Montag, 29. Januar 2018

Brief 375 vom 27./28.1.1943


Meine liebste Annie !                                                                     27.1.43    
        
Gestern mußte ich Dir leider mitteilen, daß ich Deine beiden Briefe vom 20. und 21. in allen ihren Teilen beantworten kann und heute erhielt ich  wohl zu meiner Freude, andererseits wieder zu meinem Leidwesen, weil ich ihn nicht gleich beantworten kann  einen weiteren Brief vom 16., der mich wieder sehr erfreut hat.  Ich komme erst wieder sehr spät zum Schreiben, denn wir hatten heute wiederholt Fliegeralarm. Wir mußten uns in den Keller begeben. Dieser Alarm hast sich ziemlich lang ausgedehnt, aber was nutzt es. Man kann ja nicht wegspringen. Ich komme nun erst kurz vor 11 Uhr zum Schreiben, zudem ist es kalt in meiner Bude, denn draußen haben wir etwa 30 Grad Kälte, was sich im Zimmer auch fühlbar bemerkbar macht. Aber was sich die kleinen Unannehmlichkeiten gegen das, was die anderen braven Kameraden draußen an Entbehrungen und an Not leiden müssen. Ich denke mit tiefer Kümmernis an die tapferen Helden, die nun ihr Letztes hergeben müssen, weil ihnen nur noch dieser Weg bleibt .  Anmerkung: gemeint ist der Endkampf in Stalingrad   Das ist eine heroische Leistung, die ihresgleichen sucht. Trotz allem ist der Winter noch nicht vorüber. Sobald aber die Sonne über Tag scheint, merkt man doch schon, daß wir ein Stück von der Sonnwende weg sind., denn trotz der Kälte, die draußen herrscht, merkt man schon die wärmenden Strahlen.   Von Deinem Schürzenkauf habe ich Kenntnis genommen und ich weiß nun, daß Du einen Teil des Weihnachtsgeldes dazu verwendet hast. So hast Du doch etwas Nützliches gekauft, was Du wieder wirst gut gebrauchen können.  Der Mann, dem ich mein Päckchen mitgab, hat nicht alle beieinander, denn dem fehlen ein paar. Ich war aber froh, als ich von Dir las, daß Du dieses Päckchen erhalten hast. Ich hatte an sich Bedenken, aber man muß es probieren, denn eine solche Gelegenheit bietet sich nicht immer, daß man einen solchen Schwung wegbringt. Es ist ja nun trotz der Schwernisse, die Dir durch die Lauferei gemacht wurden, ordentlich angekommen. Bei diesen Glassachen ist das immer ein Risiko. Er hat ja ganz schön angegeben, wie ich aus Deinem Brief sehe. Daß die Flasche mit dem Hautöl auch noch ganz gut war, hat mich gewundert, denn es war eine ziemliche Spannung in der Kiste.  Heute habe ich also wieder ein Päckchen und zwar Nummer 13, abgesandt. Morgen geht wieder eines ab und übermorgen folgt nr.  15. Sie enthält Öl, Cognac und Kirschwasser. Wenn alles gut ankommt, dann kannst Du Dir ja den Kirschlikör aufmachen und nach und nach zu Gemüte führen, denn er ist süß und das wäre sicher etwas nach Deinem Geschmack. Ich habe die Sachen verpackt und an Dich abgesandt, weil ich mich damit bei einem Umzug nicht herumschleppen will. Die Frage des Umzugs ist noch nicht geklärt. Ich nehme aber an, daß es sich nur noch um einige Tage handeln kann. Über den Erfolg unseres Jungen habe ich mich sehr gefreut. Das hast Du ja wohl auch aus meinem Handschreiben an ihn gelesen, denn ich wollte ihn doch nicht länger auf die von ihm verdiente Prämie warten lassen. Über so etwas kann man sich sehr freuen.  Ich kann mir auch Deine Freude vorstellen, als er so unaufgefordert und von sich aus es versucht hat und als es dann klappte.  Für unsere beiden ist das doch ein ganz schöner Erfolg der Arbeit im Winter. Die Freude unseres Jungen und seinen Stolz dazu kann ich mir gut ausmalen. Wenn er nun ungehindert herumschwimmen kann und sich nicht mehr in dem kleinen Rahmen halten muß wie bisher, wird er selbst seinen Spaß dran haben. Er soll sic h dies, wie ich ihm schon gestern mitteilte, zur Lehre halten lassen, daß man viel mehr durch eigenen Willen erreichen kann als durch die Unterstützung der anderen.  Ich möchte jetzt schließen, denn ich habe heute wieder ziemlich viel Schlaf nötig. Sei Du, mein liebster Schatz, vielmals gegrüßt und herzlich geküsst von Deinem Ernst. Wegen der Zwischensteckers werde ich an Thomas schreiben, sobald ich von ihm wieder Antwort erhalte. Bis dahin wirst Du Dich noch gedulden müssen.

Mein liebstes Mädel !                                                                     28.1.43      
        
Erst muß ich mich wieder über den Posteingang auslassen, ehe ich auf Deine Zeilen von den vorhergehenden Tagen eingehe. Also heute war allgemein wenig Post, so daß nach dem reichlichen Bedenken der vergangenen Tage für mich nicht mit dabei sein konnte. Ich kann ja auch nichts sagen, denn das einem jeden Tag mehrere Briefe gebracht werden, das kann man nicht gut verlangen. Ich bin ja bis jetzt auch immer noch zufrieden wenn es so geht wie bisher.  Wie ich sehe, hast Du, nachdem Du anscheinend nichts mehr umzuräumen hattest, angefangen zu basteln. Du bist ja immer auf der Suche nach Platz für Deine Sachen. Durch die Abänderung in Deinem Küchenschrank hast Du ja nochmals welchen geschaffen. Ich freue mich, daß Du Dir in diesen Fällen immer selbst helfen kannst und mehr oder weniger auf fremde Kräfte nicht angewiesen bist. Ich sehe, daß es Dir nicht nur Arbeit sondern auch Freude gemacht hat, daß Dir diese Änderung so gelungen ist. Ich sehe es schon kommen, ich brauche mich solcher Änderungen daheim später nicht mehr annehmen, denn das kannst Du entschieden besser wie ich. Ich strecke meine Waffen. Dir aber meinen herzlichen Glückwunsch für das Gelingen.  Ich hatte nochmals auf Deine Anregung hin ein paar Puppen bestellt, aber die sind bis jetzt noch nicht geliefert worden. Wenn und ob sie überhaupt kommen, das kann ich noch nicht sagen. Sie haben nochmals 20% aufgeschlagen. Aber Geld spielt hier bei uns keine große Rolle, denn man bekommt ja nichts dafür, so daß man nichts weiter ausgibt als das, was man gerade in der Kantine zu kaufen bekommt. Das ist an sich auch nicht viel, aber man gibt sich damit zufrieden.  Wenn Du einmal unter einem Brief die Unterschrift vergessen hast, so ist das noch lange kein Verbrechen, das ist mir auch schon ab und zu so gegangen. Das kann in der Hitze des Gefechts passieren. Ich kann das darum auch sehr gut entschuldigen, weil ich weiß, wie schnell das vorkommen kann, vor allem, wenn man zu tun hat. Die paar Punkte sind schnell verbraucht, vor allem wenn man längere Zeit keine neuen Sachen beschafft hat. An Deiner kurzen Zusammenstellung kann man erst ermessen, wie schnell die alle werden, wenn man großen Bedarf hat. Darum bin ich, wie schon öfter erwähnt, sehr froh, daß ich noch die verschiedenen Käufe getätigt hatte, denn das hat sich schon fühlbar bemerkbar gemacht. Du weißt nicht, was man für ein Bedürfnis hat, für Euch etwas zu beschaffen, weil man sich im klaren darüber ist, wie alles jetzt streng gehandhabt wird. Daß Schiebungen daheim gemacht werden und nicht zu knapp, das geht schon aus den täglichen Zeitungsnotizen hervor. Aber uns fehlen die notwendigen Verbindungen dazu und dann sind wir auch nicht die Menschen, die das so ohne weiteres fertig brächten.  Die Laubsänge existiert also noch, das beruhigt mich und anscheinend auch Dich. Jörg weiß ja wohl noch nicht, welches Glück ihm bevorsteht. Du hast mir ja versichert, daß Ihr beide Euch einig werdet, das gibt mir eine gewisse Beruhigung.  Die Übersendung des Geldes an Deinen Vater zum Kauf von etwas Tannenschmuck für die Gräber stimme ich vollkommen zu. Wir brauchen uns nichts von ihm schenken lassen und er wird es auch nicht ablehnen, wenn er das Geld in Besitz hat.  Wie ich aus der Zeitung ersehen mußte, sind die Engländer wieder über die Schweiz nach Süddeutschland eingeflogen. Ich hoffe, daß auch nichts passiert ist.  Mit der Verwendung der Bonbons und der Schokolade bin ich ganz und gar einverstanden. Ich freue mich, daß Dir diese Sachen zugesagt haben. Die Kinder sind ja gegen Süßigkeiten auch nicht abgeneigt, da es sich bei der Schokolade um Milchschokolade handelt, werden sie doppelt zufrieden gewesen sein. Mit Umschlägen und Briefpapier bist Du wohl für eine Weile eingedeckt. Eine Sendung mit etwas Papier schicke ich in diesen Tagen nochmals weg, dann hört es einmal für eine Weile auf. Daß ich den Taschenkalender von Deinem Vater nicht bekommen habe, teilte ich Dir schon kürzlich mit. Ich bin ja soweit damit versorgt, soll der, der ihn gefunden hat damit selig werden. Schuld daran hat aber Dein Vater insoweit, als er ihn für die lange Reise mangelhaft verpackte. Das ist aber kein Grund, sich deshalb graue Haare wachsen zu lassen.  Herzliche Grüße und recht viele Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.

Donnerstag, 25. Januar 2018

Brief 374 vom 25./26.1.1943


Mein liebes Mädel !                                                                     25.1.43  
        
Ich muß auch heute wieder ganz zufrieden sein, denn ich erhielt zwei Briefe von Dir. Es sind die vom 14. und 15. dagegen sind die, die schon weiter zurückliegen, noch nicht angekommen,. Ich danke Dir vielmals für Deine lieben Zeilen und auch für die von Helga, die sie Deinem Brief beigelegt hatte. Ich möchte in diesem Zusammenhang gleich etwas klargestellt haben. Helga schreibt, daß mein Nikolausbrief noch angekommen sei. Ich habe aber das Empfinden, als hätte sie das „nicht“ vergessen, denn Du teiltest mir doch kürzlich mit, daß Du auch hoffen würdest, daß vielleicht doch noch dieser Brief eintreffen würde. Ein Durchschlag eines Schreibens Deines Vaters an Dich kam heute auch noch an. Der Briefumschlag war aber ganz zerfleddert, denn er hatte einen Kalender beigelegt. Das hatte der Umschlag nicht ausgehalten und hat sich dieser Kalender darum selbständig gemacht. Er ist also nicht angekommen. Ich habe ja bereits einen, darum ist das nicht ganz so schlimm.  Mit Freude habe ich vermerkt, daß das erste Päckchen mit Mehl bei Dir angekommen ist. Ich denke, daß es gut brauchbar ist. Ich hoffe, daß die anderen Sachen auch alle noch bei Dir ankommen werden. Wenn Du von dem unterschiedlichen Wetter bei Euch sprichst, so habe ich Dir ja schon berichtet, daß das hier auch nicht anders ist. Heute früh hatten wir wieder 25 Grad Kälte. Morgen früh werden es entsprechend mehr sein, denn jetzt am Abend haben wir schon nach meiner Meinung mehr davon. Wie man aber schon aus dem Wehrmachtsbericht hört, hat es im Kaukasus geregnet. Da kann es passieren, daß das hier auch bald eintritt. Daß eine Entfremdung zwischen den Kindern und mir eingetreten ist, konnte ich auch nicht feststellen. Sie sind ja schon in einem Alter, wo sie schon soviel übersehen können, was jetzt los ist und ihren Vater kennen sie ja auch; und das ist nicht nur von einer Seite. Zudem macht gerade das Briefeschreiben viel aus, denn das trägt zur Bindung und zur Aufrechterhaltung des Gefühls des Zusammengehörens bei. Das dies auch tatsächlich der Fall ist, lese ich immer wieder aus den Zeilen unserer beiden Stromer. Daß auch Du dies alles unterstützt, weiß ich genau. Zwischendurch habe ich erst einmal ein Päckchen mit Briefpapier fertiggemacht.  Was ich jetzt wegschicke, brauche ich nicht zu verpacken und Dir ist es nützlich daheim. Ich weiß, daß Du einen guten Vorrat hast, aber das macht ja nichts. Es ist ja nicht ausgeschlossen, daß ich eines Tages darauf zurückgreifen muß. Für morgen mache ich noch etwas davon fertig, dann habe ich das auch.  Wenn Du mir ab und zu den Speisezettel mitschreibst ist schon richtig, dann kann ich doch immer wieder sehen, was Ihr zu essen habt. Ich kann weiter daraus feststellen, wie es Euch geht in Bezug auf die Ernährung. Daß Du abends immer so müde bist, kommt wohl zeitweilig daher, daß Du die Abende vorher so lange munter bist. Nach einiger Zeit tritt dann die Reaktion ein. Der Körper braucht nun einmal Ruhe.  Ich verstehe das sehr gut, denn mir geht es genau so. Ich bin viele Abende bis spät in der Nacht auf. Früh muß ich ja immer zur gleichen Zeit aufstehen. Aber manchmal habe ich dann direkt Verlangen danach, mich zeitiger hinzulegen. Meist komme ich ja nicht dazu, aber ab und an klappt es doch einmal.  Dein Vater beklagt sich, daß er von mir so lange keine Post bekommt. Das liegt aber nicht an mir, denn ich beantworte meine Post fast am gleichen Tag. Wenn nicht, dann doch kurz nach ihrem Eingang. Daß Dein Vater aber 70 Pfund abgenommen hat, ist ja keine Kleinigkeit für ihn. Man sieht daraus, daß die Ernährung doch nicht mehr so ist. Ich habe zwar heute Nachtdienst, aber ich will zusehen, daß ich zum Schlaf komme und werde ihm in den nächsten Tagen wieder schreiben, obzwar ich schon zwei Briefe an ihn unterwegs habe. Ich muß mich mit meiner Zeit einrichten, denn ich komme schon kaum zum richtig etwas Lesen und das würde ich manchmal ganz gerne tun.  Wie ich aus Deinem großen Brief gelesen habe, gehen wir in allen Dingen wieder einig. Das ist ja gut so, denn dann brauche ich ja keinen Krach mit Dir anzufangen. Da hast Du doch sicherlich große Angst. Lasse Dich, mein lieber Schatz, vielmals recht herzlich grüßen und küssen und bleibe mir weiterhin gesund. Dein Ernst.

Meine liebste Annie !                                                                     26.1.43   
  
Vielen vielen herzlichen Dank für Deine beiden Luftpostbriefe vom 20. und 21., die heute beide eintrafen. Ich kann heute nicht lang schreiben, denn mein Zimmer ist kalt geworden. Ich hatte heizen lassen, aber die Kohle vergast nur das Zimmer, so daß ich ihn habe wieder ausräumen lassen. Das Zimmer ist nun kalt und die Luft verursacht einem trotzdem immer noch Kopfschmerzen. Ein Kamerad fährt aber ins Reich und soll diesen Gruß gleich mitnehmen.  Zuerst habe ich mich sehr über den Erfolg von unserem Jungen gefreut. Die Belohnung für ihn liegt bei, damit er sieht, daß ich mein Wort prompt einhalte. Über diese Dinge schreibe ich noch einmal, nur heute nicht. Eine weitere Freude hatte ich dadurch, daß ich durch diese Briefe erfuhr, daß sämtliche Päckchen aus dem vergangenen Jahr nun alle bei Dir eingegangen sind.  Auch das erste von diesem Jahr ist anscheinend bei Dir angekommen. Ich hoffe, daß die anderen, die jetzt noch unterwegs sind, Dich ebenfalls erreichen. Ich habe heute ein Paket fertiggemacht.  Es enthält Öl und trägt die Nummer 13. Zwei weitere Flaschen folgen morgen. Man hat nur immer die Schwierigkeiten mit der Einhaltung des Gewichts. Überschritten ist es sowieso, aber man darf es nicht allzu auffällig treiben. Einzelheiten werde ich ja noch aus den Briefen ersehen, die unterwegs sind.  Nimm für heute recht viele Grüße und recht, recht herzliche Küsse entgegen von Deinem Mann, Deinem Ernst.

Brief 373 vom 24.1.1943


Mein liebes gutes Mädel !                                                               24.1.43 
          
Der Sonntag geht bald wieder seinem Ende zu. Ich habe meine wöchentliche Reinigung vorgenommen. Ich bin zwar kein Mohammedaner, aber ich halte es doch für zweckmäßig, wenn man es sich leisten kann. Ein Hallenbad ist es zwar nicht, aber immerhin ein Waschbecken, das man auf den Ofen stellen kann, um es warm werden zu lassen. Du wirst zwar lachen, aber bei diesem Wasser hier geht es mir wie Dir, wenn Du vom Baden kommst.  Man hat aber trotz allem das Gefühl, daß man sauber geworden ist, Jetzt läuft noch der Feldpostrundfunk, Ihr werdet ihn sicherlich auch daheim hören.  Ich denke, daß Du dann zufrieden sein wirst, wenn Du Deinen eigenen Schneeschieber hast. Das war ja schon immer Dein Wunschtraum. Jetzt hast Du es geschafft. Ich kann Di aber verstehen, daß Du nicht gern von anderen Leuten abhängig sein willst. Daß Du aber schon Deinen Besen verwendet hast, das ist mir schon etwas komisch, aber das ist nun auch nicht mehr nötig. Daß Du Dir durch Kinobesuch etwas Abwechslung verschaffst, liegt ganz in meinem Sinn. So hast Du doch etwas Ablenkung. Mit dem Besuch beim Nähen habe ich mich früher ja schon einverstanden erklärt. Ich will Dir auch diesmal nicht dagegen sprechen, wenn Du meinst, daß Du es körperlich machen kannst. Ich möchte aber nicht, daß Du dadurch nächtelang aufsitzen mußt. Ich lege großen Wert darauf, daß Du Dich nicht kaputt machst. Ich habe früher schon einmal gesagt, daß es kein Schade für die wäre, die an sich viel mehr Zeit dazu hätten. Ich denke hier nur an meinen feinen Kollegen, der mir dauernd die Ohren voll jammert, weil seine Frau so Schwierigkeiten mit ihrem Dienstmädchen hätte. Die Frau hat zwei Kinder, hat aber nicht die Aufgabe wie Du, denn da ist noch die Mutter mit im Haushalt. Der Kerl hat aber einen Spleen und meint, daß seine Frau nicht in der Lage wäre, das alles allein zu machen. Weißt Du, da kann einem die Galle manchmal hochkommen. Die Frau schont sich. Die Leute sind bombengeschädigt in Düsseldorf und haben jett in Oberbayern eine Unterkunft gefunden. Ich sehe wohl ein, daß das keine Kleinigkeit für die Leute ist, aber auch unter anderen Umständen herrscht die gleiche Meinung vor. Aber ich will mich nicht weiter darüber auslassen, man könnte sich sonst darüber ärgern. Also, wenn Du das dort tun willst, dann immer unter dem Gesichtspunkt, daß Du auch auf Deine Gesundheit acht gibst.  Soeben komme ich von der Dienststelle wieder. Die Nachrichten von einer Zurückziehung unserer Einheit verdichten sich immer mehr. Es will mir einfach nicht in den Kopf, daß wir hier wegmüssen. Aber was hilft es, höhere strategische Gesichtspunkte sind dabei maßgebend. Wir müssen auch diese Schläge hinnehmen können, so hart wie es auch für uns ist, wir müssen dies tragen. Wenn nur der Winter wieder hinter uns wäre. Ich habe schon allerlei überflüssige Sachen abgesandt. Für mich sind sie jedenfalls im Augenblick im Wege und für Euch sind sie von Wert.. Ich hoffe, daß ich noch eine Flasche Öl sowie eine Flasche Cognac wegbringe. Eine kleine Flasche mit Honig muß ich auch noch fertig machen. Das Päckchen Nr. 11 habe ich bereits fertiggemacht. Es enthält Butter, die ich von meiner Verpflegung übrig hatte. Sei mir bitte nicht böse, auch die kleine Büchse mit Kondensmilch habe ich wieder beigefügt. Ich habe sie noch nicht verwenden können. Wenn Du im Augenblick keine Verwendung dafür hast, dann hebe sie mt auf, man weiß ja nicht, was noch kommen kann, dann hast du eine kleine Reserve. Daß mein Sinnen und Trachten in erster Linie auf mein Gepäck gerichtet ist, daß ich das in den Zustand bringen und transportfähig zu machen habe, das kannst Du Dir denken. Ich will aber auch nichts umkommen lassen, denn Ihr könnt es notwendig daheim brauchen.  Wenn Du die Baumwolle von den Flaschen wegmachst, so will ich Dir gleich mitteilen, daß diese wahrscheinlich alt ist, denn die stammt von einer mir unbekannten Stelle. Wenn Du diese irgendwie brauchst oder verwenden willst, dann müßte sie erst gereinigt werden. Ich schreibe Dir dies, damit Du die notwendige Vorsicht dabei anwendest.. Die Flaschen sind ja soweit fest verschlossen, daß an dem Inhalt nichts passieren kann. Das Wetter ist sehr wendisch, richtig wetterwendisch. Heute früh fing es nach erneutem Schneefall an mit Tauen, gegen Mittag wurde es kälter und jetzt dringt die Kälte langsam ins Zimmer rein. Es ist aber immer noch zu ertragen, wenn es nicht stärker anzieht.  Daß Du in das Päckchen für mich noch etwas Gebackenes getan hast, ist sehr lieb von Dir und ich danke Dir schon heute dafür. Heute Nachmittag habe ich das letzte gegessen. Es hat ziemlich lange ausgereicht. Ich freue mich wohl immer über diese schönen Sachen, ich will aber nicht, daß Ihr durch diese Sendungen Euch etwas absparen müßt, denn unsere Verpflegung ist, wie ich Dir schon schrieb, jetzt wieder so ausreichend, daß ich immer satt bin, außerdem sind wir ja mit Brot reichlich versorgt.  Was die Erwähnung des Schreibens Deines Vaters an Dich anbelangt, so kann ich nur dazu sagen, daß er sich nicht über uns beklagen kann. Wir haben  ihm unsere Ansicht über all diese Dinge geschrieben, wir haben ihm auch mitgeteilt, daß wir nicht die Absicht haben, ihn groß zu besuchen, wenn die Frau im Haushalt ist, weil wir doch zu sehr an dem früher Übliche hängen. Wenn nun die Tatsachen eintreten, die wir ihm schon anfänglich vor Augen hielten, dann muß er sich jetzt nicht wundern. Wir haben nun einmal keine Bindung mit dieser Frau, das läßt sich auch nicht herbeizwingen. Das Gedichtchen, das er gemacht hat, ist wirklich sehr nett gemacht, und ich glaube ihm gern, daß er in Gedanken viel an Mama hängt.  Ich verstehe andererseits auch, daß er auf seine jetzige Frau Rücksicht nehmen muß. Wir können ja auch den Verkehr in der jetzt sich angebahnten Form weiter mit ihm unterhalten. Bis jetzt habe ich aber keine Lust, mehr zu tun.  Vater wird aber die Beschäftigung bei Strohmayer nicht gerade angenehm sein. Daß dieser Halunke, dieser Kriegsgewinnler, ihn nicht als Facharbeiter beschäftigt, das sieht diesem Verbrecher ähnlich. Diese Brüder sitzen in der Heimat und machen das Geschäft. Sie opfern eines ihrer Kinder und das alles für ihren Verdienst. Wenn ich sowas höre, da kann mich der Zorn packen.  Daß Du mit unserem Jungen Schwierigkeiten insofern hast, als er nicht auf seine Schuhe Obacht gibt, das kann ich mir schon vorstellen, denn die Beschaffung ist ja gegenwärtig so schwer. Aber Überlegung kann man noch nicht so verlangen, denn er ist ja noch ein Kind, das nur an das Spielen denkt. Dabei vergisst er dann alles. Daß Dir das viele Sorgen macht, verstehe ich vollauf, denn es ist keine Kleinigkeit immer, Sachen in Schuss zu haben. Aber Du siehst ja immer wieder peinlich darauf. Mir macht es auch große Freude, daß der Blumenstock so dankbar blüht. Das war doch schön, daß ich ihn Dir als Andenken an den Urlaub noch gekauft hatte. Das ist doch ein lebendiges Erinnerungsgeschenk.  Auf die restlichen Sachen komme ich sobald als möglich zurück.  Lasse mich bitte jetzt schließen.  Sei Du recht herzlich gegrüßt und grüße ebenso die Kinder und Vater. Den Kindern gib jedem einen herzlichen Kuss, wie ich Dir selbst recht herzliche und viele Küsse übermittle. Dein Ernst.
Dem Päckchen Nr. 11 habe ich noch einige lichter beigelegt, die ich hier für evtl Fälle aufgehoben habe. Außerdem noch die Kerzen, die Du mir gesandt hast. Wenn ich sie später einmal brauche sollte, dann schreibe ich wieder. Hebe sie bitte mit auf.

Brief 372 vom 23.1.1943


Mein liebstes Mädel !                                                                    23.1.43  
        
Es ist plötzlich still bei uns geworden und das Arbeitstempo hat sehr nachgelassen. Ich setze mich darum heute Vormittag schon hin, um meinen Brief an Dich anzufangen. Ich habe gestern schon in meinem Brief andeutungsweise von den Ereignissen gesprochen, die inzwischen hier eingetreten sind. Was und vor allem wie sich das zugetragen hat, das kann man ja nicht schreiben. Bei uns liegen zur Zeit jedenfalls die Dinge so, daß wir schon anfangen, alle überflüssigen Dinge zusammenzupacken und Sachen, die keine Bedeutung mehr haben, zu verbrennen. Wahrscheinlich  werden wir uns von hier zurückziehen, Mir selbst ist das zwar nicht verständlich. Die Gründe, die die maßgebenden Herren dazu bewogen haben, sind mir nicht bekannt. Aber ich betrachte das nur als eine Vorsichtsmaßnahme. Die Ereignisse sind wieder ziemlich nahe an uns herangerückt. Ich werde das, was ich abstoßen kann, an Dich auf den Weg bringen. Ich denke, daß ich meine zwei Koffer irgendwo mit unterbringe. Wenn das geht, dann habe ich meine sämtlichen Sachen verstaut. Es wird aber alles nicht so schlimm werden, wie es immer gemacht wird. Du brauchst Dir daraus keine Sorgen zu machen, denn ich werde Dich laufend über die Dinge unterrichten, die wichtig sind, soweit dies im Schreiben überhaupt möglich ist. Heute habe ich wieder ein Päckchen fertiggemacht. Es enthält die Zigarren und Stumpen, die ich gekauft und gesammelt habe. Es sind teilweise sehr teure Sachen  dabei. Das Stück bis 40 Pfennig. Ich habe sie aber trotzdem gekauft, weil Du damit immer etwas hast, um kleine Geschenke machen zu können. Das Päckchen trägt die Nummer 10.  Aber, soeben habe ich auch wieder Post bekommen. Drei Briefe, vom 8. 10./11. und 13. habe ich erhalten.  Ich habe mich wieder sehr darüber gefreut. Aus Deinen Zeilen habe ich vielfach Dinge lesen können, die Dir Freude gemacht haben, was bei mir ein gleiches auslöst. Daß mein Brief an die Kinder Zustimmung gefunden hat, gibt mir dann auch wieder Anlass dazu, daß ich in dieser Weise fortfahren kann. mich mit ihnen zu unterhalten. Weitere Briefe an sie sind ja schon wieder unterwegs. Ich nehme an, daß diese die gleiche Zustimmung finden. Sie bewegen sich beide auf den verschiedensten Gebieten. Ich glaube aber, daß sie mir so einigermaßen gelungen sind. Daß Du das eine Butterpäckchen erhalten hast, macht mir insofern Freude, weil ich mir nun keine Sorge mehr machen brauche, ob es nicht doch vielleicht verloren gegangen ist. Es ist ja noch einiges Zeug unterwegs, von dem ich hoffe, daß es Dich so gut erreicht wie die anderen Sachen. Ich mache mir immer Gedanken, wie ich Euch mir Sachen unterstützen kann. Die Abschickung der Sachen macht wohl manchmal kleine Schwierigkeiten, aber ich habe immer noch etwas auftreiben können. Mit dem Verpackungsmaterial ist es manchmal etwas knapp.  Papierbindfaden habe ich hier schon kaufen können, etwas anderes bekommt na ja nicht.  Von der eigentlichen Besserung von Helgas Zustand habe ich nun gelesen, und ich bin froh, daß es wieder so abgegangen ist. Sie geht nun sicher fleißig in die Schule. Solange sie nicht ganz auf der Höhe sind, da geht es auch, denn da verhalten sie sich meist ruhig. Sobald es aber ihnen einigermaßen besser geht, dann fangen sie an, unruhige zu werden. Das ist ja nun vorbei. Die Wetterverhältnisse sind hier ja auch nicht gerade günstig. Heute fängt es an zu tauen, nachdem es die ganze Nacht vorher geschneit hat. Eigenartig war das heute früh. Ein Teil der Häuser war ganz weiß beschlagen. Die Häuser müssen geschwitzt haben, was sich dann wie Reif auf die Mauern aufgesetzt hat. Daß der Vater einer Schulkameradin von Helga auch hier am Ort liegt, das ist schon möglich. Dienststellen sind ja in reichlichem Maße vorhanden, so daß das sich sehr verteilt und daß es schon ganz komisch zugehen muß, wenn man da jemand trifft.  Daß Dir die Sendung mit dem Kölnisch Wasser eine Linderung bei Deinen Kopfschmerzen verschafft hat, ist mir eine Bestätigung dafür, daß es höchste Zeit war, daß Du wieder etwas erhalten hast. Es ist ja davon auch noch etwas unterwegs. Ich denke, daß das dann schon eine Weile reicht.  Mit den Langusten hatte ich anscheinend nicht das richtige für Euch getroffen. Jörg hat es wenigstens nicht abgelehnt. Es wäre ja schade, wenn es nicht verbraucht werden würde, wenn die Dose nun einmal geöffnet ist. Aber eine Dose mit Fisch ist ja nun auch hoffentlich in Euren Besitz gelangt. Ich kann Dir gar nicht schildern, wie ich mich über jede Kleinigkeit freue, die ich Euch senden kann.  Vorhin habe ich gerade festgestellt, daß nach dem Kalender Samstag ist. Man merkt das nicht mehr bei dem Betrieb, wie der gegenwärtig bei uns herrscht. Eines hat man nur davon, daß man am Sonntag morgen erst gegen 9 Uhr anfangen braucht mit Arbeiten. Aber jetzt will ich mich noch fpr den schönen und ausgiebigen Brief vom 11.  bedanken, den ich nachträglich durch einen Kameraden zugestellt erhielt. Was sagst Du nun, ich habe es auch bald soweit gebracht wie Du mit dem Empfang von Briefen. Nachdem Du in dem Brief aus Posen erst kein Begleitschreiben vermutet hattest, war für Dich die Überraschung wohl doppelt so groß. Ich muß aber auch Dir meine Anerkennung zollen, denn Du hast ja allerhand geschrieben.  Du dehnst Deine Nachtschicht ja ziemlich lang aus. Das sollst Du aber nicht so oft machen, denn Du brauchst Deinen Schlaf, wenn Du am anderen Tag Deine Pflichten wieder erfüllen mußt. Wenn ich aber in einem meiner Briefe tatsächlich frech gewesen sein sollte, dann bitte ich Dich, das nicht wörtlich zu nehmen. Du kennst ja meine Art. Manchmal bin ich etwas grob. Es hat sich sozusagen als ein gewisses Privileg herausgebildet im Laufe der Jahre. Ich bitte dich, darum auch in diesem Fall keinen so strengen Maßstab anzulegen. Daß Du mich nun gleich mit „Bürschle“ anredest, das deutet ja darauf hin , daß ich mich bald Jörg anschließen muß, um womöglich mit ihm eine Notgemeinschaft zu bilden gegen etwaige Angriffe von Dir. Das ist wohl wieder so eine Frechheit von mir.  Aber wenn ich schon einmal büßen muß, dann kann ich das ja bequem in einem Abwasch dann spare ich Dir die doppelte Mühe, ich habe aber doch den doppelten Spaß daran. Aber mit dem „An den Haaren ziehen“ mußt Du schon noch etwas warten. Es kann ja sein, daß sich mein Schuldkonto so erweitert hat, daß ich nur dann wieder nach hause kommen kann, wenn ich vorher ganz große Abbitte geleistet habe und versprochen habe, mich nun doch noch ernstlich zu bessern. Bis es aber soweit ist, kann ich ja noch ungestraft in dieser Form mich weiter auslassen.  Für die gesandten Zeitungen danke ich Dir. Ich habe sie heute erhalten. Übrigens, in der Konstanzer Zeitung stand daß bei meiner früheren Kollegin ein Junge angekommen ist. Ich dachte, wunder was für ein hohes Tier der Mann von ihr ist, dabei ist es ja auch nur Steuerassistent.  Der wollte früher auch immer so hoch hinaus. Aber man muß dann eben nehmen, was sich bietet.  Ich habe noch kleine Verpackungen vorzunehmen. Lasse mich darum bitte schließen für heute, und sei vielmals und recht oft gegrüßt und geküsst von Deinem immer an Dich denkenden Ernst.

Brief 371 vom 21./22.1.1943


Mein Liebling !                                                                              21.1.43  
       
Ich sehe, daß es nicht nur bei mir spät wird, bis ich zum Briefeschreiben komme, denn in Deinem Brief vom 9. teilst Du mir mit, daß Du über Mitternacht gearbeitet hast, um diesen Brief zu fabrizieren. In letzter Zeit habe ich die Post ziemlich lückenhaft erhalten. Ich bin aber auch so froh, denn es ist besser, man bekommt sie so, als überhaupt keine. So habe ich mich beruhigt, als ich las, daß Helga wieder soweit hergestellt ist, daß sie keine Beschwerden mehr hat, dann kann sie ja jetzt unbesorgt die Schule besuchen. Man macht sich doch Gedanken, ob es sich zu nichts Ernsthaftes entwickelt. Andererseits ist man froh, wenn sie auch einmal einige Tage in der Schule fehlen daß ihnen das nicht viel ausmacht, denn sie werden bald das Versäumte nachgeholt haben. Die Sache mit unserem Jungen, die Du mir da erzählst hast, entspricht ganz und gar seinem Wesen. Er ist an sich nicht so schwierig zu behandeln, denn er fängt schon jetzt von sich aus einzusehen, wann er unrecht hat. Ich denke, daß es für ihn auch nicht immer leicht ist, sich zu überwinden, aber lernen muß er es, denn solch ein Dickkopf wie er ihn hat, könnte sich von Fall zu Fall in späteren Jahren ungünstig auswirken. Unterordnen muß er nun einmal lernen. Du weißt ja, daß ich diesen Standpunkt immer schon vertreten habe. Er ist ja noch jung, kann immer noch gebogen werden, denn in diesen Jahren läßt es sich noch machen.  Später fällt es schon viel schwerer. Du siehst es ja an mir, daß da schon Hopfen und Malz verloren ist. Aus Deiner Schilderung hat mich dann vor allem gefreut, daß er seinen Fehler eingesehen hat, ohne daß Du ihm erst auf die Sprünge hast helfen müssen. Du hast recht getan, wenn Du ihm nicht gleich hinterherläufst, denn das darf in keinem Fall soweit kommen, daß die Kinder die Eltern dirigieren. Du hast ja auch nicht die Veranlagung dazu und das ist nach meiner Meinung ganz richtig so. Daß er aber immer so verspielt ist, das könnte einem fast Sorge machen. Es muß ja nicht so sein, daß sich das später zu seinen Ungunsten auswirkt. Anscheinend geht aus Deinem vorhergehenden Brief hervor, was das mit den Briefumschlag für Kuster auf sich hat. Hast Du ihn eigentlich einmal gefragt, was es mit dem einen Briefumschlag auf sich hat, den ich im Bücherschrank hingelegt hatte. Wenn Du nicht dazukommst, dann lege ihn bitte wieder mit ins Album hinein. Ich denke aber, daß Du die Umschläge zum Tag der Briefmarke hast hingeben müssen.  Durch unsere Dienststelle kam dieser Tage ein Rat, der in der Heimatbehörde meines ersten Chefs in Frankreich tätig ist. Durch den erfuhr ich, daß ein Kamerad, der mit dort beschäftigt war, hier im Osten inzwischen gefallen ist. Ich habe von ihm ein Foto. Es ist der, der im Ledermantel fotografiert ist. Hier hat es manchen seit dieser Zeit getroffen.  Mit dem Wetter ist es hier auch nicht immer angenehm. Nach einigen kalten Tagen wurde es gestern wieder wärmer und es fing auch an zu schneien. Man braucht sich nicht so fest mehr einzupacken, aber der Wind macht wieder den Aufenthalt auf der Straße so unangenehm. Für mich ist es ja nicht ganz so schlimm, denn ich bin ja doch die meiste Zeit auf dem Büro.  Vater soll aber bald zum Arzt gehen, wenn er noch nicht gegangen ist, denn für einen älteren Mann ist das keine Kleinigkeit. Mache ihm ein bisschen Dampf.  Helga ist auch so ein Spatz. Was sich ein Kind manchmal so vorstellt. Sie hält sich also an verschiedene Worte. Die ersten Worte kann ich ihr nachfühlen, aber daß sie sich auch noch an das Wort „feste“ klammert, das ist doch belustigend.  Ich habe wieder etwas Mehl bekommen, das ich heute Abend noch fertig mache und an Dich abschicke. Es gibt wieder zwei Päckchen, die die Nummer 8 und 9 tragen. Gegenwärtig bin ich ganz zufrieden mit dem Erfolg in dieser Beziehung. Ich kann Euch doch wenigstens auf diese Weise etwas unterstützen. Hoffentlich erreicht Dich alles in ordentlichem Zustand. Etwas Butter habe ich mir von meiner Verpflegungsbutter aufgespart. Ich habe sie in einer Marmeladendose gesammelt, die ich Dir bald mit zugehen lassen werde. Es hilft immer wieder mit, denn in der gegenwärtigen Zeit kann man nicht genug von Fettwaren auf Vorrat haben, denn damit geht es doch nicht zu üppig.  Ich sende Dir, mein lieber Schatz, recht viele Küsse und viele liebe Grüße. Dein Ernst.
Ein Umschlag mit Schriftwechsel und Briefumschlägen ist gestern an Dich abgegangen. Die zwei Urkunden, von denen ich kürzlich schrieb, habe ich meinem heutigen Brief beigefügt. 

Meine liebste Annie !                                                                         22.1.43  
       
Daß mir die Post so unregelmäßig etwas bringt, kann ich Dir nicht entgelten lassen, denn Du kannst ja nichts dafür. Wie ich Dir schon gestern schrieb, sind höhere Gesichtspunkte für die Transporte maßgebend, denen wir uns eben unterordnen müssen. Wir nehmen das auch gern hin, wenn man weiß, daß man den Kameraden damit hilft. Die gegenwärtige Lage erfordert größte Anspannung aller Kräfte, auch die der rückwärtigen Einheiten. Hoffen wir, daß sich die Dinge bald festigen und den Kameraden Entlastung zuteil wird.  Draußen liegt wieder Neuschnee, Pulverschnee. Die Kälte ist nicht ganz so streng, aber trotzdem wäre es mir lieber, wir hätten den Winter schon hinter uns. Wir werden aber bis zum Frühjahr wieder aushalten müssen, um die Arbeit für den Sommer vorzubereiten. Bis dahin wollen wir aber nicht die Hand in den Schoß legen, sondern alles einsetzen, daß es bald wieder vorwärtsgeht. Bis Du diesen Brief bekommst, wird es schon soweit sein. .  Heute Nachmittag war bei uns wieder Kinovorstellung. Es wurde der Film „Der Mustergatte“ gespielt. Es ist zwar viel Quatsch dabei, doch manches war recht originell. Die Wochenschau brachte Bilder von Leipzig, das war eine ganz nette Angelegenheit, wenn man als alter Leipziger das sieht. Bis die Wochenschau zu uns kommt, das braucht zwar eine ganze Weile, aber wir sind ja sehr froh, daß wir Gelegenheit haben, etwas aus der Heimat zu sehen. Die Vorstellungen finden immer freitags statt. Es kann sein, daß das nächste Mal „Der große Schatten“ gespielt wird. Das ist doch der Film, den Du vor kurzem gesehen hast.  Heute habe ich das erste Päckchen mit Mehl abgeschickt, morgen geht das andere ab. Ich muß aber noch verschiedene kleine Sachen vorbereiten. Diese Packerei macht immer ziemlich Arbeit, die ich zwar sehr gern mache, denn ich weiß, daß ich dir damit eine Freude machen kann.  Ich bin nicht in der richtigen Stimmung. Lasse mich bitte heute schließen. Ich grüße Dich und die Kinder vielmals sehr herzlich und sende Dir, mein liebster Schatz, recht herzliche Küsse. Dein Ernst.

Brief 370 vom 19./20.01.1943


Meine Liebste, liebste Annie!                                                   19.1.43  
     
Es ist heute nicht so spät wie gestern, ich komme schon am späten Nachmittag dazu, wenigstens meinen Brief an Dich anzufangen. Wenn es sich irgendwie machen läßt, dann schreibe ich Dir, das kennst Du ja nun schon durch die lange Zeit, die wir uns auf diese Weise verständigen müssen.  Von den Päckchen muß ich heute noch einmal berichten. Ich sende ja jeden Tag eins ab. Die ich fertiggemacht habe, wiegen alle über das zulässige Gewicht. Es kann also sein, daß Du noch in der Heimat weitere 20 Pfennig zuzahlen mußt. Das macht aber nichts weiter aus, denn ich bin sehr froh darum, daß ich das Verpackungsmaterial so weit ausnutzen kann. Ich habe alles in Wellpappe verpackt. Ich hoffe, daß die Sachen nicht beschädigt werden. Der Auftakt des Jahres ist nicht schlecht, denn ich habe wieder 2 kg Mehl in Aussicht, die dann anschließend an Dich abgehen. Das Öl wird Dir sicher eine große Hilfe sein, denn da kannst Du doch wieder Puffer und andere Sachen backen, zu denen Du sonst das andere Fett verwenden mußt. Ich bin gespannt, ob alles gut ankommt und was Du dazu sagst. Ich sende deshalb nicht alle Päckchen mit einem Male weg, weil es vorkommen könnte, daß durch irgendwelche Einflüsse eine ganze Ladung verloren geht, dann wäre womöglich alles weg. So ist dann doch ein Teil in Mitleidenschaft gezogen, wenn schon etwas damit passieren sollte.  Solange diese Dinge noch nicht bei dir sind, ist es immer ein Risiko. Aber wenn ich bedenke, ist uns von den vielen Päckchen noch nicht sehr viel verloren gegangen. Im letzten Jahr habe ich 106 Päckchen, die ich nummeriert hatte, abgesandt. Ich glaube, 3 oder 4 haben Dich davon nicht erreicht. Für mich wie auch  besonders für Dich ist das ärgerlich, wenn nur eines verloren geht.  Aber wenn man dann so das Jahr übersieht, summieren sich diese Sendungen doch, so daß man sagen kann, diese Zuwendungen sind nicht unbeträchtlich. Ich will mir damit nun kein Denkmal setzen, aber es ist doch interessant, sich dies einmal zu vergegenwärtigen. Soeben kommt unser Postholer zurück und teilt mit, daß es heute nicht gegeben hat. Ja, die Versorgung ist in letzter Zeit nicht gerade besonders gut. Wenn aber andere Transport vorgehen, dann müssen eben diese Sendungen zurückbleiben. Es ist zwar nicht angenehm für uns, aber man muß es hinnehmen.  Der von Alice angekündigte Brief wird wieder sehr groß ausfallen. Über dieses Thema habe ich kürzlich schon einmal ausführlich geschrieben, im wesentlichen habe ich nichts mehr dazuzufügen. Bei unserem letzten Zusammentreffen gab sie als Ausrede an, daß sie die Feldpostnummer nicht gewußt hätte und daß ich ihr auch nicht geschrieben hätte. Das ist nu alles nicht der Fall, denn ich habe mehrere Male von mir hören lassen. Die Schuld liegt also keinesfalls an mit oder an uns. Ihrem Vater wird soe wohl öfter schreiben, denn diese Quelle scheint nahrhafter zu sein. Das muß man ihr aber lassen, denn das ist ihre Eigenart.  Das Leeren des Weihnachtsbaumes war sicherlich ein besonderes Geschäft für unsere Kinder.  Sie werden es als eine Auszeichnung betrachtet haben, wenn sie es ohne Mithilfe tun durften. Schön ist es, wenn man ihn zurecht machen kann, aber auch das Ableeren macht Vergnügen, vor allem, wenn noch verschiedene Sachen zum Naschen darauf sind. In Friedenszeiten ist das alles ergiebiger, aber sie sind auch mi dem zufrieden, was es jetzt gibt. . Daß sich noch andere brauchbare Sachen, wenigstens vom Standpunkt der Kinder aus gesehen, darunter befinden, das ist eine altbekannte Tatsache. Die Sachen liegen ja nun wieder ein Jahr auf dem Speicher und kommen erst wieder am Ende des Jahres zum Vorschein. Daß sich dadurch allerhand romantische Gedanken damit verbinden, ist ohne weiteres verständlich.  Ich grüße Dich und die Kinder recht herzlich.  Richte an Vater ebenfalls schöne Grüße aus. Dich, mein liebes Mädel, küsse ich recht fest und bin immer Dein Ernst.

Mein liebes Mädel !                                                                        20.1.43  
        
Ich habe heute nacht Dienst. Eine neue, anscheinend aber nur vorübergehende Einrichtung bei uns. Aber ich muß eben hier sitzen, daran läßt sich nichts ändern. Ich habe die Gelegenheit benutzt und habe meine schon länger gehabte Absicht wahrgemacht und habe unserem Jungen geschrieben, denn nachdem ich an Helga geschrieben hatte, war einer an ihn fällig. Ich habe ihm auf sein Märchen etwas geschrieben. Ich will ihn damit nicht schulmeistern, sondern nur zu neuem Wirken anregen. Hoffentlich habe ich das damit erreicht. Man wird zu allem möglichen, wenn solche Anregungen von seinen Kindern erhält. Ich habe dies gleich in die Maschine genommen. Als ich es durchlas, merkte ich, daß manches noch sehr abänderungsbedürftig wäre, aber dazu reicht mir leider wieder die Zeit nicht. Darum habe ich es so wie es ist, zur Absendung gebracht. Durch diese Schreiberei bleibt doch die Verbindung auch mit den Kindern einigermaßen aufrechterhalten.  Das beruhigt auch mich ein wenig, weil man durch die lange Trennung sich sonst nach und nach entfremden würde.  Auch heute kam für uns alle keine Post an, Dies nimmt man ganz gern mit in Kauf, wenn man weiß, daß dringende Transporte zur Zeit vorgehen, weil es die gegenwärtige Lage es dringend erfordert. Ich hoffe, daß sich die Lage bald wieder soweit stabilisieren wird, daß auch an unsere gedacht werden kann. Daß dadurch mein Schreibstoff sehr mager geworden ist, wird Dir auch verständlich sein. Zudem bin ich durch langes angespanntes Arbeiten etwas übermüdet. Du hast da sicherlich Verständnis dafür. Ganz ohne Gruß will ich Dich aber trotzdem nicht lassen.  Mit vielen Grüßen und recht herzlichen Küssen bin ich wie immer mit vieler Liebe Dein Ernst.

Brief 369 vom 17./18.01.1943


Mein liebstes Mädel !                                                                17.1.43    
    
Gestern bin ich nicht zum Schreiben gekommen. Post habe ich auch nicht erhalten. Aus Deinen anderen Briefen sind noch einige Dinge nicht beantwortet. Im übrigen denke ich, daß ich heute Abend wieder von Dir Post bekommen werde.  Mit unserem Jungen ist das ja wieder so eine Sache. Die Schule hat ihm am Anfang nicht gefallen. Daß die Lehrerin Tatzen ausgeteilt hat, hat ihm auch nicht in den Kram gepaßt. Ja, die Bengels werden sich entsprechend benommen haben. So eine Lehrerin kommt ja auf die Dauer bei diesen Brüdern nicht durch. Denn sobald die merken, sie gibt etwas nach, dann ist es doch aus. Das schadet nichts, wenn die ganze Gesellschaft richtig in Zuck gehalten wird. Das kommt ja auch den Eltern zuhause zugute. Das wird unserem Bengel noch öfter im Leben passieren, daß ihm Dinge begegnen, die ihm nicht in den Kram passen. Uns ist es ja auch nicht anders gegangen. Was die Äußerungen wegen des Erlernens eines Berufes anbelangt, so ist das nicht von solcher Bedeutung, als daß man das für erst nehmen muß. Er wird sich noch manchen Zwang auflegen müssen, bis er einmal soweit ist. Diesen Regungen kann er ja als Kind immer noch nachgeben. Aber da kommt er nicht drum herum, daß er erst noch tüchtig und viel lernen muß, bis er sich selbständig machen kann.  Den Brief habe ich noch nicht erhalten, in dem Du mir davon geschrieben hast, daß Helga nicht ganz auf dem Damm ist.  Hoffentlich hat sich das alles wieder gelegt, und hoffentlich hat es keine ernstlichen Folgen hinterlassen Sie hat sich ja dadurch noch einige Tage schonen können, das wird ihr bestimmt nichts geschadet haben. Daß ihr das Fell gejuckt hat, als Jörg zum Schlittenfahren ging und sie mußte im Zimmer bleiben, das ist mir verständlich. Sie wird es aber noch haben nachholen können, denn so schnell wird der Schnee nicht weggegangen sein. Durch diesen erzwungenen Zimmeraufenthalt hat sie ja Gelegenheit gehabt, sich ihr Theaterstück auszudenken. Ich muß immer wieder betonen, daß sie sich doch mit ihrer Umwelt beschäftigt und sich gleichzeitig damit ganz gut unterhält.  Mit meiner Mitteilung über das Herausnehmen der Lampen habe ich Dir anscheinend wieder Veranlassung gegeben, daß Du Dir Gedanken darüber machtest. Das ist also nicht nötig. Wir bekommen hier Kerzen zugeteilt. Aber dabei kann man ja doch nichts machen. Radio darf man laufen lassen. Ich habe mir hier eine Taschenlampe organisiert. Glühbirnen habe ich mir in Reserve gehalten, so daß ich trotzdem Licht habe. Du wirst zwar sagen, daß man das nicht darf, aber an das kann man sich ja nicht halten. Es wird vieles beim Barras verboten, was unsinnig und nicht notwendig ist und trotzdem wird es von einem kleinen Teil durchgeführt. Was notwendig ist und was einem verständlich erscheint, das wird gemacht.  Das Buch von Finkh hast Du wohl erhalten. Das ist nich schlecht und es gibt eine ganz nette Ergänzung zu den anderen Büchern. Ich denke, daß es Dir auch gefallen hat oder wird. Es kann ja sein, daß Kurt das gleiche Buch gekauft hat.  Deine Ansicht über das wenige Sich kennen zwischen Kurt und mir und andererseits zwischen Dir und Siegfried mag wohl mit Deiner Vermutung seine Richtigkeit haben. Man ist schon zu viele Jahre altersmäßig auseinander, so daß dadurch der Kontakt nicht so gegeben ist, wie wenn man so nahe beieinander ist wie unsere Beiden.  Es ist nun Abend geworden. Am Nachmittag habe ich einmal ein Bad im Waschbecken genommen, denn das war wieder einmal sehr notwendig. Es ist aber ein angenehmes Gefühl, wenn man wieder sauber ist. Später habe ich Päckchen gepackt. Je zwei Päckchen mit Öl und Honig. Sie tragen die Nummer 4 bis 7.  Ich werde sie in diesen Tagen nach und nach absenden. Ich habe nur den Wunsch, daß sie richtig und gesund in Deine Hände kommen.  Durch eingetretene Urlaubssperre bekomme ich die Sachen nicht so weg, wie ich es beabsichtigt hatte. Ich werde aber die Sachen auch so wegbekommen, denn ich habe das nicht gern hier herumliegen. Wenn man nochmals etwas bekommen sollte, dann sammelt sich das hier zu sehr an und man muß es dann mit herumschleppen.  Post ist auch heute nicht angekommen. Zur Zeit kommt die Post sehr unregelmäßig. Aber das Hoffen ist immer noch übriggeblieben.  Du mein liebes Mädel bleib gesund und lasse Dir viele herzliche Küsse geben und viele, viele Grüße übermitteln von Deinem Ernst.

Mein liebster Schatz !                                                                       18.1.43  
      
Es ist schon ½ 11 Uhr ehe ich zum Schreiben komme, aber ich will Dir doch wenigstens Deinen lieben Brief vom 7. beantworten, den ich heute erhielt. Die Briefe vom 3. und 6. sind ja noch nicht angekommen, aber die sind sicher unterwegs hängen geblieben.  Aus Deinem lieben Brief habe ich leider lesen müssen, daß unsere Helga immer noch Beschwerden hat, Ich habe die anderen Briefe von Dir noch nicht bekommen, ich will aber heute schon anfragen, warum hast Du keinen Arzt zu Rate gezogen. Ich kann zwar von hier aus nicht übersehen, ob dazu ein Arzt notwendig war. Ich möchte Dich aber trotzdem darauf hinweisen, sei vorsichtig, denn man kann das als Laie nicht so beurteilen. Ich weiß ja, daß Du alles tust, was die Besserung des Zustandes herbeiführt und daß Deine Sorge nur der Behebung des Krankheitszustands gilt. Ich wünsche mir, daß sich alles erledigt hat, bis mein Brief in Deine Hände gelang. Aber ich bitte Dich nochmals, sei auch in künftigen Fällen vorsichtig, denn schließlich können wir ja den Arzt auf Kassenkosten in Anspruch nehmen. Daß Du ihn nicht wegen jeder Kleinigkeit holen kannst und holen wirst, das weiß ich sehr gut. Endlich gab es wieder einmal ein Geschäft für Dich. Es war zwar nur eine kleine Umänderung im Zimmer der Kinder, aber damit muß man sich abfinden, denn es ist ja Krieg. Aber vielleicht kommt auch für Dich wieder einmal die Zeit, wo Du große Änderungen vornehmen kannst. So lange mußt Du Dich wieder schon gedulden.  Aber Du wirst schon damit zufrieden gewesen sein. Ich weiß, daß sich allerhand Sachen ansammeln, daß das nicht einfach ist, diese Dinge alle ordentlich unterzubringen ist mir genau so verständlich wie Deine Meinung, daß Du es nicht gern hast, wenn alles herumliegt. Anscheinend hast Du nun alles zu Deiner Zufriedenheit gelöst.  Unserem Stromer sieht es wieder einmal ähnlich, wenn er sich die Handschuhe zerrissen hat. Wenn ihm aber nichts weiter dabei passiert, ist, kann man ja ganz zufrieden sein. Das muß so nach seinem Geschmack gewesen sein, sich so lange Zeit in der Badewanne zu tummeln. Wenn Du ihm immer wieder warmes Wasser nachgeschüttet hast, dann hat er ja das Baden ausgiebig ausgenutzt. Dieser Amerikafahrer ist mir hier auch wieder begegnet.  Ich habe ihn in unserer kleinen Bücherei, die uns hier zur Verfügung steht. Ich habe wieder einmal einen Blick hineingetan, es freut einem immer wieder, wenn man darin liest, denn der Autor hat eine nette Art, die man immer wieder gern liest. Für die Kinder ist das nicht immer so einfach, das schon zu lesen. In wenigen Jahren werden sie sich aber schon darüber hermachen. Bei uns steht ihnen ja eine ausgiebige Bücherei mit vieler geistiger und unterhaltender Literatur zur Verfügung, an der sie eine Weile zu tun haben.  Ich weiß wohl, daß Du mir nicht böse darum bist, daß ich mich über die Pralinen hergemacht habe, aber ich meine immer, ich müßte alles an Euch schicken, was ich hier so außer der Reihe bekomme. Darum entschuldige ich mich auch. Aber ich habe ja immer noch von dem Weihnachtsgebäck, das Du mir gesandt hast. Wenn ich es einteile, dann reicht es noch ein Weilchen.  Meine Marmelade geht langsam zur Neige. In diesen Tagen muß ich die letzte Büchse in Angriff nehmen. Ich kann mir aber von dem uns zugeteilten Honig etwas nehmen, da habe ich auch etwas. Ich sende Dir bei Gelegenheit die Verpackung mit zurück. Wenn Du aber jetzt nichts zur Verfügung hast, dann brauchst Du mir nicht zuzusenden. Ich gehe hier schon nicht unter, da mußt Du Dir keine Sorge machen.  Von meiner Tageseinteilung kann ich Dir in abändernder Form berichten. Früh lasse ich mich gegen 6 Uhr wecken.  Um 8 Uhr fängt der Dienst an , der dann bis 1 Uhr läuft. Am Nachmittag fangen wir um 3 Uhr an und arbeiten bis 7 Uhr. Zwischen den Pausen liegen dann die Essenszeiten. Das Frühstück wird mir schon am Abend vorher mitgebracht mit der Abendverpflegung.  Mittagessen nehme ich im Unteroffizierkasino ein, die anderen Mahlzeiten auf meiner Bude, soweit es abends keine warme Verpflegung gibt. Ich weiß, daß Dich das immer interessiert. Von meiner Unterkunft muß ich etwa 3 Minuten zur Dienststelle laufen, und von der Dienststelle bis zum Kasino ist es in anderer Richtung etwa gleich weit.  Lasse Dich recht herzlich grüßen und vielmals küssen in vieler Liebe Dein Ernst.

Dienstag, 16. Januar 2018

Brief 368 vom 15.1.1943


Meine liebste Annie !                                                                         15.1.43    
   
Viel Freude haben mir Deine beiden Briefe vom 4. und 5. bereitet, die ich heute bekam. Auch die beiliegenden von den Kindern haben mir sehr gefallen. Der Mond, die Sonne, scheinen sie gegenwärtig stark zu beschäftigen. Auch die vergangenen Weihnachtstage haben sich in den Zeichnungen der Weihnachtsbäume wiedergespiegelt.  Alles ist sehr nett gemacht. Ich kann ihnen nun nicht auf jeden Brief antworten. Ich habe ja inzwischen wieder geschrieben. Bei Gelegenheit werde ich es wieder tun, sie müssen mir aber etwas Zeit dazu lassen, denn Du weißt ja selbst, daß ich immer vollauf beschäftigt bin. Ich kann ihnen aber versichern, daß sie mir immer viel Freude mit ihren Äußerungen bereiten. Das Märchen von unserem Jungen ist so richtig kindlich, aber man sieht, daß sich der Bengel mit den Dingen beschäftigt.  Eure wichtige Frage wegen des Reviers muß ich nun gleich beantworten, damit Ihr nicht allzu lang auf die Folter gespannt seid und nicht noch weitere schlaflose Nächte unnötig verbringen müsst. Ihr seid ja direkt in eine Zwangslage gekommen und bald wird ein Familienstreit ausbrechen. Laßt es aber bitte nicht soweit kommen. Soll ich es Euch erzählen oder soll ich es bleiben lassen. Ich musste am Ende doch erst feststellen, welchen Grad dieses Auseinandergehens der Meinungen schon eingenommen hat. Ich glaube aber, daß schließlich doch mein gutes Herz siegt. Ich könnte ja erst doch die anderen Dinge erledigen und wenn am Ende des Briefes noch Platz ist, darauf zurückkommen. Die Geschichte fängt nun so an. Ein leerer Saal mit Eingang und Fenstern, der einfarbig gestrichen ist. In dem 14 Betten stehen. In diesen Betten befinden sich zum Teil Kranke und zum anderen Teil kleine, weil die anderen Kameraden noch gesund sind. Ach so, die Größe des Zimmers wollt Ihr auch noch wissen. Ja, das kann man so einfach nicht sagen. Aber ich muß erst noch einflechten, ich hatte ganz vergessen, daß Decke, Fußboden und Wand auch vorhanden sind. Und nun die Größe. Ja, dieses Revier ist wahrscheinlich etwas größer wie ein Klassenzimmer, aber bestimmt nicht mehr, und weniger wohl kaum. Ja, das klingt wohl alles etwas umständlich, aber es ist doch wahr und ich denke, daß ich den Kernpunkt der Sache gestreift habe.  Ich bin heute ganz gut aufgelegt, denn ich habe ja zwei Briefe von Dir erhalten. Es ist aber noch etwas anderes. Ich habe heute zwei Flaschen Öl für Dich besorgt. Ich kann Dir nicht sagen, was das für mich für eine Freude ist. Ich weiß ja genau, was das für Dich bedeutet. Die Frage ist nur noch, wie ich es nach hause transportiere. Aber eine Flasche werde ich vielleicht einem Urlauber andrehen, der sie an Dich in der Heimat aufgibt. Nach langer Zeit war ich heute im Kino. Es war eine Veranstaltung für unsere Gruppe. Am Nachmittag wurde ein Unterhaltungsfilm mit Marika Röck gegeben. Inhaltlich war es ein großer Schmarrn, aber die Wochenschau war sehr schön. Es war eine mit den Bildern von Weihnachten. Als ich die Kinder auf der Leinwand sah, da wurde es mir wieder etwas weich zumute. Aber was nutzt das alles, man muß sich immer wieder sagen, diese Trennung von der Familie muß aus wichtigen Grünen sein. Heute Abend war noch einmal eine Kinovorstellung und zwar wurde der Film „ Die Entlassung“ gespielt, der mir sehr gut gefallen hat. Jetzt bin ich aber für die wenigen Kinobesuche in der vergangenen Zeit reichlich entschädigt worden. Dann hat mir heute noch etwas Spaß gemacht. Heute früh, als ich kurz nach  6 Uhr aufstand, da stand die Sonne schon am klaren blauen Himmel und die Bäume waren so schneebereift. Die Sonne hat dann das Weiß der Bäume fein durchgoldet. Als ich dann ins Freie kam, da wehte eine frische Luft. Es wurde mir gesagt, es wären um 30 Grad Kälte gewesen. Ich habe heute Vormittag eine Weile im Freien zu tun gehabt. Deine Fausthandschuhe habe ich mir herausgesucht.  Da habe ich die Kälte nicht so sehr empfunden. Frisch war es aber schon.  Ich bin nun wieder müde geworden. Lasse mich bitte schließen. Ich möchte Dir aber noch für die gesandten Zeitungen danken, die ich heute erhalten habe. Sie sind gut angekommen.  Lasse Du Dich und die Kinder vielmals grüßen und gleichfalls vielmals küssen von Deinem Ernst.

Meine liebste Annie !                                                                              15.1.43 
      
Ich will versuchen, Dir heute schon am Nachmittag meinen Brief anzufangen, weil ich etwas Luft habe. Man muß diese Gelegenheit ausnutzen, auch schon deshalb, weil man nicht hier sitzen kann, denn dann entsteht der Eindruck, daß man nichts zu tun hätte. Das ist im allgemeinen nicht der Fall. Unser Chef war ja über Weihnachten daheim im Urlaub und er wird in diesen Tagen zurück erwartet. Dann geht es im gestreckten Galopp weiter. Ich habe es bis jetzt geschafft, wenn auch manchmal mit Mühe, aber es ist immer gegangen. Hoffen wir, daß es auch weiter so geht.  Jetzt ist es empfindlich kalt geworden. Ich habe mir heute den dicken Pullover, den Du mir vor vielen Jahren gemacht hast, angezogen.  Ich bin direkt froh darum. Bei uns am Fenster zieht es tüchtig herein. . Da kann man etwas wärmere Sachen sehr gut gebrauchen.  Dieser Pullover ist doch schon viele Jahre alt, und ich muss sagen, daß er mir bisher gute Dienste geleistet hat. Gerade in solchen Tagen ist man um ein warmes Kleidungsstück besonders froh, wenn ich daran denke, wie wir es im vergangenen Sommer so warm hatten und wie es noch die ganze Zeit bis jetzt ausgehalten hat. Wie ich aber schon vermutete, hat sich die Kälte im Januar eingestellt. Froh kann man sein, daß es sich noch solange gehalten hat.  Es ist nun gleich Feierabend und ich bin also doch noch nicht zu Ende gekommen mit meinem Brief. Inzwischen ist auch Dein Brief vom 2.1. eingetroffen. Zur Zeit brauchen die Briefe ziemlich lange, bis sie ankommen. Man kann aus dem Posteingang immer schließen, daß wieder Störungen eingetreten sind, weil andere Transporte wichtiger gewesen sind und Vorrang haben.  Du bedankst Dich für den Honig. Damals hattest Du ihn ja noch nicht. Ich hoffe aber, daß Du ihn jetzt erhalten hast, denn ich hatte ihn einem Kameraden mitgegeben, der das Päckchen an Dich weiterleiten sollte. Wie ich Dir schon schrieb, habe ich nochmals welchen zu kaufen bekommen. Eine große Weinflasche voll habe ich auch wieder zusammengespart. Das ist nich immer der gleiche Honig, aber das macht ja nichts.  Wenn Du den bekommst, dann mußt Du ihn nochmals richtig schleudern, damit er richtig durcheinanderkommt. Es ist aber alles guter Honig, das wirst Du selbst feststellen können. Der eine Brief von mir vom 17.12. ist aber reichlich lang gegangen. Ich hoffe, daß die Briefe aus der letzten Zeit nicht solange gebraucht haben.  Sage mal, kannst du die Zeitung nicht woanders bestellen. Das ist doch wirklich kein Vergnügen, sich dauernd mit diesem Weibsstück herumzuschlagen. Ich kann das zwar nicht beurteilen, wie das mit solchen Sachen ist, aber vielleicht geht es doch woanders, dann könntest Du Dir diesen Ärger sparen. Mit dem Kelleraufräumen habe ich mich nie gern befasst. Das hast Du früher schon immer machen müssen. Ich weiß, daß Du das nicht immer lange mit ansehen konntest, dann hast Du Dich darüber hergemacht. Im Winter ist das eine wenig angenehme Beschäftigung, aber sie muß eben einmal gemacht werden. Wegen des Papiers bei den Zeitungen brauchst Du Dir keine Gedanken zu machen, denn die gehen nicht so leicht verloren. Von der Beschränkung über die Weihnachtszeit habe ich gewusst, ich denke aber, daß sie jetzt aufgehoben ist.  Wenn das die alten Schirme sind, die ich seinerzeit einmal mit aus dem Amt mitgebracht habe, dann haben die wohl bald ihren Dienst getan. Es ist ja gut, wenn sie noch einmal zurechtgestutzt worden sind, dann erfüllen sie doch eine Weile ihren Zweck. Ich wollte ja in Frankreich damals noch einen für Dich erstehen, aber das hatte dann nicht mehr geklappt. Ich finde es sehr schade, aber ich sage mir, daß ich trotzdem mit dem, was ich so habe für Euch anschaffen können, zufrieden bin, und das es gut war, daß ich damals auf die Geldsendungen so drängte. Manchmal wäre es vielleicht besser gewesen, man hätte noch mehr Geld hinübergeschickt, denn diese Sachen sind Euch doch jetzt immer wieder zustatten gekommen. Aber sind wir zufrieden, was wir geschafft haben, das ist immerhin etwas gewesen.  Sei recht schön gegrüßt und nimm viele herzliche Küsse entgegen von Deinem Ernst.

Brief 367 vom 11./12./13.1.1943


Meine Liebste !                                                                                  11.1.43  
            
Auf Deinen lieben Brief vom 30.12. möchte ich heute eingehen, weil ich gestern Dinge zu erledigen hatte, die wichtiger waren. Ich nehme an, daß sie der Reihe nach befördert werden und auch der Reihe nach ankommen. Du siehst es aber, wie ich Deine Briefe so unterschiedlich bekomme.  Mit dem weiteren Anwachsen des Sparkontos habe ich Kenntnis genommen. Das ist nun schon eine ganz beträchtliche Summe geworden. Das macht Dir sicherlich viel Freude. Ja, wenn man in Friedenszeiten immer so zurücklegen kann, dann könnte man zufrieden sein.  Ob das aber immer möglich sein wird, das ist wohl fraglich. Wir wollen jetzt erst sehen, daß wir mit heiler Haut aus diesem Schlamassel herauskommen. Das andere wird sich dann schon finden. Daß die Kinder durch ihr Sparguthaben selbst beeindruckt sind, kann ich mir denken, denn das wäre doch für uns in Friedenszeiten eine schwer zu erreichender Traum, was die beiden jetzt schon gespart haben. Daß Du dies aber erreicht hast, haben wir immerhin Deiner Sparsamkeit zu verdanken. Für die Kinder ist ja ein ersehnter Traum des Winters wenigstens teilweise in Erfüllung gegangen. Als sie den Schnee sahen, werden sie schnell ihren Schlitten hervorgeholt haben. Das gehört ja zu den Weihnachtsferien dazu. Dann können sie sich aber nicht beklagen. Ob er wohl länger liegen geblieben ist? Durch den Kauf der Fausthandschuhe für die Kinder hast Du ihnen eine Sorge abgenommen, denn nun brauchen sie doch nicht so sehr Obacht geben. Für Dich ist es entschieden auch besser, denn nur Handschuhe für die Gesellschaft stricken, das ist auch kein Vergnügen.  In den Ahnensachen brauchte ich von Dir wieder einmal eine Aufklärung.  Du mußt einmal in den Akten, also in den Schreiben, die ich aufbewahrt habe, feststellen, wie das mit der Sache Brose ist, das im Ahnenpass Nr. 11  22. Nummer 22 hat sich am 12.4.18o1 in Köthen verheiratet. Wie ich auf meine Anfrage erfahren habe, soll dieser Mann 4 X verheiratet gewesen sein. Der Irrtum liegt nun darin, daß dieser Mann sich 1.11.1801 in Nimburg verheiratet hat.  Sein Geburtsdatum wird mit 1754 angegeben. Ich glaube aber kaum, daß Du Wesentliches aus den dortigen Unterlagen feststellen kannst. Sieh aber bitte doch noch einmal vorsichtshalber nach.  Das sieht wieder einmal sehr dunkel aus. Das scheinen wieder die berühmten Schwierigkeiten zu sein. Versuche einmal was Du feststellen kannst.  Ein Päckchen habe ich noch an Euch fertiggemacht. Es enthält eine Dose Fisch und ein Fläschchen gutes Öl.  Außerdem ein Buch, das Du mir zu Weihnachten gesandt hattest, und das ich mit innerem Schmunzeln gelesen habe. Ich will aber diese Sachen nicht alle hier behalten, denn man lädt sich zu viel Ballast auf, der einem einmal im Wege sein kann. Einen Kerzenhalter von unserer Weihnachtsfeier Du kannst ihn für Euch verwenden, ihn aber auch aufheben. Das Päckchen habe ich mit Nummer 3 ausgezeichnet.  Ich kann mir vorstellen, daß die Bilder von Kurt nicht gerade schön waren im Hinblick auf die Fotografiersachen.  Mit der Batterie hatte ich es also richtig getroffen. Du kannst mir, wenn Du noch Gewicht frei hast, die alte mit hersenden, dann kann ich bei Gelegenheit wieder eine alte besorgen. Vielleicht sendest Du mir wieder einmal etwas Tonseife, von der hast Du doch welche übrig. Aber auch nur, soweit das Gewicht nicht ausgenutzt ist.  Über das Verhalten von Vater mußt Du Dich nicht weiter ärgern. Ich schrieb Dir ja schon, daß das seine Art war, so gewisse Heimlichkeiten zu haben. Das hat er früher mit uns Kinder schon immer gemacht. Dem einen hat er etwas zugesteckt, das der andere nicht wissen sollte. Jetzt, wo Ihr allein seid, merkt er, daß er eben doch nur Dich hat, und daß er weiß, was er an Dir hat. Denn das hat sich doch erst vor einigen Tagen erwiesen, als er sich einmal mit Dir ausgesprochen hat. Mit Kurt kann er das doch nicht machen, denn er hat ihn doch nicht angehört.  Mein Bogen ist zuende und ich bin auch am Ende meiner Weisheit. Lasse Dich recht herzlich grüßen und viel vielmals küssen von Deinem Ernst.
Die Briefmarken auf dem Packpapier weiche doch bitte jeweils ab.

Mein liebster Schatz !                                                                        12.1.43 
       
Das war mir eine große Freude, als ich aus Deinem heutigen Brief vom 1.1. ersehen konnte, daß mein Neujahrsbrief rechtzeitig eingetroffen ist. Dann stimmt das also doch, daß meine Briefe jetzt schneller bei Dir eintreffen. Auch mein Brief vom 24. 12.  kam schnell zu Dir. Man muß sich die Männer, die einem die Gefälligkeit  erweisen, warm halten. Ich gebe ab und zu ein paar Zigaretten. Das macht schon immer etwas aus.  Von Eurer Silvesterfeier habe ich nun auch gelesen. Du stellst ja schöne Sachen mit den Kindern an. Helga schreibt, daß sie einen kleinen Schwips gehabt hatte. Bei Helga hat sich das so ausgewirkt, daß sie am folgenden Tage die Jahre schon durcheinander geworfen hat. Sie schreibt, daß gestern der 31.12.1941 gewesen sei. Das stimmt wohl nicht ganz.  Vor lauter Jahreswechsel hat sie sicher nicht mehr gewusst, welches Jahr sich gewechselt hat und am Ende hat sie die Wechsel verwechselt. Ja, das kann kommen, wenn man so ein ausschweifendes Leben führt. Na, das ist ja alles vergänglich. 

Meine Liebe !                                                                                     13.1.43 

Ich hatte gestern diesen Brief angefangen, aber ich war sehr müde und habe mich schlafen gelegt. Ich bin gestern wieder einmal umgezogen. Ich komme mir schon vor wie ein Landstreicher. Heute hier und morgen da. Ich mache mir schon nichts mehr daraus. Die jetzt bezogene Unterkunft ist auch noch nicht endgültig. Ich habe mich darum noch nicht eingerichtet und auch nichts ausgepackt. Man verliert an allem so das Interesse, weil man das Empfinden hat, die anderen denken immer und immer wieder erst an sich. Jeder ist selbstsüchtig erst auf sich bedacht. Solange einem die Brüder vorgesetzt sind, kann man ja nichts machen. Aber diese Selbstsüchtelei geht ja durch alle Glieder hindurch. Du mußt nun nicht denken, daß das für mich noch ein Anlass zum Ärger ist. So etwas stört mich schon fast nicht mehr. Da müssen jetzt schon ganz dicke Sachen kommen, von denen ich mich aus dem Gleis bringen lasse.  Heute sind hier wieder zwei Einheimische aufgehängt worden. Ich selbst habe sie nicht gesehen, aber man hat mir gesagt, daß sie Feldpostdiebstahl begangen haben, dann Einbrüche und Raubmördersachen. Das geht dann hier ziemlich schnell, dann sind diese Kerle abgeurteilt.  Das sind hier so die Tagesereignisse, die man neben dem Wetter noch zu verzeichnen hat. Aber über das Wetter selbst habe ich schon an Deinen Vater berichtet, dem ich heute zu seinem Geburtstag geschrieben habe. Der Durchschlag liegt wieder hier bei. Die Sache wegen den Gräbern habe ich mit angeschnitten. Ob er etwas dabei erledigen kann?  Wenn Du meine Malerei für Neujahr als ganz fein bezeichnest, dann würde es mich interessieren, was dann eigentlich nicht gut ist. Wenn es Euch nur gefallen hat, und Hauptsache ist, daß man erkannt hat, was es bedeuten soll und daß es seinen Zweck erfüllt. Ich muß zwar sagen, daß ich mir wohl auch Mühe gegeben habe, aber ich bin nun einmal nicht so ein Künstler wie ihr.  Für die schnelle Übersendung der Bestecktasche danke ich Dir vielmals, mein liebes Mädel. Die hast Du wirklich sehr fein gemacht, da kann man ja direkt Staat damit machen. Man sieht doch wieder Dein Geschick und man sieht auch, daß Du Dir das überlegt hast. Also wirklich sehr nett. Warum hast Du solchen Flanellstoff genommen? Das war sicher wieder einer Deiner berühmten Reste. Ich habe sie gleich in Dienst gestellt.  Jetzt habe ich wenigstens meine Sachen versorgt. Nochmals recht herzlichen Dank dafür.  Post kam heute von Dir und auch von anderer Seite nicht an. Ich habe also eigentlich nicht zu beantworten und es liegt auch sonst nichts vor. Von gestern kann ich noch erzählen, daß ich im Theater war. Wie Du aus dem Programmzettel siehst, wurde „Madame Butterfly“ gegeben. Wirklich eine sehr schöne Veranstaltung. Wenn man die Wörter auch nicht versteht, so hat man doch etwas von der Musik und vom Gesang. Durch die kurze Einleitung, die man bekommt, kann man auch der Handlung ganz gut folgen.  Gute Nacht, mein lieber Schatz. Schlafe gut und bleibe Du, sowie auch die Kinder, gesund. Lasse Dich recht herzlich grüßen und küssen. In Liebe Dein Ernst.

Brief 366 vom 9./10.1.1943


Mein liebster Schatz !                                                                              9.1.43    
      
Nun sitzen wir wieder beisammen und können uns etwas unterhalten.  Jetzt habe ich Feierabend. Ich soll nachher zu einem kleinen Essen kommen, zu dem ich von unserem Unteroffizier eingeladen worden bin. Es gibt eine Gans, die wir zu vier Mann verdrücken wollen. Eine solche Einladung darf man nicht abschlagen. Vorher will ich aber erst noch anfangen mit Schreiben, den Rest schreibe ich dann hinterher. Weil ich gerade beim Essen bin, so will ich Dir gleich erzählen, wie es hier jetzt zugeht. Ich schrieb Dir doch schon einmal, daß es nicht so besonders ist. Am 2. Weihnachtsfeiertag hatten wir beispielsweise Eintopf. Die Zubereitung ließ dazu noch zu wünschen übrig. Am Neujahrstag war es genau so.  Ich habe mich dann beschwert, gleichzeitig im Namen der anderen Kameraden. Ich habe meinem Chef gesagt und ihm erklärt, daß das auf die Dauer nicht tragbar ist, bei dieser Ernährung den Dienst voll zu versehen. Er hat dann an seinem Esstisch die Sache mit dem zuständigen Mann besprochen. Von dort kam wohl die Erklärung, daß die Leute mit dem Essen vollauf zufrieden sind. Ich habe dazu gesagt, daß man sich bei jedem unserer Männer erkundigen kann, ob sie immer satt würden und ob es gut sei. Ich habe daraufhin nichts weiter gehört. Seit einer Woche bekommen wir nun ausreichend zu essen, so daß kein Anlass zur Klage vorliegt. Ich bin der Meinung, daß dies auf meine Beschwerde hin geordert worden ist.  Man dient sich ja nicht selbst, sondern allen denen, die mit dort verpfleget werden. Es ist  nun etwas spät geworden. Es ist Mitternacht, aber ich will Dir doch wenigstens unseren Brief noch schreiben, damit Du nicht warten mußt. Wir haben prima Gans gegessen. Ich habe etwas Wodka gestiftet, damit man das fette Essen auch verdauen kann. Die Kameraden hatten es sehr nett gemacht, es hat mir auch gut gefallen.  Ich hatte nicht erwartet, daß meine Puppen eine solche Freude auslösen würden. Dann ist mir die Ausgabe dafür auch nicht zu groß gewesen. Man meint immer, das ist doch nichts. Wenn man dann das Geld dafür ausgegeben hat, bedauert man es, weil man sich sagt, man hätte vielleicht auf andere Art und Weise mehr Freude auslösen können. Das ist aber nach dem Schreiben von Helga bestimmt nicht der Fall.  Sie ist ja ganz begeistert von ihrer Großmütigkeit, mit der sie die elternlosen russischen Kinder aufgenommen hat. Sie gibt sich ja nun auch redlich Mühe, ihnen das beizubringen, was ihnen an westlicher Kultur fehlt. In diesem Zusammenhang muß ich Dir noch berichten, daß sie einheimische Bevölkerung am 7.1. hier das Neujahrsfest begangen hat. Die gehen hier noch nach dem alten Kalender. Das ist aber die kirchliche Feier. Bei den Bolschewisten wurde das Fest wie bei uns auch am 1. Januar begangen. Da konnte man einmal sehen, daß Verschiedene sich doch sehr gut gekleidet hatten. Vor allem sah man schöne Pelze bzw. Pelzmäntel. An den Wochentagen sieht man diese Sachen weniger. Ich denke, daß Dich solche Sachen interessieren. Es ist doch eigenartig, wie diese verschiedenen Sitten von unseren Gebräuchen abweichen.  Es hat mir sehr leid getan, daß Du über die Feiertage keine Post bekommen hast. Ich habe mich auf die Kameraden verlassen, die mir sagten, daß die Post in spätestens 6 Tagen daheim sei. Ich hätte doch sonst meinen Brief durch Luftpost abgesandt.  Sei mir bitte nicht böse darum, ich hatte aber nicht mit diesem Missgeschick gerechnet. Ich werde mir das aber für die Zukunft merken. Der Kamerad sagte noch zu mir, ich sollte doch die Marke sparen, denn diese Post ginge auch nicht länger. Ich bin gespannt, wie die übrigen Briefe jetzt ankommen. Ich sende jetzt alle durch Kurier, weil ich dazu die Möglichkeit habe. Wenn Du die Post nicht schneller erhältst, dann benutze ich den alten Weg, dann brauche ich nicht erst noch gute Worte geben.  Morgen werde ich Dir mehr schreiben. Post ging keine von Dir ein. Ich habe heute im Laufe des Tages noch an die verschiedenen Pfarrämter geschrieben. Ich bin gespannt, ob ich Antworten bekomme.  Sei recht herzlich gegrüßt und viel vielmals geküsst von Deinem immer an Dich denkenden Ernst.

Meine liebe, gute Annie !                                                                        10.1.43   
    
Ich will erst das für mich heute wichtigste Ereignis des Tages vorwegnehmen. Aus den Anlagen siehst Du, daß ich wieder einen Anlass gefunden habe, ein Gesuch an die Stadtverwaltung zu starten. In unserer Zeitung erschien heute der beigefügte Artikel. Wenn die darin angeführten Vergünstigungen tatsächlich so eingeführt sind, besteht ja fast keine Möglichkeit mehr, meinem Antrag nicht zu entsprechen. Aber auf die Zeitungsschreiber kann man sich nicht immer verlassen. Ich habe mir gleichzeitig den in diesem Artikel angeführten Erlass bei dem Kollegen Herre angefordert. Man sollte ja wissen, was drinsteht.  Ich bin nur auf die Stellungnahme der Stadt gespannt. Die werden doch sicher wieder einen Ausweg suchen und vielleicht auch finden. Ich habe immer noch einen oder zwei Trümpfe in der Hand. Die werde ich aber erst dann ausspielen, wenn es notwendig und an der Zeit ist. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß man nicht locker lassen muß.  An unsere Helga habe ich heute auch geschrieben, nachdem sie mir so nette Briefe und vor allem den über die Puppen geschrieben hat. Das war mir direkt ein Bedürfnis, darauf zu antworten. Ich habe nun verschiedene Fremdwörter hineingewebt, weil Helga doch eine gewisse Schwäche für solche Dinge hat und ich denke, daß das gerade so gepasst hat. Die Schreibweise habe ich an die Sprache gehalten. Die Q müssen wie K gesprochen werden. Aber Ihr werdet Euch schon hinausfinden. Vielleicht macht es Euch Spaß.  Mein Weihnachtsbrief ist aber ziemlich spät eingetroffen. Das hat mir sehr leid getan. Mit meinen Briefen habe ich nicht immer eine glückliche Hand gehabt. Du kannst aber versichert sein, daß ich nicht daran schuld bin, denn ich glaubte, nun den Weg gefunden zu haben, auf dem Dich die Post schneller erreicht. Anscheinend ist das aber nicht der Fall. Ich hoffe, daß das wieder besser wird. Du schreibst zwar, daß Dir das nichts ausgemacht hat, aber es ist einfach nicht in Ordnung. Du weißt, daß ich in diesen Dingen großen Wert auf Pünktlichkeit lege. Daß keine Änderung in unserem Verhältnis zueinander eingetreten ist, das hast Du wohl auch während meines letzten Urlaubs gemerkt. Ich habe es gern gelesen, daß Dir meine Mitteilung in dieser Richtung Dich glücklich und froh gemacht hast. Ich bin genau so davon überzeugt, daß Du mir meine Liebe im gleichen Maße erwiderst.  Dafür danke ich Dir vielmals.  Kurt ist doch ein komischer Kerl.  Er möchte niemand wehtun. Wenigstens den fremden Menschen. Mit meinem Vater ist er ja nicht so zimperlich. Das Mädel muß er noch zum letzten Abend einladen, wo er in der Firma viel besser Gelegenheit hätte. Ich glaube, da hat es ihn geniert. Es fehlt ihm manchmal die Zivilcourage. Mit dem Abschied auf dem Bahnhof muß es ja ganz eigenartig gewesen sein. Für mich wäre diese Zwitterstellung auf die Dauer nichts. Ich würde so oder so eine Lösung suchen. Aber Kurt will mit keinem brechen und will es mit keinem verderben. Diese wenigen Minuten vor dem Abschied haben wir ja schon oft durchlebt, und ich kenne sie sehr gut. Sie gehen immer schnell vorbei. Es ist aber für beide Teile besser so. Wenn man dann wieder allein mit sich ist, dann hat man immer erst zu schaffen, bis man sich mit dieser Trennung abfindet. Also, ich kenne das nur zu genau. Das eiserne Muß steht aber jedes mal dahinter und dann muß es gehen, ganz gleich wie.  Deinen Brief vom 30.12. habe ich heute erhalten, doch zum Antworten reicht es heute nicht mehr, denn es ist schon wieder viel über Mitternacht hinaus. Ich denke, daß es mir morgen reichen wird. Ich hatte am Nachmittag einen Spaziergang unternommen, weil man einmal aus dem Bau hinaus muß, wenn man die ganze Woche drin in der Bude sitzt.  Ich glaube, daß ich davon auch die Kopfschmerzen habe. Mir hat dieser Ausgang ganz gut getan. Ich grüße dich und die Kinder vielmals und sende Euch allen recht herzlich Küsse . Dein Ernst.