Meine
Liebste !
11.1.43
Auf
Deinen lieben Brief vom 30.12. möchte ich heute eingehen, weil ich gestern
Dinge zu erledigen hatte, die wichtiger waren. Ich nehme an, daß sie der Reihe
nach befördert werden und auch der Reihe nach ankommen. Du siehst es aber, wie
ich Deine Briefe so unterschiedlich bekomme.
Mit dem weiteren Anwachsen des Sparkontos habe ich Kenntnis genommen.
Das ist nun schon eine ganz beträchtliche Summe geworden. Das macht Dir
sicherlich viel Freude. Ja, wenn man in Friedenszeiten immer so zurücklegen
kann, dann könnte man zufrieden sein.
Ob das aber immer möglich sein wird, das ist wohl fraglich. Wir wollen
jetzt erst sehen, daß wir mit heiler Haut aus diesem Schlamassel herauskommen.
Das andere wird sich dann schon finden. Daß die Kinder durch ihr Sparguthaben
selbst beeindruckt sind, kann ich mir denken, denn das wäre doch für uns in
Friedenszeiten eine schwer zu erreichender Traum, was die beiden jetzt schon
gespart haben. Daß Du dies aber erreicht hast, haben wir immerhin Deiner
Sparsamkeit zu verdanken. Für die Kinder ist ja ein ersehnter Traum des Winters
wenigstens teilweise in Erfüllung gegangen. Als sie den Schnee sahen, werden
sie schnell ihren Schlitten hervorgeholt haben. Das gehört ja zu den
Weihnachtsferien dazu. Dann können sie sich aber nicht beklagen. Ob er wohl
länger liegen geblieben ist? Durch den Kauf der Fausthandschuhe für die Kinder
hast Du ihnen eine Sorge abgenommen, denn nun brauchen sie doch nicht so sehr
Obacht geben. Für Dich ist es entschieden auch besser, denn nur Handschuhe für
die Gesellschaft stricken, das ist auch kein Vergnügen. In den Ahnensachen brauchte ich von Dir
wieder einmal eine Aufklärung. Du mußt
einmal in den Akten, also in den Schreiben, die ich aufbewahrt habe,
feststellen, wie das mit der Sache Brose ist, das im Ahnenpass Nr. 11 22. Nummer 22 hat sich am 12.4.18o1 in
Köthen verheiratet. Wie ich auf meine Anfrage erfahren habe, soll dieser Mann 4
X verheiratet gewesen sein. Der Irrtum liegt nun darin, daß dieser Mann sich
1.11.1801 in Nimburg verheiratet hat.
Sein Geburtsdatum wird mit 1754 angegeben. Ich glaube aber kaum, daß Du
Wesentliches aus den dortigen Unterlagen feststellen kannst. Sieh aber bitte
doch noch einmal vorsichtshalber nach.
Das sieht wieder einmal sehr dunkel aus. Das scheinen wieder die
berühmten Schwierigkeiten zu sein. Versuche einmal was Du feststellen
kannst. Ein Päckchen habe ich noch an
Euch fertiggemacht. Es enthält eine Dose Fisch und ein Fläschchen gutes
Öl. Außerdem ein Buch, das Du mir zu
Weihnachten gesandt hattest, und das ich mit innerem Schmunzeln gelesen habe.
Ich will aber diese Sachen nicht alle hier behalten, denn man lädt sich zu viel
Ballast auf, der einem einmal im Wege sein kann. Einen Kerzenhalter von unserer
Weihnachtsfeier Du kannst ihn für Euch verwenden, ihn aber auch aufheben. Das
Päckchen habe ich mit Nummer 3 ausgezeichnet.
Ich kann mir vorstellen, daß die Bilder von Kurt nicht gerade schön
waren im Hinblick auf die Fotografiersachen.
Mit der Batterie hatte ich es also richtig getroffen. Du kannst mir,
wenn Du noch Gewicht frei hast, die alte mit hersenden, dann kann ich bei
Gelegenheit wieder eine alte besorgen. Vielleicht sendest Du mir wieder einmal
etwas Tonseife, von der hast Du doch welche übrig. Aber auch nur, soweit das
Gewicht nicht ausgenutzt ist. Über das
Verhalten von Vater mußt Du Dich nicht weiter ärgern. Ich schrieb Dir ja schon,
daß das seine Art war, so gewisse Heimlichkeiten zu haben. Das hat er früher
mit uns Kinder schon immer gemacht. Dem einen hat er etwas zugesteckt, das der
andere nicht wissen sollte. Jetzt, wo Ihr allein seid, merkt er, daß er eben
doch nur Dich hat, und daß er weiß, was er an Dir hat. Denn das hat sich doch
erst vor einigen Tagen erwiesen, als er sich einmal mit Dir ausgesprochen hat.
Mit Kurt kann er das doch nicht machen, denn er hat ihn doch nicht
angehört. Mein Bogen ist zuende und ich
bin auch am Ende meiner Weisheit. Lasse Dich recht herzlich grüßen und viel
vielmals küssen von Deinem Ernst.
Die Briefmarken auf dem Packpapier weiche doch bitte
jeweils ab.
Mein
liebster Schatz !
12.1.43
Das
war mir eine große Freude, als ich aus Deinem heutigen Brief vom 1.1. ersehen
konnte, daß mein Neujahrsbrief rechtzeitig eingetroffen ist. Dann stimmt das
also doch, daß meine Briefe jetzt schneller bei Dir eintreffen. Auch mein Brief
vom 24. 12. kam schnell zu Dir. Man muß
sich die Männer, die einem die Gefälligkeit
erweisen, warm halten. Ich gebe ab und zu ein paar Zigaretten. Das macht
schon immer etwas aus. Von Eurer
Silvesterfeier habe ich nun auch gelesen. Du stellst ja schöne Sachen mit den
Kindern an. Helga schreibt, daß sie einen kleinen Schwips gehabt hatte. Bei
Helga hat sich das so ausgewirkt, daß sie am folgenden Tage die Jahre schon
durcheinander geworfen hat. Sie schreibt, daß gestern der 31.12.1941 gewesen
sei. Das stimmt wohl nicht ganz. Vor
lauter Jahreswechsel hat sie sicher nicht mehr gewusst, welches Jahr sich
gewechselt hat und am Ende hat sie die Wechsel verwechselt. Ja, das kann
kommen, wenn man so ein ausschweifendes Leben führt. Na, das ist ja alles
vergänglich.
Meine Liebe ! 13.1.43
Meine Liebe ! 13.1.43
Ich hatte gestern diesen Brief angefangen, aber ich war sehr müde und habe mich schlafen gelegt. Ich bin gestern wieder einmal umgezogen. Ich komme mir schon vor wie ein Landstreicher. Heute hier und morgen da. Ich mache mir schon nichts mehr daraus. Die jetzt bezogene Unterkunft ist auch noch nicht endgültig. Ich habe mich darum noch nicht eingerichtet und auch nichts ausgepackt. Man verliert an allem so das Interesse, weil man das Empfinden hat, die anderen denken immer und immer wieder erst an sich. Jeder ist selbstsüchtig erst auf sich bedacht. Solange einem die Brüder vorgesetzt sind, kann man ja nichts machen. Aber diese Selbstsüchtelei geht ja durch alle Glieder hindurch. Du mußt nun nicht denken, daß das für mich noch ein Anlass zum Ärger ist. So etwas stört mich schon fast nicht mehr. Da müssen jetzt schon ganz dicke Sachen kommen, von denen ich mich aus dem Gleis bringen lasse. Heute sind hier wieder zwei Einheimische aufgehängt worden. Ich selbst habe sie nicht gesehen, aber man hat mir gesagt, daß sie Feldpostdiebstahl begangen haben, dann Einbrüche und Raubmördersachen. Das geht dann hier ziemlich schnell, dann sind diese Kerle abgeurteilt. Das sind hier so die Tagesereignisse, die man neben dem Wetter noch zu verzeichnen hat. Aber über das Wetter selbst habe ich schon an Deinen Vater berichtet, dem ich heute zu seinem Geburtstag geschrieben habe. Der Durchschlag liegt wieder hier bei. Die Sache wegen den Gräbern habe ich mit angeschnitten. Ob er etwas dabei erledigen kann? Wenn Du meine Malerei für Neujahr als ganz fein bezeichnest, dann würde es mich interessieren, was dann eigentlich nicht gut ist. Wenn es Euch nur gefallen hat, und Hauptsache ist, daß man erkannt hat, was es bedeuten soll und daß es seinen Zweck erfüllt. Ich muß zwar sagen, daß ich mir wohl auch Mühe gegeben habe, aber ich bin nun einmal nicht so ein Künstler wie ihr. Für die schnelle Übersendung der Bestecktasche danke ich Dir vielmals, mein liebes Mädel. Die hast Du wirklich sehr fein gemacht, da kann man ja direkt Staat damit machen. Man sieht doch wieder Dein Geschick und man sieht auch, daß Du Dir das überlegt hast. Also wirklich sehr nett. Warum hast Du solchen Flanellstoff genommen? Das war sicher wieder einer Deiner berühmten Reste. Ich habe sie gleich in Dienst gestellt. Jetzt habe ich wenigstens meine Sachen versorgt. Nochmals recht herzlichen Dank dafür. Post kam heute von Dir und auch von anderer Seite nicht an. Ich habe also eigentlich nicht zu beantworten und es liegt auch sonst nichts vor. Von gestern kann ich noch erzählen, daß ich im Theater war. Wie Du aus dem Programmzettel siehst, wurde „Madame Butterfly“ gegeben. Wirklich eine sehr schöne Veranstaltung. Wenn man die Wörter auch nicht versteht, so hat man doch etwas von der Musik und vom Gesang. Durch die kurze Einleitung, die man bekommt, kann man auch der Handlung ganz gut folgen. Gute Nacht, mein lieber Schatz. Schlafe gut und bleibe Du, sowie auch die Kinder, gesund. Lasse Dich recht herzlich grüßen und küssen. In Liebe Dein Ernst.
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