Donnerstag, 29. März 2018

Brief 401 vom 22.3.1943


Mein allerbestes Mädel !                                                                  22.3.43 
          
Dem Kalender nach befinden wir uns nun seit gestern im Frühling.  Das Wetter ist aber schon seit längerer Zeit so warm, sonnig und angenehm. Es ist eine Freude, hinauszusehen. Schöner wäre es zwar, wenn man draußen herumspazieren könnte, wenn man wollte. Weißt Du noch, wie wir früher um diese Jahreszeit mit dem Fahrrad hinausfuhren.
Die Kinder aufgepackt und dann ging es los. Einmal waren wir einen ganzen Tag am Mindelsee. Die Sonne meinte es so gut. Man konnte sich schon so schön im Freien aufhalten. Fast kein Mensch störte uns dort. Hinter uns war der Wald und vor uns lag im herrlichen Sonnenlicht gleißend der See. Die Tannenzapfen knisterten von der Sonnenwärme. Der Wald mit seiner Kühle nahm uns auf, als es uns über die Mittagszeit zu warm wurde. Wie viele Jahre ist das schon her? Aber auch auf unserer Schlüsselblumenwiese haben wir uns im zeitigen Vorfrühling aufgehalten. Dort kann man den Blick so schön schweifen lassen. Im Hintergrund die Schweizer Anhöhen. Davor liegt der See mit der Reichenau im schönsten Sonnenschein. Der See glitzert herauf.  Neben uns ist die eine kleine Hecke. Es raschelt darin. Eine kleine Schlange oder sind es nur Mäuse? Dunkel steht zu beiden Seiten der Wald. Der Frühlingswind geht mutwillig durch die Äste eines kleinen Bäumchens und läßt die frischtreibende Rinde aufglitzern. Es ist doch zu wunderschön im Frühling, im Frühling vor allem in der Heimat.  Wie oft sind wir den Weg gegangen unterhalb des Tabors. Der Schlehdorn blühte dort so schneeweiß.
An seinem sonnendurchwirkten Hang blühten die ersten Veilchen und die Gänseblümchen reckten sich schon zeitiger als sonstwo. Es gibt so viele schöne Fleckchen, die wir gemeinsam besuchten und an die man immer gern und mit Freude zurückdenken kann.
Mit der gestrigen Abendpost bekam ich Deine beiden Briefe vom 8. und 9.3 sowie den Brief von Helga. Ich habe mich über alles wieder sehr gefreut. Ich habe nach Deiner berichtigenden Mitteilung über den Friedhof, auf dem Kurt beigesetzt ist, nochmals auf unseren Karten nachgesehen. Ich kann diesen Ort aber nicht finden. Auf die verschiedenen Schreibarten kann man nicht immer gehen. Man hätte gern einen festen Punkt, um den die Gedanken dann kreisen könnten. Ich hoffe aber, noch dahinter zu kommen.
Helga hat sich durch meine Mahnung aufrütteln lassen und hat mir nun gleich geschrieben.
Inzwischen ist ja auch mein alter Brief an unsere beiden Schlingel bei Euch eingegangen.
Ich nehme es ihnen bestimmt nicht übel, denn sie sind ja noch Kinder und wollen ihre Freiheit haben und genießen. Man kann sie jetzt noch nicht in eine Zwangsjacke stecken. Das spätere Leben wird sie bald genug in die Zange nehmen.  Es ist mir eine große Freude, wenn ich von Dir hören kann, daß Dir meine Sendungen nützlich gewesen sind. Das ist mir der beste Dank. Ich weiß ja auch, daß Du diese Sachen einteilst und sparsam verbrauchst. Darum freut es mich, wenn ich beispielsweise lesen kann, daß Ihr Euch wieder einmal Bratkartoffeln mit Speck machen konntet. Ich bin zwar nicht genau im Bilde, was Ihr immer zugeteilt erhaltet, es ist mir nur bekannt, daß Ihr gerade Speck nicht oder sehr selten erhaltet. Daß dir der Kümmel ausgegangen ist, so daß Du nichts mehr zu trinken im Haus hattest, das war ja sehr bedauerlich.
Ich will darum bemüht sein, vielleicht noch einige Flaschen Kirsch zu bekommen. Ich habe wohl Allisch  hier, den ich Dir mit zusenden will, aber ich glaube nicht, daß er Dir im Geschmack zusagen wird. Es ist wohl auch süß, aber es kommt ja aufs Probieren an. Ich habe wirklich keine Angst, Daß Du Dich dem Saufe hingibst wie die Fromme Helene. Es soll ja nur den Gaumen anregen, wenn man nichts anderes bekommt. Sekt haben wir jetzt wohl verschiedene Flaschen daheim.  Interessiert hat mich die Zusammenstellung der Öl und der Honigsendungen. Wenn man liest, was Ihr daheim auf Eure Marken bekommt, dann ist das im Vergleich dazu herzlich wenig.
Ich möchte heute nun schließen. Die anderen Tage habe ich ja mehr geschrieben. Dies ist ja sonst mein altes Maß. Nimm recht viele liebe und herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst.

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