ Die Entlassung“ gespielt, der mir sehr gut gefallen hat.
Jetzt bin ich aber für die wenigen Kinobesuche in der vergangenen Zeit
reichlich entschädigt worden. Dann hat mir heute noch etwas Spaß gemacht. Heute
früh, als ich kurz nach 6 Uhr aufstand,
da stand die Sonne schon am klaren blauen Himmel und die Bäume waren so
schneebereift. Die Sonne hat dann das Weiß der Bäume fein durchgoldet. Als ich
dann ins Freie kam, da wehte eine frische Luft. Es wurde mir gesagt, es wären
um 30 Grad Kälte gewesen. Ich habe heute Vormittag eine Weile im Freien zu tun
gehabt. Deine Fausthandschuhe habe ich mir herausgesucht. Da habe ich die Kälte nicht so sehr
empfunden. Frisch war es aber schon.
Ich bin nun wieder müde geworden. Lasse mich bitte schließen. Ich möchte
Dir aber noch für die gesandten Zeitungen danken, die ich heute erhalten habe.
Sie sind gut angekommen. Lasse Du Dich
und die Kinder vielmals grüßen und gleichfalls vielmals küssen von Deinem
Ernst.
Meine
liebste Annie ! 15.1.43
Ich
will versuchen, Dir heute schon am Nachmittag meinen Brief anzufangen, weil ich
etwas Luft habe. Man muß diese Gelegenheit ausnutzen, auch schon deshalb, weil
man nicht hier sitzen kann, denn dann entsteht der Eindruck, daß man nichts zu
tun hätte. Das ist im allgemeinen nicht der Fall. Unser Chef war ja über
Weihnachten daheim im Urlaub und er wird in diesen Tagen zurück erwartet. Dann
geht es im gestreckten Galopp weiter. Ich habe es bis jetzt geschafft, wenn
auch manchmal mit Mühe, aber es ist immer gegangen. Hoffen wir, daß es auch
weiter so geht. Jetzt ist es
empfindlich kalt geworden. Ich habe mir heute den dicken Pullover, den Du mir
vor vielen Jahren gemacht hast, angezogen.
Ich bin direkt froh darum. Bei uns am Fenster zieht es tüchtig herein. .
Da kann man etwas wärmere Sachen sehr gut gebrauchen. Dieser Pullover ist doch schon viele Jahre alt, und ich muss
sagen, daß er mir bisher gute Dienste geleistet hat. Gerade in solchen Tagen
ist man um ein warmes Kleidungsstück besonders froh, wenn ich daran denke, wie
wir es im vergangenen Sommer so warm hatten und wie es noch die ganze Zeit bis
jetzt ausgehalten hat. Wie ich aber schon vermutete, hat sich die Kälte im
Januar eingestellt. Froh kann man sein, daß es sich noch solange gehalten hat. Es ist nun gleich Feierabend und ich bin
also doch noch nicht zu Ende gekommen mit meinem Brief. Inzwischen ist auch
Dein Brief vom 2.1. eingetroffen. Zur Zeit brauchen die Briefe ziemlich lange,
bis sie ankommen. Man kann aus dem Posteingang immer schließen, daß wieder
Störungen eingetreten sind, weil andere Transporte wichtiger gewesen sind und
Vorrang haben. Du bedankst Dich für den
Honig. Damals hattest Du ihn ja noch nicht. Ich hoffe aber, daß Du ihn jetzt
erhalten hast, denn ich hatte ihn einem Kameraden mitgegeben, der das Päckchen
an Dich weiterleiten sollte. Wie ich Dir schon schrieb, habe ich nochmals
welchen zu kaufen bekommen. Eine große Weinflasche voll habe ich auch wieder
zusammengespart. Das ist nich immer der gleiche Honig, aber das macht ja
nichts. Wenn Du den bekommst, dann mußt
Du ihn nochmals richtig schleudern, damit er richtig durcheinanderkommt. Es ist
aber alles guter Honig, das wirst Du selbst feststellen können. Der eine Brief
von mir vom 17.12. ist aber reichlich lang gegangen. Ich hoffe, daß die Briefe aus
der letzten Zeit nicht solange gebraucht haben. Sage mal, kannst du die Zeitung nicht woanders bestellen. Das ist
doch wirklich kein Vergnügen, sich dauernd mit diesem Weibsstück
herumzuschlagen. Ich kann das zwar nicht beurteilen, wie das mit solchen Sachen
ist, aber vielleicht geht es doch woanders, dann könntest Du Dir diesen Ärger
sparen. Mit dem Kelleraufräumen habe ich mich nie gern befasst. Das hast Du
früher schon immer machen müssen. Ich weiß, daß Du das nicht immer lange mit
ansehen konntest, dann hast Du Dich darüber hergemacht. Im Winter ist das eine
wenig angenehme Beschäftigung, aber sie muß eben einmal gemacht werden. Wegen
des Papiers bei den Zeitungen brauchst Du Dir keine Gedanken zu machen, denn
die gehen nicht so leicht verloren. Von der Beschränkung über die
Weihnachtszeit habe ich gewusst, ich denke aber, daß sie jetzt aufgehoben
ist. Wenn das die alten Schirme sind,
die ich seinerzeit einmal mit aus dem Amt mitgebracht habe, dann haben die wohl
bald ihren Dienst getan. Es ist ja gut, wenn sie noch einmal zurechtgestutzt
worden sind, dann erfüllen sie doch eine Weile ihren Zweck. Ich wollte ja in
Frankreich damals noch einen für Dich erstehen, aber das hatte dann nicht mehr
geklappt. Ich finde es sehr schade, aber ich sage mir, daß ich trotzdem mit
dem, was ich so habe für Euch anschaffen können, zufrieden bin, und das es gut
war, daß ich damals auf die Geldsendungen so drängte. Manchmal wäre es
vielleicht besser gewesen, man hätte noch mehr Geld hinübergeschickt, denn
diese Sachen sind Euch doch jetzt immer wieder zustatten gekommen. Aber sind
wir zufrieden, was wir geschafft haben, das ist immerhin etwas gewesen. Sei recht schön gegrüßt und nimm viele
herzliche Küsse entgegen von Deinem Ernst.
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