Mein
liebstes Mädel ! 7.12.42
Ich
mußte heute feststellen, daß ich Dir in Gedanken Unrecht getan hatte. Heute
erreicht mich Dein Brief vom 28.11., dem Du Deinen Brief vom 7.11., dem Tage
meiner Abreise beigelegt hattest. Ich schrieb Dir schon kürzlich, ob Du mir
denn erst am 8. den ersten Brief
geschrieben hast und wie Du das mit den Blumen für Deinen Vater gemacht hast.
Mit der Übersendung dieses Briefes findet ja alles seine Aufklärung. Wie ich
leider feststellen muß, machst Du Dir Gedanken, ob auch meine Feldpostnummer,
die ich Dir angab, richtig ist. Es war von mir leichtsinnig, daß ich auf den
ersten Briefen immer noch den Dienststempel mit der alten Nummer verwendet
habe. Das ist inzwischen geändert. Der Fehler liegt aber beim Postverteiler,
denn er hat sich nicht weiter der Sache angenommen. Aus meinen weiteren
Schreiben hast Du ja gesehen, daß die Anschrift stimmt. Ich bin froh, daß ich
Dich gleich wieder beruhigen kann. Meinen heutigen Brief nimmt ein Kamerad mit,
der in Urlaub fährt. Lasse Dich durch die Feldpostnummer auf dem heutigen
Dienstsiegel irritieren. Am heutigen
Tag ist schon wieder ein Monat vergangen. Man kann es fast nicht glauben, daß
die Zeit so schnell verfliegt. An solchen feststehenden Daten kann man erst
messen, was eigentlich ein Tag ist. Wie schnell verrinnt er und bedenkt man
dabei wieder, daß man schon über 2 ½ Jahre von daheim weg ist, dann sieht man
erst, wie lange Zeit es her ist, seit man aus der früheren gewohnten Umgebung
herausgerissen ist. Wenn man dann über sein Schicksal nachdenkt, dann kann
einem zu allem die Laune vergehen. Wie ich Dir schon mitteilte, habe ich hier
eine Änderung durchgemacht, die an und für sich kränkend gewirkt hat. Doch was
will das beim Kommis heißen. Man achtet
ja den einzelnen Menschen nicht weiter, wenn man es wohl immer wieder schreibt
und sagt. Ich hatte doch bislang mit den Kameraden von unserer Dienststelle im
Offizierskasino gegessen. Durch die Umstellung, die wir hier hatten, wurde ich
trotzdem auch hier im Kasino der Offiziere bzw. der Beamten aufgenommen. Ende
der vergangenen Woche wurde mir nun mitgeteilt, daß das nicht mehr ginge, weil
Platzmangel herrschen würde. Wenn auch über diese Frage streiten ließe, ist es
nicht schön, daß man mich erst dort einführte und mit jetzt quasi einen Tritt
versetzt. Es stimmt durchaus, ich werde auch woanders satt. Gestern haben wir
mit unserem Chef noch am Nachmittag beim Kuchen zusammengesessen. Das war sozusagen die Henkersmahlzeit. Ab heute
früh bin ich den Unteroffizieren zugeteilt. Dort ist es aber so fein
eingerichtet, daß wir als Menschen dritter Sorte angesehen werden, weil dort
noch Kameraden von der Feldpost essen, die mit den Unteroffizieren nicht
zusammensitzen sollen und darum erst nach Abfertigung dieser abgefüttert
werden. Es ist direkt eine Freude, wenn man sieht, was für eine Eintracht
innerhalb der Wehrmacht herrscht. Zu
allem kommt mein Arbeitskamerad in diesen Tagen auch von hier fort und der neue
wird wohl vor lauter Wissen und Selbst Beweihräucherung noch überschnappen. Es
ist aber meist so, daß dann alles zusammenkommt, wenn sich etwas einfindet. Ich
gebe zu, es ist mir bisher gut gegangen. Ich werde weiterhin auf meine Rechnung
kommen. Es gibt einmal Zeiten, da hängt einem alles zum Hals heraus. Du weißt ja,
daß nicht gleich einer von denen bin, der schimpft über solche Dinge. Wenn es
einem aber zu bunt wird, dann muß man seinem Herzen Luft machen. Ich habe das
in reichlichem Maße schon hier getan. Das geht aber noch soweit, daß Du vor
Tagesende auch noch etwas mit abbekommst. Du kennst mich ja und weißt, daß ich
schon mit dieser Sache fertig werde und daß Du Dir keine Gedanken machen
brauchtest. Aber dieser Ärger muß irgendwo hinaus. Man sagt wohl, Papier ist
geduldig. Das stimmt in diesem Fall auch, doch die Wirkung beim Leser ist doch
meist nicht so teilnahmslos wie beim Papier. Ich könnte ja nach Beendigung
dieses Briefes einfach hergehen und ihn zerreißen. Ich möchte aber
andererseits, daß Du auch an diesen Dingen teilhast, damit Du siehst, daß es
nicht immer nach Wunsch geht. Das trifft ja auch für Dich öfter zu und auch Du
hast Deinen Ärger ab und zu. Du kannst dann in diesem Fall auch immer zu mir
kommen und mir davon erzählen.
8.12.42 Mein lieber Schatz !
Ich schreibe heute an diesem Brief weiter, denn es hat sich
nicht gelohnt, ihn jetzt wegzuschicken, weil ein Kamerad auf Urlaub fährt und
ihn dann mitnimmt. Ich habe mich von der gestrigen schlechten Gemütsstimmung
etwas erholt und will versuchen, in etwas
? Ton zu schreiben. Wie weit
mir das gelingt, kann ich zwar noch nicht sagen. Von den Erlebnissen des Tages
gibt es weiter nichts zu berichten. Vom Wetter schon eher. Nachdem ich jetzt
nicht mehr im Hause esse, komme ich am Tage mehrmals auf die Straße. Gestern
Abend fing es an zu tauen, daß man denken konnte, den Schnee würde es
wegputzen. Heute früh hatten wir die wunderbarste Schlittschuhbahn. Zum Laufen
dagegen war es weniger schön. Gegen Mittag fing es wieder an mit schneien, so
daß man nichts mehr vom gestrigen Tauwetter merkt. Dieser Tage sah ich mir die Marmeladenvorräte an, die ich von
zuhause mitbekommen hatte. Ich dachte erst, daß ich sie wohl kaum brauchen
würde, wo ich hier bisher so gut in Verpflegung stand. Durch die Wendung, die
es jetzt gegeben hat, sieht das nun anders aus. Ich hatte erst Bedenken, daß
sie vielleicht verderben würde, wenn man sie dauernd im Koffer aufbewahrt. Sie
war aber gan einwandfrei. Jetzt werde ich mir sie wieder zusetzen, denn so
kräftig, wie bisher, ist das Essen nicht. Man wird wohl satt und man verhungert
nicht dabei, aber es kann nichts schaden, wenn man noch etwas zusetzt. Brot bekommen wir immer noch in
ausreichendem Maß, so daß man sich immer helfen kann. Mir kommt nach der
bisherigen Völlerei der Unterschied schon merklich vor. Ich kann einesteils
wohl auch froh sein, denn ich hätte sicherlich einen Schmerbauch beim nächsten
Urlaub mit nach hause gebracht. Hätte noch Herzverfettung bekommen und wäre
kurzatmig geworden. Du siehst, es wird bei der Wehrmacht für die Gesundheit
gesorgt und darauf gesehen, daß die Frauen daheim ihren Mann bei Gelegenheit im
früheren Idealzustand abgeliefert bekommen. Die Jahre, die man in der
Zwischenzeit auf den Buckel bekommen hat, darf man nicht mitrechnen. Vorhin war ich beim Abendessen. Als ich
zurückkam, fand ich Deine Briefe vom 26. und 27. vor. Die haben mich wieder
sehr erfreut. Vorweg will ich erst
einmal die Zeichnung unseres Jungen. Wenn er sie abgezeichnet hat, dann ist das
schon allerhand, denn man muß sich wundern, wie er das auch sich heraus macht.
Hat er es aber ganz ohne Vorlage gemacht, dann muß ich ihm direkt mein großes
ob aussprechen. Den Nikolaus hat er wirklich sehr fein gemacht. Ich kann mir
nicht erklären, von wem er das aus unserer Familie hat. Der Stern und die Weihnachtsbäume haben mir
viel Spaß gemacht. Wenn die Kinder für
diese Bilder etwas zahlen, dann kann ich mir das erklären. Er versteht es
jedenfalls, seine Kunst zu verwerten. 3 Sendungen mit Zeitungen erhielt ich
auch noch von Dir, die ich mir aber erst später zu Gemüte führe, wenn ich etwas
mehr Ruhe habe. Deine Sorge wegen der
Rasierklingen kannst Du Dir dadurch nehmen lassen, daß ich Dir schon vor
einigen Tagen schrieb , daß ich welche bekommen habe. Einen Rasierpinsel hatte
ich hier bekommen. Ich kann mich also täglich wieder verschönern wie es bisher
der Brauch war. Für die nächste Zeit bin ich wirklich versorgt. Mein Weihnachtspäckchen habe ich nun auch
noch unserem Inspektor mitgegeben, der in Urlaub fährt. Es sind nur
Kleinigkeiten für den täglichen Bedarf und ein wenig Süßigkeiten. Ich konnte zu meinem Leidwesen nichts weiter
erhalten. Sei bitte damit zufrieden und bedenke, daß hier aber auch nichts zu
kaufen ist. Ich hätte gern noch etwas Essbares erworben, aber es war nicht
möglich. Zigarren, die ich erst noch mitsenden wollte, habe ich vorerst
zurückgehalten. Ich will zusehen, ob ich dafür etwas eintauschen kann, denn das
ist für mich wichtiger wie die Raucherei für die alten Herren. Bekomme ich
nichts dafür, dann kann ich sie immer noch abschicken. Meinen Weihnachtsbrief schreibe
ich noch in diesen Tagen. Ich hoffe, daß er auch noch rechtzeitig ankommt. Ich
grüße Dich und die Kinder recht herzlich und bedanke mich nochmals für die
beiden lieben Briefe, die ich heute von Dir erhielt. Unseren beiden
Lausebengels gibst Du aber jedem einen herzlichen Kuss. Dich selbst küsst, im
Geiste leider, Dein Ernst.
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