Freitag, 16. März 2018

Brief 396 vom 16.3.1943


Mein liebster Schatz !                                                                  16.3.43  
       
Zwei Tage bin ich nicht zum Schreiben gekommen. Durch die verschiedenen Abschlussarbeiten, die sich durch die Umänderung bei uns ergeben haben, war ich ziemlich in Anspruch genommen. Ein Schreiber ist seit einigen Tagen in Urlaub gefahren. Ich muß daher, wenn es sich um große Sachen und Dinge von wichtiger Natur handelt, selbst schreiben.  weil unser Chef noch einige Angelegenheiten zum Abschluss bringen wollte, ehe er von uns versetzt wird. Dies hat dazu geführt, daß ich mit dem Schreiben nicht so konnte, wie ich wollte. Die neueste Situation ist jetzt für mich, daß unser Chef versetzt wird mit dem Oberinspektor. Ein neuer Oberrat tritt an seine Stelle. Es verbleiben dann noch ein Kriegsverwaltungsrat, der Sonderführer und ich. Wie und wo wir dann verwendet werden, das liegt noch im Dunkel . Durch die Versetzung eines neuen Oberrats zu uns scheint man uns als Gesamtes doch bestehen lassen zu wollen. Innerhalb der Einheit gehen ja die tollsten Gerüchte herum. Eines davon war ja, daß wir nach Prag oder nach Breslau kommen sollten. Jetzt habe ich meinen Laden vollkommen in Ordnung.
Die wenigen Sachen, die noch eingehen, sind ja ohne Bedeutung. Es ist ein angenehmes Gefühl, wenn man einmal sagen kann, man ist fertig mit einer Arbeit. Der Zustand des Untätigseins darf allerdings nicht allzu lange anhalten. Daß wir etwas Abwechslung haben, dafür wird in anständiger Weise gesorgt. Neulich war ja die Stadtführung. In dieser Woche ist eine besonders für uns eingerichtete Führung durch ein kunstgeschichtliches Museum angesetzt worden, das noch nicht wieder eröffnet ist. In der letzten Woche war ich ja im Theater und im Kino. Schießen hatten wir kürzlich, für diese Woche ist es auch angesetzt. Du kannst daraus ersehen, daß man versucht, uns zu beschäftigen.
Immerhin lernt man das eine wie das andere kennen. Man bekommt doch wieder etwas mit. Wir haben uns ein Schachspiel zugelegt und wollen damit in der Zeit, in der nicht vorliegt, uns beschäftigen. Das ganze sieht zwar nicht sehr nach Einsatz aus, aber wie schnell ändern sich die Dinge. Morgen kann schon alles wieder anders aussehen, darum kann man sich als Soldat keine Gedanken machen, weil ja alles letzten Endes doch gelenkt und geleitet wird. Das Ganze ist eine Bereitschaft.
Es ist daher am besten, Befehle an uns hinzunehmen, dann geht es eben wieder los. – Ich will mich aber nun erst einmal für Deine lieben Briefe vom 3., 4. und die zwei vom 6. mit den Fotos bedanken. Die Bilder vom letzten Urlaub geben ja ein sehr finsteres Bild von mir wieder.
Wenn ich Dich damals so angesehen habe, dann muß es Dir ja schon Angst geworden sein. Es sollte ja nur Erinnerungsbilder sein. Du kannst in diesem Fall sicherlich nichts dafür. Ich will damit sagen, es liegt nicht am „Künstler“. Die anderen Bilder von unseren beiden Stromern sind ordentlich geworden. Unser Junge steht wie ein richtiger Frechdachs da und Helga wie eine angehende kleine Dame. Ich muß Dir mein Kompliment machen.
Die Jacke, die Du ihr gemacht hast, steht ihr, nach dem Bild zu urteilen, sehr gut.
Sie sehen alle Beide gesund aus. Du hast mir eine große Freude mit den Bildern bereitet und ich danke Dir dafür sehr.  Ich hatte erstgeglaubt, daß mein Brief vom 2.2. verloren gegangen ist. Nun ist er nach Deiner Mitteilung, doch noch eingetroffen. Weil er für Vater mitbestimmt war, ist es mir eine gewisse Beruhigung. Man gewinnt Abstand und man wird innerlich wohl etwas ruhiger, aber trotz allem ist es einem noch hart genug. Daß Du nun keine schwarzen Kleider trägst, ist wohl nicht unbedingt notwendig.
Es war aber wohl auch nicht notwendig, Dich darauf hinzuweisen, daß Du dies nach außen hin zum Ausdruck bringst, denn das ist ja eine Sache, die Du von Dir aus selbst machst, denn soweit kenne ich Dich doch. Das ist ein Schönheitsfehler von mir, ich bitte Dich, das zu entschuldigen. Daß dies an Vater nicht spurlos vorübergegangen ist, das kann man klar daraus erkennen, wenn er, wie Du schreibst, nicht einmal mehr Lotterie spielt. Er hat ja viel an ihm gehangen. Daß er für uns nichts in der Lotterie gewinnen braucht, ist ja vollkommen klar. Das, was er für seinen Lebensunterhalt bracht, hat er ja. wir haben ja beide unsere unzweideutige Stellungnahme in dieser Beziehung zur Kenntnis gebracht. Da Du in diesem Zusammenhang die Unschlüssigkeit Vaters schilderst, was er mit der Bausparkasse machen soll, so denke ich, daß es auch im Sinne unseres Kurt ist, wenn wir diese weiter bestehen lassen.  Vielleicht könnten wir dann die Raten übernehmen. Ich will aber gleich von Anfang an erklären, daß ich nicht auf die Raten spekuliere, denn es ist ja alles so unklar, was dann nach dem Kriege wird. Ich denke da in erster Linie daran, ob es überhaupt möglich ist, in Konstanz zu bleiben. Aber wenn jemals aus diesem Bausparvertrag etwas werden sollte, dann kann man immer noch eine Entscheidung treffen. Ich will jetzt noch keine endgültigen Entschlüsse fassen, sondern Deine Meinung darüber hören. Vielleicht hältst Du es nach Sachlage nicht für richtig, dann gib mir entsprechend Bescheid.
Daß das nicht schön ist, wenn man diese Geldzuwendungen für diesen traurigen Fall bekommt, ist auch mir vollkommen verständlich, aber es handelt sich da um Beträge, die gesetzliche Zahlungen von Reichs wegen sind und die man nicht einmal als solche zurückweisen kann.
Wieder kommst Du in Deinen Briefen auf die Angelegenheit wegen meiner Zurückstellung zu sprechen. Die Sache ist ja wohl nun geklärt. Dein Ton klang wohl etwas schärfer als er gemeint war. Ich habe darum Dein Schreiben auch nur so auffassen können, wie Du es gemeint hattest, denn ich kenne ja schließlich auch ein bisschen mein Mädel, wie sie sich in diesen Dingen verhält. Ich habe Dir ja auch meine Ansicht mitgeteilt und ich nehme an, daß dieser Fall wohl nun bereinigt ist. Aus Deinem letzten Brief glaube ich doch wohl eine ziemliche Sorge herauslesen zu können, als Du schreibst, was nun werden wird, wenn unsere Einheit aufgelöst wird. Soweit ich darüber unterrichtet bin, habe ich Dir ja immer Mitteilung darüber gegeben. – Gern habe ich auch die Mitteilung entgegen genommen vom Eintreffen weiterer Päckchen. Daß Du den Fisch gleich in ein Mittagessen verwandeln konntest, war doch sehr schön. Es bedeutet doch für Euch eine Abwechslung aus dem sonst üblichen. War denn der Speck noch gut oder hat er durch den Transport gelitten? Es wäre schade. Ich dachte aber, Ihr bekommt wohl daheim nicht gleich welchen. Ich selbst bekomme zu meiner Verpflegung ausreichend Butter, so daß ich ganz gut darauf verzichten konnte. Warum soll ich dann mehr essen, als notwendig. Euch ist das jedenfalls mehr von Nutzen.  Ich hatte schon einmal darauf hingewiesen, daß Dein Wille zum Mithelfen, wo Du es kannst, in jeder Beziehung lobenswert ist, so darfst Du auf keinen Fall außer acht lassen, daß  Du nicht über Deine Kräfte gehen darfst. Du weißt, wie es Dir vor zwei Jahren gegangen ist, als Du nicht richtig Obacht gegeben hast. Ich bin ja nicht daheim, um das notwendige Gegengewicht zu geben, wenn Du einmal meinst, Du könntest über Deine körperliche ?   mehr tun. Vergiss das bitte nicht. In solchen Fällen muß ich auf Dich sehr aufpassen. Ich denke aber, daß Du selbst so vernünftig sein wirst, das selbst einzusehen, daß Du für die Familie in erster Linie zu leben hast. Es ist bestimmt ein Zeichen der Schwäche gewesen, wenn es Dir nach diesem Grippeanfall beim Nähen schlecht wurde. Ich bitte Dich in diesem Zusammenhang aber gleichzeitig, nun nicht einen anderen Weg einzuschlagen und mir dies nicht mitzuteilen, denn es wäre mir noch bitterer, wenn ich dann eines Tages mit einer schlimmeren Nachricht überrascht würde.  Ich habe mich gefreut, daß Du nun Sämereien für den Garten bekommen hast. Denn der Garten Euch doch eine Hilfe, wie er uns in früheren Jahren auch schon genutzt hat. Ich war auch schon bemüht, hier welchen zu erhalten, aber bis jetzt erfolglos. Etwas hast Du ja noch da und wenn Du Setzlinge erhältst, dann geht es ja auch.  Wenn Du mit den Kindern in der Konditorei warst, dann ist das durchaus nicht so verwerflich, wie Du das ansiehst. Soviel kannst Du ja schon „verschwenden“, denn knapp bist Du doch wohl mit Geld nicht. Also, ich wünsche Euch noch nachträglich guten Appetit dazu. Du bist doch die ganze Zeit tätig und immer unterwegs, warum sollst Du Dir da nicht einmal etwas gönnen. Wenn die Kinder immer ihre Sache machen, dann kann man ihnen auch einmal eine Freude machen. Das ist schon recht. Was die Leute anbelangt, die mit uns gegangen sind und die, die zurückgeblieben sind, so fängt man langsam an, diese Dinge zu überblicken. Nach den Mitteilungen, die man hier bekommt, ist ja fast alles, was mit uns zusammengearbeitet hat, erschossen worden. Der Teil, der übrig blieb und noch arbeitsfähig war, ist von den Russen mitgenommen worden bzw.  in die Armee eingereiht worden.  Recht viele herzlich Küsse verbunden mit vielen Grüßen sendet Dir Dein Ernst.

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