Mittwoch, 3. Januar 2018

Brief 360 vom 25./26.12.1942


Mein lieber Schatz !                                                                  25.12.42      
 
Mitten stehen wir noch in den Festtagen. Ihr seid bei Euch allein und ich bin für mich. Es ist sehr einsam und meine Gedanken wandern täglich zu Euch, was Ihr wohl machen werdet. Ich kann Euch aber nicht herzwingen. Ich weiß nur mit Bestimmtheit, daß sich unsere Gedanken treffen. Der Weg ist so weit und Ihr seid so fern. Ich danke Dir, mein lieber Mädel, für das schöne Weihnachten, das Du mir bereitet hast. Ich sitze allein auf meiner Bude.  Vorhin habe ich unter meinen Strauß von Tannenreis eine Kerze gestellt. Die Flamme flackerte und zeichnete Schatten an die Wand. Es ist geschmückt mit dem Lametta, das sich in Deinen lieben Päckchen befand. Die Gedanken hatten sich versponnen und sehen im Geiste und im Schatten den Baum daheim, der in der Stube steht, ich sah auch, wie ihr gestern Abend unter dem Baum standet. Die Kinder waren freudig überrascht, weil sie sich nicht denken konnten, daß sie trotz der langen Kriegsdauer so beschert werden. Ich sah aber auch die Lücke und den Platz, den ich immer eingenommen hatte. Aber unterbrechen wir dies alles, lasse mich in meine Gegenwart zurückkommen.  Ich habe mich gestern Abend nach Dienstschluss gegen ½ z Uhr hingesetzt, habe erst Deinen lieben Weihnachtsbrief gelesen und mich dann anschließend an das Öffnen Deiner Päckchen gemacht. Herzlich danke ich Dir für alles.  Den Schal und die Socken werde ich gut gebrauchen können, wenn es kälter werden sollte. Der Schal sieht sehr schön aus, man sieht, daß Du Dir viel Mühe damit gegeben hast. Die Bücher hatte ich mir flüchtig angesehen, heute aber habe ich mich schon über den Inhalt hergemacht. Das Gebäck habe ich probiert, es schmeckt wie immer und Du hast mir das Zurückversetzen in die Heimat leichter gemacht. Das kleine Kästchen für den Rasierapparat werde ich seiner gedachten Verwendung zuführen. Ich kann Dir nur von meiner freudigen Überraschung berichten, denn es ist zu schade, daß ich es Dir nicht selbst zeigen kann, wie ich mich über alles gefreut habe. Es hat alles Eure Liebe ausgestrahlt. Wieder hattest Du die Sachen so schön verpackt, Zettel von Dir und den Kindern verstärkten den weihnachtlichen Charakter. Ich danke Euch vielmals für alle Eure Liebe und seid versichert, daß ich sie Euch erwidere.  Es ist ja nur zu schade, daß wir dies nicht in die Tat umsetzen dürfen, diesen Wunsch müssen wir aber bis zum nächsten Urlaub zurückstellen.  Wie für das Fest bestellt, so fing es Gestern wieder an zu schneien an. Alles sah schön weiß aus. Es bekam alles einen festlichen Anstrich. Die Musik im Radio wirkte mit dahin, daß langsam weihnachtliche Stimmung aufkam. Ich kam Gestern am Vormittag etwas aus dem Hause und hatte Gelegenheit, bei uns in der Buchhandlung ein Buch zu kaufen, und zwar wieder eines von Ludwig Finkh. Sobald ich es gelesen habe, schicke ich es Dir.  Am abend hatten wir die Feier im kleinen Kreis der Abteilung.  Jeder unserer Männer hat zwei Flaschen Sekt bekommen und 70 Zigaretten. Die haben sich sehr darüber gefreut. Wir sind dann noch beieinander gesessen; wir hatte etwas zu trinken und gegen 10 Uhr gingen wir dann auseinander. Ich wurde dann von Kameraden im Haus noch eingeladen. Dort ging es ziemlich scharf her. Ich habe dann von meinen Getränken, die ich hier von der Einheit bekommen hatte, mitgenommen. Als ich dann ins bett kam, war es ziemlich weit nach Mitternacht. Wir haben heute so bald dienstfrei gemacht, da hat man dann den versäumten Schlaf nachholen können. Dafür war es heute ziemlich besinnlich. Morgen bin ich von einem Kameraden der hiesigen Kommandantur eingeladen. Am Sonntag fängt dann der Dienst an wie üblich. Dann sind die Tage auch herum. Ich bin ja froh, denn man hat wieder seine Gewohnheit und wird sich der Trennung nicht so bewusst.  Ich danke Dir nochmals für alles recht herzlich und grüße und küsse Dich, mein Liebling, ganz fest und gib unseren beiden Trabanten jeden einen festen Kuss von Deinem Ernst.

