Mein
liebster Schatz ! 12.12.42
War
das aber eine liebe Überraschung. Zwei Briefe erhielt ich heute von Dir. Dazu
die zwei Briefe von unserer Helga und einer vom Jungen. Ich habe mich mächtig
gefreut, wie Ihr alle so liebe an mich gedacht habt. Deinen Brief vom 28.11.
bekam ich Gestern. Ich konnte ihn aber
nicht beantworten, weil ich den Weihnachtsbrief an Dich schrieb. Ich will ihn
deshalb heute gleich mit beantworten. Wir haben zur Zeit sehr strengen Dienst
und sehr viel zu tun. Früher kam ich am Tage immer noch einmal dazu, einen
Brief anzufangen, doch das ist jetzt ganz undenkbar. Abends bin ich redlich
müde, aber ich habe keine richtige Ruhe, wenn ich nicht an Dich geschrieben
habe, denn ich weiß, daß Du daheim auf Post wartest. Ich lese gerade in Deinen
Briefen, wie Du in großer Sorge schreibst wegen der Feldpostpäckchen, ob die
auch an die richtige Nummer gerichtet sind. Inzwischen habe ich Dir schon
bestätigen können, daß Deine Sorge unberechtigt ist. Ich hoffe, daß Dich diese
Nachricht bald erreicht hat. Ich kann mir vorstellen, wie ärgerlich das für
Dich wäre, wo Du Dir soviel Mühe gegeben hast, ganz abgesehen davon, daß Du
keine Zulassungsmarken mehr dafür bekommen würdest. Du hast ja schon galante Abenteuer mit Soldaten. Das geht ja
schon ziemlich weit, oder besser gesagt, Du gehst schon ziemlich weit mit
ihm bis an die Kaserne. Ich sehe, daß
es Dir Freude gemacht hat, einem verwundetem Menschen zu helfen. Der weiß aber,
was er Dir schuldig war, denn er hat Dich doch mit „gnädige Frau“ angesprochen.
Helgas erster Brief ist mit Schwung und viel Freude geschrieben worden, das
merkt man aus jedem Wort heraus. Es hat mich sehr gefreut. Man glaubt, sie
jauchzen zu hören, wenn man ihr Schreiben liest. Obwohl alles kindlich unbekümmert
geschrieben ist, merkt man aber schon heraus, daß sie einige Übung gewonnen
hat. Mit welcher Sicherheit sie ihr b.w. nach jeder vollgeschriebenen Seite
setzt, das hat mich direkt belustigt. Das sieht schon nach sehr viel Erfahrung
aus. Sie schildert so nett die Stimmung, die zuhause herrscht und fragt dann so
teilnehmend „gefällt Dir das nicht?“ Das würde mir auch gefallen, mit unseren
Stromern zusammen zu sitzen, wenn es so gemütlich ist, wie sie schreibt. Alles
zeigt, daß sie gut beobachtet und empfindet. Sie bekommt es auch ganz geschickt
auf das Papier. Das Sparkonto wächst bei den Kindern aber in schöner Weise an.
Ich glaube, daß sie sehr stolz darauf sind. Sie sind ja auch sehr darauf
bedacht, ihr Geld zusammenzuhalten. Es ist ja auch schöner, als wenn sie es
naschen würden. Was man sich in diesen Kriegszeiten leisten kann, das bekommen
sie. Ich kann immer nur feststellen, daß sie trotz dieser schwierigen Zeiten im
Verhältnis noch mehr haben, als wir Kinder. Ich gönne es ihnen und freue mich,
daß sie es immerhin so gut lohnen. Sie sind ja auch gesund und normal
entwickelt. Daß ihre Spannung auf das Weihnachtsfest groß ist, kann ich mir gut
vorstellen. In den Briefen kommen Weihnachtsbaum und Tannenzweige als
Vorzeichen auf Weihnachten in Erscheinung. Es ist mir eine Freude, von ihnen zu
lesen, wie sie auf den Tag warten, da sie den Adventskalender aufmachen dürfen,
wie sie auf den Nikolaustag und auf die Veranstaltung im Theater gewartet
haben. Fast muß ich es bezweifeln, wenn Du bis zum Monatsanfang noch keinen
meiner laufenden Briefe bekommen hast, Ich will aber auch für Dich hoffen, daß
sich auch das wieder einspielt und damit Du nicht allzu lange warten
musst. Laß mich heute bitte schließen,
denn es ist reichlich spät. Ich bin erst spät zum Schreiben heute gekommen.
Morgen ist zwar Sonntag, aber viel haben wir ja nicht davon. Der Vorteil liegt
darin, daß wir ½ Stunde später anfangen. Wenn es geht, werde ich am Nachmittag
frei machen, denn ich bin die ganze Woche nicht aus dem Bau gekommen und habe dabei
streng schuften müssen. Mein liebes Mädel, bleibe gesund. Ich hoffe, daß Ihr
bei den gestrigen Anflügen in die Schweiz nicht in Mitleidenschaft gezogen
worden seid. Wahrscheinlich seid Ihr im Keller gewesen. Nehmt Ihr alle recht viele Grüße und herzliche
Küsse entgegen von Deinem Dich liebenden Ernst.
Mein
liebster Schatz ! 13.12.42
Am
Sonntag sitze ich nun auf meiner provisorischen Unterkunft, die ich ja wieder
einmal gewechselt habe. Ich habe mich im Büro eines beurlaubten Kameraden
einquartiert. Wie mir mein Chef aber mitteilte, soll das nur noch kurze Zeit
dauern. Man will mir nun auch ein Einzelzimmer zuweisen. Das wird aber noch
einige Tage brauchen, bis es hergerichtet ist. Ich wäre froh, wenn ich endlich
einmal aus dem Zustand „des Aus dem Koffer Lebens“ heraus käme. Man kommt sich
vor wie wenn man auf Reise wäre und müsste jede Stunde abrücken. Ich habe nun
verschiedene Lebensweisen kennen gelernt. So macht das einmal nichts aus, wenn
ich auch diesen Geschmack mitbekomme, nur zu lange darf es nicht dauern. Schön wäre es dann, wenn ich noch einen
Radioapparat hätte, dann könnte man sich in der freien Zeit etwas Musik
anhören. Aber das wäre des Guten zuviel. Wenn es soweit sein wird, denn
versprochen hat man mir schon einen, dann muss doch etwas schief gehen, denn
dann wäre doch das Leben hier zu vollkommen und dann müsste ja zwangsläufig eine Änderung eintreten. Ich
habe zwar erst kürzlich die Schlappe einstecken müssen mit der Verpflegung.
Heute zum Beispiel ist es nichts mit dem Kaffeetrinken am Nachmittag. Ich habe aber noch etwas Likör in Vorrat,
von dem habe ich mir etwas eingeschenkt. Wir haben am Nachmittag zwar
dienstfrei, es fehlt aber irgendwas zum Sonntagnachmittag. Erst habe ich
geschlafen, dann habe ich mit hingesetzt und habe angefangen, Dir zu schreiben.
Um das Bild etwas abzurunden, habe ich etwas Likör getrunken; viel nicht, denn
man muss ihn einteilen, damit man länger daran hat. Später will ich noch in das
Variete gehen. Unser Inspektor, mit dem
ich früher immer ging, der ist ja weg.
Ich habe mir unseren Unteroffizier eingeladen, den wir neu in unserer
Abteilung haben. Ich will einmal sehen, ob man mit ihm umgehen kann. Er ist
wohl bedeutend jünger als ich, aber man muss sich mit den Menschen abfinden,
die nun einmal da sind. Der Nachfolger unseres Inspektors hat keinen kleinen
Spleen. Dagegen kann man nun nicht an.
Gestern erhielt ich allerhand Zeitungen von Dir, für die ich Dir recht
danke. Ich habe schon angefangen mit Schmökern, habe aber bei dem gegenwärtig
herrschenden Dienst noch ein paar Tage damit zu tun. Ich bedauere, daß Du so
lange auf Post von mir hast warten müssen. Es hat mich da nur einigermaßen
beruhigt, daß ich Dir gleich durch Luftpost geschrieben habe, damit Du fürs
erste einmal beruhigt warst. Ich muss immer wieder Dein Schreiben lesen und die
der Kinder. Ich freue mich, wie die Kinder auf das Weihnachtsfest warten. Ich
sehe sie so vor mir, wie sie Tannenzweige malen, vom Fest erzählen und ihre
Spiele ganz und gar auf Weihnachten einrichten. Ich bedauere immer wieder,
nicht mit dabei sein zu können, um das zu erleben. An den Weihnachtsliedern werden sie sich auch erfreuen und ihre
Stimmung steigern. Ihre Gedanken bewegen sich ja nun in erster Linie um die
kommenden Tage. Das ist auch mit das Schönste, was ein Kind erleben kann.
. Aus der Vorstellung bin ich nun
zurückgekehrt. Habe mein schmales Abendbrot gegessen. Ich bin auch satt
geworden, Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen, ich verhungere hier nicht,
denn Brot erhalte ich immer noch soviel, daß wir ausgleichen können. Im übrigen
werde ich mir schon wieder helfen, da musst Du Dir bestimmt keine Gedanken zu
machen. Es ist nur noch der Unterschied zu überwinden, das ist nun ziemlich
soweit. Dieser Wechsel kann an sich nichts schaden, denn ich bin jetzt die
Sorge los, wie ich die Speckschicht, die sich anzusetzen drohte,
abtrainiere. Wie ich aus Deinen Briefen
sehe, sparst Du fleißig weiter und hast nun die 500 überschritten. Die Kinder
haben ha auch eine schöne runde Summe zurückgelegt. Vater gibt sich, wie ich
sehe, immer wieder Mühe, zwar mit bescheidenen Mitteln immer helfend
einzugreifen. Das holz kannst Du ja ganz gut gebrauchen. Ich weiß, wenn er
einmal sich hinsetzt, dann steht er nicht so bald wieder auf. Er ist eben über
das Alter hinaus, wo man noch wer weiß wie herumspringt. Er sieht es selbst
ein. Früher war es ihm dagegen nicht angenehm, wenn man es ihm sagte. Es läßt
sich aber nicht mehr verbergen. Du strengst Dich aber ziemlich an, mit dem
Tausch von Rauchware für Deinen Vater und für Siegfried. So große Sprünge wie
in der Friedenszeit kann man nun einmal nicht machen, ich schreibe dies nicht
etwa, um Deine Maßnahmen zu missbilligen.
Das ist sehr schön, daß Helga Dich beim Waschen unterstützt hat. Man
merkt daraus, wie unsere Krott älter und größer wird. Sag mal, was hast Du
gehabt, wenn Du so blau ausgesehen hast? War es Dir nicht gut oder hast Du
gefroren? Werde mir nur nicht krank und gib Obacht. Vor allem schone Dich, wenn
es Dir nicht gut ist. Lasse lieber einmal eine Arbeit liegen, es wird sich
schon wieder einrichten. Spart nicht so sehr mit der Heizung. Ich weiß wohl,
daß der Winter lang ist, aber deshalb müsst Ihr nicht kalt haben. In wenigen
Tagen haben wir schon den halben Dezember herum. In kurzer Zeit geht es wieder
aufwärts, das kann nichts schaden. Jörg hat sich sicher gefreut, als er im
Waschhaus mit seinen Schiffen in der Wäschewanne spielen konnte. Unsere Helga
ist mächtig groß geworden. Ich habe es im Urlaub wieder gemerkt. Was aber das
Fahrrad anbetrifft, so versuche es doch einmal mit meiner Anregung und gib eine
Anzeige in der Zeitung auf. Wenn es beim ersten Mal nicht hilft, vielleicht
beim zweiten Mal. Es ist nicht verwunderlich, wenn die Polizei der Ansicht ist,
sie sei zu groß zum Mitnehmen. So groß ist die Ausgaben nicht für die Anzeige,
und man hat es dann einmal versucht. Für unseren Oberstromer ist es wohl noch
nicht so notwendig. Webers haben doch für ihren Jungen ein Rad. Ob die das noch
haben und es verkaufen. Schreibe mir einmal, was Du von diesen Anregungen
hältst. Wenn Du der Ansicht bist, es sei noch nicht notwendig, dann soll es mir
auch recht sein. Die Schreiben unserer
beiden Trabanten werde ich bald beantworten, sowie ich Zeit dazu habe. Es geht
im Moment nicht mehr und wie noch vor einiger Zeit, wo ich mir das einrichten
konnte. Sage ihnen aber, daß ich mich recht herzlich darüber gefreut habe und
auf weitere solche Briefe warte, denn sie sind mit eine liebe Abwechslung und
Entspannung. Dir mein Schatz sende ich
heute recht herzlich und viele Grüße und bin in Liebe immer mit vielen Küssen
Dein Ernst.
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