Donnerstag, 25. Januar 2018

Brief 370 vom 19./20.01.1943


Meine Liebste, liebste Annie!                                                   19.1.43  
     
Es ist heute nicht so spät wie gestern, ich komme schon am späten Nachmittag dazu, wenigstens meinen Brief an Dich anzufangen. Wenn es sich irgendwie machen läßt, dann schreibe ich Dir, das kennst Du ja nun schon durch die lange Zeit, die wir uns auf diese Weise verständigen müssen.  Von den Päckchen muß ich heute noch einmal berichten. Ich sende ja jeden Tag eins ab. Die ich fertiggemacht habe, wiegen alle über das zulässige Gewicht. Es kann also sein, daß Du noch in der Heimat weitere 20 Pfennig zuzahlen mußt. Das macht aber nichts weiter aus, denn ich bin sehr froh darum, daß ich das Verpackungsmaterial so weit ausnutzen kann. Ich habe alles in Wellpappe verpackt. Ich hoffe, daß die Sachen nicht beschädigt werden. Der Auftakt des Jahres ist nicht schlecht, denn ich habe wieder 2 kg Mehl in Aussicht, die dann anschließend an Dich abgehen. Das Öl wird Dir sicher eine große Hilfe sein, denn da kannst Du doch wieder Puffer und andere Sachen backen, zu denen Du sonst das andere Fett verwenden mußt. Ich bin gespannt, ob alles gut ankommt und was Du dazu sagst. Ich sende deshalb nicht alle Päckchen mit einem Male weg, weil es vorkommen könnte, daß durch irgendwelche Einflüsse eine ganze Ladung verloren geht, dann wäre womöglich alles weg. So ist dann doch ein Teil in Mitleidenschaft gezogen, wenn schon etwas damit passieren sollte.  Solange diese Dinge noch nicht bei dir sind, ist es immer ein Risiko. Aber wenn ich bedenke, ist uns von den vielen Päckchen noch nicht sehr viel verloren gegangen. Im letzten Jahr habe ich 106 Päckchen, die ich nummeriert hatte, abgesandt. Ich glaube, 3 oder 4 haben Dich davon nicht erreicht. Für mich wie auch  besonders für Dich ist das ärgerlich, wenn nur eines verloren geht.  Aber wenn man dann so das Jahr übersieht, summieren sich diese Sendungen doch, so daß man sagen kann, diese Zuwendungen sind nicht unbeträchtlich. Ich will mir damit nun kein Denkmal setzen, aber es ist doch interessant, sich dies einmal zu vergegenwärtigen. Soeben kommt unser Postholer zurück und teilt mit, daß es heute nicht gegeben hat. Ja, die Versorgung ist in letzter Zeit nicht gerade besonders gut. Wenn aber andere Transport vorgehen, dann müssen eben diese Sendungen zurückbleiben. Es ist zwar nicht angenehm für uns, aber man muß es hinnehmen.  Der von Alice angekündigte Brief wird wieder sehr groß ausfallen. Über dieses Thema habe ich kürzlich schon einmal ausführlich geschrieben, im wesentlichen habe ich nichts mehr dazuzufügen. Bei unserem letzten Zusammentreffen gab sie als Ausrede an, daß sie die Feldpostnummer nicht gewußt hätte und daß ich ihr auch nicht geschrieben hätte. Das ist nu alles nicht der Fall, denn ich habe mehrere Male von mir hören lassen. Die Schuld liegt also keinesfalls an mit oder an uns. Ihrem Vater wird soe wohl öfter schreiben, denn diese Quelle scheint nahrhafter zu sein. Das muß man ihr aber lassen, denn das ist ihre Eigenart.  Das Leeren des Weihnachtsbaumes war sicherlich ein besonderes Geschäft für unsere Kinder.  Sie werden es als eine Auszeichnung betrachtet haben, wenn sie es ohne Mithilfe tun durften. Schön ist es, wenn man ihn zurecht machen kann, aber auch das Ableeren macht Vergnügen, vor allem, wenn noch verschiedene Sachen zum Naschen darauf sind. In Friedenszeiten ist das alles ergiebiger, aber sie sind auch mi dem zufrieden, was es jetzt gibt. . Daß sich noch andere brauchbare Sachen, wenigstens vom Standpunkt der Kinder aus gesehen, darunter befinden, das ist eine altbekannte Tatsache. Die Sachen liegen ja nun wieder ein Jahr auf dem Speicher und kommen erst wieder am Ende des Jahres zum Vorschein. Daß sich dadurch allerhand romantische Gedanken damit verbinden, ist ohne weiteres verständlich.  Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich.  Richte an Vater ebenfalls schöne Grüße aus. Dich, mein liebes Mädel, küsse ich recht fest und bin immer Dein Ernst.

Mein liebes Mädel !                                                                        20.1.43  
        
Ich habe heute nacht Dienst. Eine neue, anscheinend aber nur vorübergehende Einrichtung bei uns. Aber ich muß eben hier sitzen, daran läßt sich nichts ändern. Ich habe die Gelegenheit benutzt und habe meine schon länger gehabte Absicht wahrgemacht und habe unserem Jungen geschrieben, denn nachdem ich an Helga geschrieben hatte, war einer an ihn fällig. Ich habe ihm auf sein Märchen etwas geschrieben. Ich will ihn damit nicht schulmeistern, sondern nur zu neuem Wirken anregen. Hoffentlich habe ich das damit erreicht. Man wird zu allem möglichen, wenn solche Anregungen von seinen Kindern erhält. Ich habe dies gleich in die Maschine genommen. Als ich es durchlas, merkte ich, daß manches noch sehr abänderungsbedürftig wäre, aber dazu reicht mir leider wieder die Zeit nicht. Darum habe ich es so wie es ist, zur Absendung gebracht. Durch diese Schreiberei bleibt doch die Verbindung auch mit den Kindern einigermaßen aufrechterhalten.  Das beruhigt auch mich ein wenig, weil man durch die lange Trennung sich sonst nach und nach entfremden würde.  Auch heute kam für uns alle keine Post an, Dies nimmt man ganz gern mit in Kauf, wenn man weiß, daß dringende Transporte zur Zeit vorgehen, weil es die gegenwärtige Lage es dringend erfordert. Ich hoffe, daß sich die Lage bald wieder soweit stabilisieren wird, daß auch an unsere gedacht werden kann. Daß dadurch mein Schreibstoff sehr mager geworden ist, wird Dir auch verständlich sein. Zudem bin ich durch langes angespanntes Arbeiten etwas übermüdet. Du hast da sicherlich Verständnis dafür. Ganz ohne Gruß will ich Dich aber trotzdem nicht lassen.  Mit vielen Grüßen und recht herzlichen Küssen bin ich wie immer mit vieler Liebe Dein Ernst.

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