Mein
liebstes Mädel ! 23.1.43
Es
ist plötzlich still bei uns geworden und das Arbeitstempo hat sehr
nachgelassen. Ich setze mich darum heute Vormittag schon hin, um meinen Brief
an Dich anzufangen. Ich habe gestern schon in meinem Brief andeutungsweise von
den Ereignissen gesprochen, die inzwischen hier eingetreten sind. Was und vor
allem wie sich das zugetragen hat, das kann man ja nicht schreiben. Bei uns
liegen zur Zeit jedenfalls die Dinge so, daß wir schon anfangen, alle
überflüssigen Dinge zusammenzupacken und Sachen, die keine Bedeutung mehr
haben, zu verbrennen. Wahrscheinlich
werden wir uns von hier zurückziehen, Mir selbst ist das zwar nicht
verständlich. Die Gründe, die die maßgebenden Herren dazu bewogen haben, sind
mir nicht bekannt. Aber ich betrachte das nur als eine Vorsichtsmaßnahme. Die
Ereignisse sind wieder ziemlich nahe an uns herangerückt. Ich werde das, was
ich abstoßen kann, an Dich auf den Weg bringen. Ich denke, daß ich meine zwei
Koffer irgendwo mit unterbringe. Wenn das geht, dann habe ich meine sämtlichen
Sachen verstaut. Es wird aber alles nicht so schlimm werden, wie es immer
gemacht wird. Du brauchst Dir daraus keine Sorgen zu machen, denn ich werde
Dich laufend über die Dinge unterrichten, die wichtig sind, soweit dies im
Schreiben überhaupt möglich ist. Heute habe ich wieder ein Päckchen
fertiggemacht. Es enthält die Zigarren und Stumpen, die ich gekauft und
gesammelt habe. Es sind teilweise sehr teure Sachen dabei. Das Stück bis 40 Pfennig. Ich habe sie aber trotzdem
gekauft, weil Du damit immer etwas hast, um kleine Geschenke machen zu können.
Das Päckchen trägt die Nummer 10. Aber,
soeben habe ich auch wieder Post bekommen. Drei Briefe, vom 8. 10./11. und 13.
habe ich erhalten. Ich habe mich wieder
sehr darüber gefreut. Aus Deinen Zeilen habe ich vielfach Dinge lesen können,
die Dir Freude gemacht haben, was bei mir ein gleiches auslöst. Daß mein Brief
an die Kinder Zustimmung gefunden hat, gibt mir dann auch wieder Anlass dazu,
daß ich in dieser Weise fortfahren kann. mich mit ihnen zu unterhalten. Weitere
Briefe an sie sind ja schon wieder unterwegs. Ich nehme an, daß diese die
gleiche Zustimmung finden. Sie bewegen sich beide auf den verschiedensten
Gebieten. Ich glaube aber, daß sie mir so einigermaßen gelungen sind. Daß Du
das eine Butterpäckchen erhalten hast, macht mir insofern Freude, weil ich mir
nun keine Sorge mehr machen brauche, ob es nicht doch vielleicht verloren
gegangen ist. Es ist ja noch einiges Zeug unterwegs, von dem ich hoffe, daß es
Dich so gut erreicht wie die anderen Sachen. Ich mache mir immer Gedanken, wie
ich Euch mir Sachen unterstützen kann. Die Abschickung der Sachen macht wohl
manchmal kleine Schwierigkeiten, aber ich habe immer noch etwas auftreiben
können. Mit dem Verpackungsmaterial ist es manchmal etwas knapp. Papierbindfaden habe ich hier schon kaufen
können, etwas anderes bekommt na ja nicht.
Von der eigentlichen Besserung von Helgas Zustand habe ich nun gelesen,
und ich bin froh, daß es wieder so abgegangen ist. Sie geht nun sicher fleißig
in die Schule. Solange sie nicht ganz auf der Höhe sind, da geht es auch, denn
da verhalten sie sich meist ruhig. Sobald es aber ihnen einigermaßen besser
geht, dann fangen sie an, unruhige zu werden. Das ist ja nun vorbei. Die
Wetterverhältnisse sind hier ja auch nicht gerade günstig. Heute fängt es an zu
tauen, nachdem es die ganze Nacht vorher geschneit hat. Eigenartig war das
heute früh. Ein Teil der Häuser war ganz weiß beschlagen. Die Häuser müssen geschwitzt
haben, was sich dann wie Reif auf die Mauern aufgesetzt hat. Daß der Vater
einer Schulkameradin von Helga auch hier am Ort liegt, das ist schon möglich.
Dienststellen sind ja in reichlichem Maße vorhanden, so daß das sich sehr
verteilt und daß es schon ganz komisch zugehen muß, wenn man da jemand
trifft. Daß Dir die Sendung mit dem
Kölnisch Wasser eine Linderung bei Deinen Kopfschmerzen verschafft hat, ist mir
eine Bestätigung dafür, daß es höchste Zeit war, daß Du wieder etwas erhalten
hast. Es ist ja davon auch noch etwas unterwegs. Ich denke, daß das dann schon
eine Weile reicht. Mit den Langusten
hatte ich anscheinend nicht das richtige für Euch getroffen. Jörg hat es
wenigstens nicht abgelehnt. Es wäre ja schade, wenn es nicht verbraucht werden
würde, wenn die Dose nun einmal geöffnet ist. Aber eine Dose mit Fisch ist ja
nun auch hoffentlich in Euren Besitz gelangt. Ich kann Dir gar nicht schildern,
wie ich mich über jede Kleinigkeit freue, die ich Euch senden kann. Vorhin habe ich gerade festgestellt, daß
nach dem Kalender Samstag ist. Man merkt das nicht mehr bei dem Betrieb, wie
der gegenwärtig bei uns herrscht. Eines hat man nur davon, daß man am Sonntag
morgen erst gegen 9 Uhr anfangen braucht mit Arbeiten. Aber jetzt will ich mich
noch fpr den schönen und ausgiebigen Brief vom 11. bedanken, den ich nachträglich durch einen Kameraden zugestellt
erhielt. Was sagst Du nun, ich habe es auch bald soweit gebracht wie Du mit dem
Empfang von Briefen. Nachdem Du in dem Brief aus Posen erst kein Begleitschreiben
vermutet hattest, war für Dich die Überraschung wohl doppelt so groß. Ich muß
aber auch Dir meine Anerkennung zollen, denn Du hast ja allerhand
geschrieben. Du dehnst Deine
Nachtschicht ja ziemlich lang aus. Das sollst Du aber nicht so oft machen, denn
Du brauchst Deinen Schlaf, wenn Du am anderen Tag Deine Pflichten wieder
erfüllen mußt. Wenn ich aber in einem meiner Briefe tatsächlich frech gewesen
sein sollte, dann bitte ich Dich, das nicht wörtlich zu nehmen. Du kennst ja
meine Art. Manchmal bin ich etwas grob. Es hat sich sozusagen als ein gewisses
Privileg herausgebildet im Laufe der Jahre. Ich bitte dich, darum auch in
diesem Fall keinen so strengen Maßstab anzulegen. Daß Du mich nun gleich mit
„Bürschle“ anredest, das deutet ja darauf hin , daß ich mich bald Jörg
anschließen muß, um womöglich mit ihm eine Notgemeinschaft zu bilden gegen
etwaige Angriffe von Dir. Das ist wohl wieder so eine Frechheit von mir. Aber wenn ich schon einmal büßen muß, dann
kann ich das ja bequem in einem Abwasch dann spare ich Dir die doppelte Mühe,
ich habe aber doch den doppelten Spaß daran. Aber mit dem „An den Haaren
ziehen“ mußt Du schon noch etwas warten. Es kann ja sein, daß sich mein
Schuldkonto so erweitert hat, daß ich nur dann wieder nach hause kommen kann,
wenn ich vorher ganz große Abbitte geleistet habe und versprochen habe, mich
nun doch noch ernstlich zu bessern. Bis es aber soweit ist, kann ich ja noch
ungestraft in dieser Form mich weiter auslassen. Für die gesandten Zeitungen danke ich Dir. Ich habe sie heute
erhalten. Übrigens, in der Konstanzer Zeitung stand daß bei meiner früheren
Kollegin ein Junge angekommen ist. Ich dachte, wunder was für ein hohes Tier
der Mann von ihr ist, dabei ist es ja auch nur Steuerassistent. Der wollte früher auch immer so hoch hinaus.
Aber man muß dann eben nehmen, was sich bietet. Ich habe noch kleine Verpackungen vorzunehmen. Lasse mich darum
bitte schließen für heute, und sei vielmals und recht oft gegrüßt und geküsst
von Deinem immer an Dich denkenden Ernst.
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