Mein Liebling !                                                                           26.12.42        
   
Dem Alltag geht es wieder entgegen. Heute haben wir halben Dienst. Es stehen jetzt noch die Neujahrstage in Aussicht. Dann ist es für eine Weile vorbei. Ich bin froh darum, daß ich es dann wieder geschafft habe. Es ist alles so leer und einsam. Richtige Kameraden hat man hier nicht, so daß einem alles doppelt schwer erscheint.  Wie ich den Weihnachtsabend verbracht habe, schilderte ich Dir kurz in meinem letzten Brief. Ich hoffe, daß Du ihn bald bekommst. Ich habe einen Weg ausfindig gemacht, auf dem die Beförderung nicht so lange geht und der Beförderungsdauer der Luftpost nahe kommt. Ich denke, daß es Dich freuen wird, wenn Du nicht allzu lange auf meinen Brief warten musst. Ich kann diese Einrichtung zwar nicht jeden Tag benutzen, aber es ist auch schon so gut. Man freut sich ja über jede Verbesserungsmöglichkeit.  Außer von Dir habe ich noch als Weihnachtspost von Wittenburg eine Postkarte erhalten. Von der SA und der Partei erhielt ich auch jetzt ein Schreiben. Beides war ziemlich nichtssagend. Daß Wittenburg an mich gedacht hat, hat mich gefreut. Sonstige Post habe ich keine erhalten. Ich denke zwar, daß meine Briefe an die anderen rechtzeitig angekommen sind, denn ich habe beizeiten geschrieben bzw. günstige Versendungsmöglichkeiten gehabt.  Was werdet Ihr heute machen, und wie werdet Ihr die Feiertage verlebt haben, das sind meine Gedanken. Ich habe von unserer Feier hier einige Kleinigkeiten, die ich zurückbehalten habe und Euch mit zugehen lasse. Eine Schachtel Pralinen habe ich mir diesmal aber selbst vorgenommen, weil ich zusätzlich eine bekommen hatte. Die andere ist aber für Eich wie auch die Schokolade. Ich denke, daß Du mir nicht böse darum bist, wenn ich mir eine Schachtel davon genommen habe. Du siehst auch so, daß ich an Euch meine Lieben denke. Ich bin immer so froh, wenn ich etwas für Euch erübrigen kann und wenn ich dann weiß, es hat Euch erreicht und Ihr könnt es gebrauchen. Am Nachmittag war ich bei einem Kameraden, wie ich Dir Gestern schon mitteilte, daß ich ihn besuchen wollte. Es ist ziemlich kalt geworden. Zum Glück ging kein Wind. Der Schnee sang und knirschte unter den Schritten. Es scheint sich nun doch russischer Winter einstellen zu wollen. Wenn man sich entsprechend anzieht, geht es noch. Ich hatte mit dieser scharfen Kälte nicht gerechnet. Es zog anfänglich an den Ohren, aber wenn man eine Weile draußen gelaufen war, dann ging es. Es zog nur dann wieder, wenn man in die Wärme kam. Beim Nachhauseweg war ein wunderbarer Sternenhimmel. Das Kreuz des Südens und der Große Wagen, zu dem wir daheim immer zusammen aufgesehen haben, sie standen ganz klar am Himmel. Ich sitze nun wieder auf meiner Bude, lese noch ein wenig in einem der von Dir gesandten Bücher.  Ich werde mit von den Pralinen, die ich mir schön einteile, noch einige nehmen. Später werde ich noch einmal meine Kerze unter den Tannenstrauß stellen, um es noch etwas weihnachtlich ausklingen zu lassen. Im Nebenzimmer eines Kameraden läuft das Radio. Ich versuche mir die Lage etwas abwechslungsvoll zu gestalten, es bleibt aber alles so nüchtern wie es war. Ich finde, meine Zeilen auch. Ich weiß nicht, ist es das Land, ist es die Arbeit, sind es die Menschen. Ich muß jetzt öfter an ein Bild vielmehr an eine Skizze denken, die ich in einem Soldanteheim sah, als ich hier herüberkam. Auf einer großen Wandfläche stand ein Posten mit hochgeschlagenem Kragen, das Gewehr über die Schulter, den Stahlhelm auf und den Schafspelzmantel um. Ganz im Hintergrund ein einsames Haus. Tief verschneit. Nichts weiter stand in dieser Einöde. Ich dachte damals, das ist immer dasselbe Bild. Man kennt das schon. Das wird nun hier in Rußland so sein, damit muß man sich abfinden. Aber was sind wir wenigen Menschen in diesem großen Rußland? Man tritt fast nicht in Erscheinung. Im Winter macht sich das durch die Schneedecke, die alles gleichmacht und noch mehr einebnet und verflacht, viel stärker bemerkbar und läßt die Weite noch weiter sein. Ich bin wohl noch in der Stadt und sehe Häuser um mich. Aber dieses Rußland kann einem, wenn man nicht ganz gute Nerven hat, auf die Nerven gehen. An dieses Bild muß ich mich nun erinnern, denn so tot, wie die ganze Darstellung zu sein schien, so leblos ist es auch und ich wollte es nur am Anfang nicht glauben, obwohl ich alles, was auf mich eindrang, hier in Rußland ablehnte. Heute sind nun 8 Monate vergangen, seit ich bei meiner ersten Einheit hier im Osten landete. Die Wochen und Monate schwinden und man hofft auf das Ende und damit auf den Sieg. Trotz allem wollen wir aber nicht kleinmütig werden, weil wir wissen, daß es so sein muß.  Ich hoffe nun fest, daß ich bald von Dir wieder Post erhalte. Wie ich wünsche, daß Du über die Feiertage von mir Post bekommen hast. Bleibt mir recht gesund und laßt Euch alle grüßen. Es küßt Dich und die Kinder Dein Ernst.
Die kleine Tischkarte, die ich in meinem letzten Brief mitsandte, hebe bitte mit auf. Sie stammt von der Weihnachtsfeier, die wir in unserem kleinen Kreis gefeiert hatten. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen