Meine liebste Annie! 25.3.1943
Bei uns vergehen hier die Wochen, ohne daß man eigentlich
eine Betätigung hat, die sich nach einer Richtung positiv auswirkt. Wir kamen
hierher und glaubten anfänglich an eine Auflösung, dann an eine weitere Rückverlegung.
Das Letzere wäre wohl schon möglich gewesen, wenn sich die gesamte Lage an der
Front für uns mehr zugespitzt hätte. Zu unserer aller Glück ist dies nicht
eingetreten. Die ganze Entwicklung hast Du ja zum Teil aus meinen Schreiben
miterlebt. Das ganze Hin und Her Gezerre, das in Wirklichkeit noch viel
ausgeprägter war, wie ich es habe Dir immer mitteilen können.
Jedenfalls nach der gegenwärtigen Betrachtungsart liegen die
Dinge so, daß wir nun schon über 5 Wochen hier sitzen. Ich kann sagen, daß ich
meinen Laden soweit wieder in Ordnung habe. Es war zum Teil mit kleinen
Schwierigkeiten
verbunden, aber ich habe ihn nun soweit hingebracht. Das
wäre ja alles soweit in Ordnung, aber die Untätigkeit verdirbt auf die Dauer
den Charakter. Heute ist wohl wieder Schießen. Gestern hatten wir einen Vortrag
unseres Chefs über die Tätigkeit unserer Abteilung. Bis der Vortrag fertig war,
habe ich allerhand zu schreiben gehabt, weil unser
eigentlicher Schreiber im Urlaub ist, so daß ich für ihn
eingesprungen bin. Der zweite Schreiber ist zu langsam und bringt nichts
fertig. Er hatte sich den ganzen Vortag ins Stenogramm geben lassen.
Als
ich vorgestern Abend aus dem Kino heimkam, habe ich mir dies gleich in die
Maschine diktieren lassen. Da habe ich wieder einmal darauf los gepflastert,
das hat nur so geklappert. So nach 1 Uhr nachts waren wir damit fertig. Nachdem unser Chef noch einmal verschiedene
allerhand Änderungen vorgenommen hatte, habe ich gestern Vormittag auch noch
daran herumgemalt. Morgen haben wir wieder einen Vortrag. Du merkst, daß man
uns schon beschäftigt. Nur ist man eben aus dem Trott von früher heraus. Das
behagt einem nicht so. Vorgestern war ich in dem Film, den Du mir einmal so
empfohlen hattest „Der große Schatten“. Ich kann Dir nur zustimmen, wenn Du
damals großen Gefallen daran gehabt hattest.
Das ist ein Frühlingswetter, das ist eine wahre Pracht. Vom Dnjepr
herauf hört man die Eissprengungen. Am
Sonntag sah man wie es schon stromab trieb. Stellenweise fing es an sich zu
stauen. Man glaubt nicht, was für eine Kraft in einer treibenden Eismasse
steckt. Binnen kurzer Zeit wird aber
auch die Eisschmelze vorbei sein und der Strom ist wieder frei. Sowas kann
schon einige Sorge verursachen, denn die Brücken können durch eine Eisstauung
sehr in Gefahr kommen. Damit sind dann ja auch die Nachschubwege gefährdet. In
diesem Jahre nimmt es aber keine schlimmen Formen an, genau so wie die
Schlammperiode. Das ist ja gut für uns, wenn die Straßen schnell abtrocknen.
Bald kann dann hier auch mehr Frühjahrsbestellung begonnen werden. Je längere
Zeit uns zur Verfügung steht, umso mehr können wir ja bebauen. Die letzten gekauften Bücher haben mir schon
allerhand Freude gemacht. Bald habe ich sie ausgelesen. Dann sende ich sie Dir
mit zu. Ich habe ja schon lange keine
Päckchen mehr abgesandt Dir werden sie
sicherlich gefallen.
Verschiedenes wird Dir schon bekannt sein,. Das eine Gedicht von Claudius, das Dir immer so gefallen hat und wo es darin heißt: „Hast Du auch seine Nase nicht, so habe doch sein Herz“. Dann steht auch die Vermahnung aus Jürn Jakob Swehn drin und viele andere sehr nette, und wenn man es so sehen soll, weise Sachen. Vor allem vieles von Busch, was mir noch nicht bekannt war und was Dir sicher auch so gehen wird. Das andere Buch von Fritz Müller “Kaum genügend“ wird Dir dem Namen nach bekannt sein. Aber ich will dir den Mund nicht wässrig machen. Nimm viele liebe Grüße und Küsse entgegen. Unseren Kindern gib wieder einmal einen Dupps auf die Stirn und einen Kuß hinterher von ihrem Vater. Jörg soll deshalb nicht gleich gekränkte Leberwurst spielen und mit dazu lachen, wie es Helga sicherlich tut. Dir übermittle ich nochmals meine persönlichen speziellen Grüße und bin immer Dein Ernst.
Verschiedenes wird Dir schon bekannt sein,. Das eine Gedicht von Claudius, das Dir immer so gefallen hat und wo es darin heißt: „Hast Du auch seine Nase nicht, so habe doch sein Herz“. Dann steht auch die Vermahnung aus Jürn Jakob Swehn drin und viele andere sehr nette, und wenn man es so sehen soll, weise Sachen. Vor allem vieles von Busch, was mir noch nicht bekannt war und was Dir sicher auch so gehen wird. Das andere Buch von Fritz Müller “Kaum genügend“ wird Dir dem Namen nach bekannt sein. Aber ich will dir den Mund nicht wässrig machen. Nimm viele liebe Grüße und Küsse entgegen. Unseren Kindern gib wieder einmal einen Dupps auf die Stirn und einen Kuß hinterher von ihrem Vater. Jörg soll deshalb nicht gleich gekränkte Leberwurst spielen und mit dazu lachen, wie es Helga sicherlich tut. Dir übermittle ich nochmals meine persönlichen speziellen Grüße und bin immer Dein Ernst.
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