Freitag, 8. Dezember 2017

Brief 350 vom 7./8.12.1942


Mein liebstes Mädel !                                                                    7.12.42    
    
Ich mußte heute feststellen, daß ich Dir in Gedanken Unrecht getan hatte. Heute erreicht mich Dein Brief vom 28.11., dem Du Deinen Brief vom 7.11., dem Tage meiner Abreise beigelegt hattest. Ich schrieb Dir schon kürzlich, ob Du mir denn erst am 8.  den ersten Brief geschrieben hast und wie Du das mit den Blumen für Deinen Vater gemacht hast. Mit der Übersendung dieses Briefes findet ja alles seine Aufklärung. Wie ich leider feststellen muß, machst Du Dir Gedanken, ob auch meine Feldpostnummer, die ich Dir angab, richtig ist. Es war von mir leichtsinnig, daß ich auf den ersten Briefen immer noch den Dienststempel mit der alten Nummer verwendet habe. Das ist inzwischen geändert. Der Fehler liegt aber beim Postverteiler, denn er hat sich nicht weiter der Sache angenommen. Aus meinen weiteren Schreiben hast Du ja gesehen, daß die Anschrift stimmt. Ich bin froh, daß ich Dich gleich wieder beruhigen kann. Meinen heutigen Brief nimmt ein Kamerad mit, der in Urlaub fährt. Lasse Dich durch die Feldpostnummer auf dem heutigen Dienstsiegel irritieren.  Am heutigen Tag ist schon wieder ein Monat vergangen. Man kann es fast nicht glauben, daß die Zeit so schnell verfliegt. An solchen feststehenden Daten kann man erst messen, was eigentlich ein Tag ist. Wie schnell verrinnt er und bedenkt man dabei wieder, daß man schon über 2 ½ Jahre von daheim weg ist, dann sieht man erst, wie lange Zeit es her ist, seit man aus der früheren gewohnten Umgebung herausgerissen ist. Wenn man dann über sein Schicksal nachdenkt, dann kann einem zu allem die Laune vergehen. Wie ich Dir schon mitteilte, habe ich hier eine Änderung durchgemacht, die an und für sich kränkend gewirkt hat. Doch was will das beim Kommis heißen.  Man achtet ja den einzelnen Menschen nicht weiter, wenn man es wohl immer wieder schreibt und sagt. Ich hatte doch bislang mit den Kameraden von unserer Dienststelle im Offizierskasino gegessen. Durch die Umstellung, die wir hier hatten, wurde ich trotzdem auch hier im Kasino der Offiziere bzw. der Beamten aufgenommen. Ende der vergangenen Woche wurde mir nun mitgeteilt, daß das nicht mehr ginge, weil Platzmangel herrschen würde. Wenn auch über diese Frage streiten ließe, ist es nicht schön, daß man mich erst dort einführte und mit jetzt quasi einen Tritt versetzt. Es stimmt durchaus, ich werde auch woanders satt. Gestern haben wir mit unserem Chef noch am Nachmittag beim Kuchen zusammengesessen.  Das war sozusagen die Henkersmahlzeit. Ab heute früh bin ich den Unteroffizieren zugeteilt. Dort ist es aber so fein eingerichtet, daß wir als Menschen dritter Sorte angesehen werden, weil dort noch Kameraden von der Feldpost essen, die mit den Unteroffizieren nicht zusammensitzen sollen und darum erst nach Abfertigung dieser abgefüttert werden. Es ist direkt eine Freude, wenn man sieht, was für eine Eintracht innerhalb der Wehrmacht herrscht.  Zu allem kommt mein Arbeitskamerad in diesen Tagen auch von hier fort und der neue wird wohl vor lauter Wissen und Selbst Beweihräucherung noch überschnappen. Es ist aber meist so, daß dann alles zusammenkommt, wenn sich etwas einfindet. Ich gebe zu, es ist mir bisher gut gegangen. Ich werde weiterhin auf meine Rechnung kommen. Es gibt einmal Zeiten, da hängt einem alles zum Hals heraus. Du weißt ja, daß nicht gleich einer von denen bin, der schimpft über solche Dinge. Wenn es einem aber zu bunt wird, dann muß man seinem Herzen Luft machen. Ich habe das in reichlichem Maße schon hier getan. Das geht aber noch soweit, daß Du vor Tagesende auch noch etwas mit abbekommst. Du kennst mich ja und weißt, daß ich schon mit dieser Sache fertig werde und daß Du Dir keine Gedanken machen brauchtest. Aber dieser Ärger muß irgendwo hinaus. Man sagt wohl, Papier ist geduldig. Das stimmt in diesem Fall auch, doch die Wirkung beim Leser ist doch meist nicht so teilnahmslos wie beim Papier. Ich könnte ja nach Beendigung dieses Briefes einfach hergehen und ihn zerreißen. Ich möchte aber andererseits, daß Du auch an diesen Dingen teilhast, damit Du siehst, daß es nicht immer nach Wunsch geht. Das trifft ja auch für Dich öfter zu und auch Du hast Deinen Ärger ab und zu. Du kannst dann in diesem Fall auch immer zu mir kommen und mir davon erzählen.

8.12.42  Mein lieber Schatz ! 

Ich schreibe heute an diesem Brief weiter, denn es hat sich nicht gelohnt, ihn jetzt wegzuschicken, weil ein Kamerad auf Urlaub fährt und ihn dann mitnimmt. Ich habe mich von der gestrigen schlechten Gemütsstimmung etwas erholt und will versuchen, in etwas  ?   Ton zu schreiben. Wie weit mir das gelingt, kann ich zwar noch nicht sagen. Von den Erlebnissen des Tages gibt es weiter nichts zu berichten. Vom Wetter schon eher. Nachdem ich jetzt nicht mehr im Hause esse, komme ich am Tage mehrmals auf die Straße. Gestern Abend fing es an zu tauen, daß man denken konnte, den Schnee würde es wegputzen. Heute früh hatten wir die wunderbarste Schlittschuhbahn. Zum Laufen dagegen war es weniger schön. Gegen Mittag fing es wieder an mit schneien, so daß man nichts mehr vom gestrigen Tauwetter merkt.  Dieser Tage sah ich mir die Marmeladenvorräte an, die ich von zuhause mitbekommen hatte. Ich dachte erst, daß ich sie wohl kaum brauchen würde, wo ich hier bisher so gut in Verpflegung stand. Durch die Wendung, die es jetzt gegeben hat, sieht das nun anders aus. Ich hatte erst Bedenken, daß sie vielleicht verderben würde, wenn man sie dauernd im Koffer aufbewahrt. Sie war aber gan einwandfrei. Jetzt werde ich mir sie wieder zusetzen, denn so kräftig, wie bisher, ist das Essen nicht. Man wird wohl satt und man verhungert nicht dabei, aber es kann nichts schaden, wenn man noch etwas zusetzt.  Brot bekommen wir immer noch in ausreichendem Maß, so daß man sich immer helfen kann. Mir kommt nach der bisherigen Völlerei der Unterschied schon merklich vor. Ich kann einesteils wohl auch froh sein, denn ich hätte sicherlich einen Schmerbauch beim nächsten Urlaub mit nach hause gebracht. Hätte noch Herzverfettung bekommen und wäre kurzatmig geworden. Du siehst, es wird bei der Wehrmacht für die Gesundheit gesorgt und darauf gesehen, daß die Frauen daheim ihren Mann bei Gelegenheit im früheren Idealzustand abgeliefert bekommen. Die Jahre, die man in der Zwischenzeit auf den Buckel bekommen hat, darf man nicht mitrechnen.  Vorhin war ich beim Abendessen. Als ich zurückkam, fand ich Deine Briefe vom 26. und 27. vor. Die haben mich wieder sehr erfreut.  Vorweg will ich erst einmal die Zeichnung unseres Jungen. Wenn er sie abgezeichnet hat, dann ist das schon allerhand, denn man muß sich wundern, wie er das auch sich heraus macht. Hat er es aber ganz ohne Vorlage gemacht, dann muß ich ihm direkt mein großes ob aussprechen. Den Nikolaus hat er wirklich sehr fein gemacht. Ich kann mir nicht erklären, von wem er das aus unserer Familie hat.  Der Stern und die Weihnachtsbäume haben mir viel Spaß gemacht.  Wenn die Kinder für diese Bilder etwas zahlen, dann kann ich mir das erklären. Er versteht es jedenfalls, seine Kunst zu verwerten. 3 Sendungen mit Zeitungen erhielt ich auch noch von Dir, die ich mir aber erst später zu Gemüte führe, wenn ich etwas mehr Ruhe habe.  Deine Sorge wegen der Rasierklingen kannst Du Dir dadurch nehmen lassen, daß ich Dir schon vor einigen Tagen schrieb , daß ich welche bekommen habe. Einen Rasierpinsel hatte ich hier bekommen. Ich kann mich also täglich wieder verschönern wie es bisher der Brauch war. Für die nächste Zeit bin ich wirklich versorgt.  Mein Weihnachtspäckchen habe ich nun auch noch unserem Inspektor mitgegeben, der in Urlaub fährt. Es sind nur Kleinigkeiten für den täglichen Bedarf und ein wenig Süßigkeiten.  Ich konnte zu meinem Leidwesen nichts weiter erhalten. Sei bitte damit zufrieden und bedenke, daß hier aber auch nichts zu kaufen ist. Ich hätte gern noch etwas Essbares erworben, aber es war nicht möglich. Zigarren, die ich erst noch mitsenden wollte, habe ich vorerst zurückgehalten. Ich will zusehen, ob ich dafür etwas eintauschen kann, denn das ist für mich wichtiger wie die Raucherei für die alten Herren. Bekomme ich nichts dafür, dann kann ich sie immer noch abschicken. Meinen Weihnachtsbrief schreibe ich noch in diesen Tagen. Ich hoffe, daß er auch noch rechtzeitig ankommt. Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich und bedanke mich nochmals für die beiden lieben Briefe, die ich heute von Dir erhielt. Unseren beiden Lausebengels gibst Du aber jedem einen herzlichen Kuss. Dich selbst küsst, im Geiste leider, Dein Ernst.

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