Meine
Liebste, liebste Annie! 19.1.43
Es
ist heute nicht so spät wie gestern, ich komme schon am späten Nachmittag dazu,
wenigstens meinen Brief an Dich anzufangen. Wenn es sich irgendwie machen läßt,
dann schreibe ich Dir, das kennst Du ja nun schon durch die lange Zeit, die wir
uns auf diese Weise verständigen müssen.
Von den Päckchen muß ich heute noch einmal berichten. Ich sende ja jeden
Tag eins ab. Die ich fertiggemacht habe, wiegen alle über das zulässige
Gewicht. Es kann also sein, daß Du noch in der Heimat weitere 20 Pfennig
zuzahlen mußt. Das macht aber nichts weiter aus, denn ich bin sehr froh darum,
daß ich das Verpackungsmaterial so weit ausnutzen kann. Ich habe alles in
Wellpappe verpackt. Ich hoffe, daß die Sachen nicht beschädigt werden. Der
Auftakt des Jahres ist nicht schlecht, denn ich habe wieder 2 kg Mehl in
Aussicht, die dann anschließend an Dich abgehen. Das Öl wird Dir sicher eine
große Hilfe sein, denn da kannst Du doch wieder Puffer und andere Sachen
backen, zu denen Du sonst das andere Fett verwenden mußt. Ich bin gespannt, ob
alles gut ankommt und was Du dazu sagst. Ich sende deshalb nicht alle Päckchen
mit einem Male weg, weil es vorkommen könnte, daß durch irgendwelche Einflüsse
eine ganze Ladung verloren geht, dann wäre womöglich alles weg. So ist dann
doch ein Teil in Mitleidenschaft gezogen, wenn schon etwas damit passieren
sollte. Solange diese Dinge noch nicht
bei dir sind, ist es immer ein Risiko. Aber wenn ich bedenke, ist uns von den
vielen Päckchen noch nicht sehr viel verloren gegangen. Im letzten Jahr habe
ich 106 Päckchen, die ich nummeriert hatte, abgesandt. Ich glaube, 3 oder 4
haben Dich davon nicht erreicht. Für mich wie auch besonders für Dich ist das ärgerlich, wenn nur eines verloren
geht. Aber wenn man dann so das Jahr
übersieht, summieren sich diese Sendungen doch, so daß man sagen kann, diese
Zuwendungen sind nicht unbeträchtlich. Ich will mir damit nun kein Denkmal
setzen, aber es ist doch interessant, sich dies einmal zu vergegenwärtigen.
Soeben kommt unser Postholer zurück und teilt mit, daß es heute nicht gegeben
hat. Ja, die Versorgung ist in letzter Zeit nicht gerade besonders gut. Wenn
aber andere Transport vorgehen, dann müssen eben diese Sendungen zurückbleiben.
Es ist zwar nicht angenehm für uns, aber man muß es hinnehmen. Der von Alice angekündigte Brief wird wieder
sehr groß ausfallen. Über dieses Thema habe ich kürzlich schon einmal
ausführlich geschrieben, im wesentlichen habe ich nichts mehr dazuzufügen. Bei
unserem letzten Zusammentreffen gab sie als Ausrede an, daß sie die
Feldpostnummer nicht gewußt hätte und daß ich ihr auch nicht geschrieben hätte.
Das ist nu alles nicht der Fall, denn ich habe mehrere Male von mir hören
lassen. Die Schuld liegt also keinesfalls an mit oder an uns. Ihrem Vater wird
soe wohl öfter schreiben, denn diese Quelle scheint nahrhafter zu sein. Das muß
man ihr aber lassen, denn das ist ihre Eigenart. Das Leeren des Weihnachtsbaumes war sicherlich ein besonderes
Geschäft für unsere Kinder. Sie werden
es als eine Auszeichnung betrachtet haben, wenn sie es ohne Mithilfe tun
durften. Schön ist es, wenn man ihn zurecht machen kann, aber auch das Ableeren
macht Vergnügen, vor allem, wenn noch verschiedene Sachen zum Naschen darauf
sind. In Friedenszeiten ist das alles ergiebiger, aber sie sind auch mi dem
zufrieden, was es jetzt gibt. . Daß sich noch andere brauchbare Sachen,
wenigstens vom Standpunkt der Kinder aus gesehen, darunter befinden, das ist
eine altbekannte Tatsache. Die Sachen liegen ja nun wieder ein Jahr auf dem
Speicher und kommen erst wieder am Ende des Jahres zum Vorschein. Daß sich
dadurch allerhand romantische Gedanken damit verbinden, ist ohne weiteres
verständlich. Ich grüße Dich und die
Kinder recht herzlich. Richte an Vater
ebenfalls schöne Grüße aus. Dich, mein liebes Mädel, küsse ich recht fest und
bin immer Dein Ernst.
Mein
liebes Mädel ! 20.1.43
Ich
habe heute nacht Dienst. Eine neue, anscheinend aber nur vorübergehende
Einrichtung bei uns. Aber ich muß eben hier sitzen, daran läßt sich nichts
ändern. Ich habe die Gelegenheit benutzt und habe meine schon länger gehabte
Absicht wahrgemacht und habe unserem Jungen geschrieben, denn nachdem ich an
Helga geschrieben hatte, war einer an ihn fällig. Ich habe ihm auf sein Märchen
etwas geschrieben. Ich will ihn damit nicht schulmeistern, sondern nur zu neuem
Wirken anregen. Hoffentlich habe ich das damit erreicht. Man wird zu allem
möglichen, wenn solche Anregungen von seinen Kindern erhält. Ich habe dies
gleich in die Maschine genommen. Als ich es durchlas, merkte ich, daß manches
noch sehr abänderungsbedürftig wäre, aber dazu reicht mir leider wieder die
Zeit nicht. Darum habe ich es so wie es ist, zur Absendung gebracht. Durch
diese Schreiberei bleibt doch die Verbindung auch mit den Kindern einigermaßen
aufrechterhalten. Das beruhigt auch
mich ein wenig, weil man durch die lange Trennung sich sonst nach und nach
entfremden würde. Auch heute kam für
uns alle keine Post an, Dies nimmt man ganz gern mit in Kauf, wenn man weiß,
daß dringende Transporte zur Zeit vorgehen, weil es die gegenwärtige Lage es
dringend erfordert. Ich hoffe, daß sich die Lage bald wieder soweit
stabilisieren wird, daß auch an unsere gedacht werden kann. Daß dadurch mein
Schreibstoff sehr mager geworden ist, wird Dir auch verständlich sein. Zudem
bin ich durch langes angespanntes Arbeiten etwas übermüdet. Du hast da
sicherlich Verständnis dafür. Ganz ohne Gruß will ich Dich aber trotzdem nicht
lassen. Mit vielen Grüßen und recht
herzlichen Küssen bin ich wie immer mit vieler Liebe Dein Ernst.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen