Mein
liebstes Mädel !
12.3.43
Post habe ich weder heute noch gestern erhalten. Ich wußte gestern aber auch nichts zu schreiben. Heute kann ich es aber nicht unterlassen, denn sonst bekommst Du längere Zeit keine Nachricht von mir. Das soll nun auch wieder nicht sein. Von mir könnte ich Dir berichten, daß ich mich gesund fühle und es auch bin. Daß unser Dienst hier bedeutend ruhiger geworden ist, das schilderte ich ja schon kürzlich. Anfänglich ist das ganz nett, aber auf die Dauer ist das nicht gut. Ich denke aber, daß nun doch bald über unseren weiteren Einsatz entschieden wird. Vor einer Woche ist ein Teil in Urlaub geschickt worden, trotzdem das Urlaubssperre besteht. Man hat es getan, weil keine Beschäftigung für die Leute da war. Falls ich hier bei dem Haufen bleiben sollte, wäre das für mich immerhin sehr günstig, denn dadurch rücke ich ja weiter in der Reihe vor. Ich kann wohl noch nicht daran denken, aber solche Dinge sind beachtlich.
Das muß man ja selbst zugeben, daß es nicht allein das ist, daß die anderen in Urlaub fahren, denn dazu ist jeder Mensch zuviel Egoist, daß er nicht in dieser Beziehung an sich denkt. Man darf diesem Gefühl aber nur soweit Raum lassen, daß man in seinen Gedanken nicht gehemmt wird. Es ist doch eine schöne Erfolgsserie mit den U-Booterfolgen. Wenn man bedenkt, daß an drei Tagen hintereinander solche Meldungen durchgegeben werden konnten. Das muß sich ja mit der Zeit beim Feind bemerkbar machen. Wenn die Aushöhlung auch nur langsam vor sich geht, so muß sie mit der Zeit spürbar werden. Wenn auch die Engländer diesen Mangel in letzter Linie ihrem eigenen Volk das spüren lassen werden, damit die recht lange bei der Stange halten, aber mit der Zeit kann das sich auch nicht mehr verdecken lassen. Den Engländern kommt es ja nicht darauf an, das ihren Verbündeten und ihren Hilfsvölkern aufzubürden, was sie nicht zu tragen gewillt sind. Wollen wir den Daumen steif halten, daß wir weiter solche Erfolge erringen können. Was die Operationen um Charkow anbelangt, so interessieren die mich besonders, weil ich mich lange dort aufgehalten habe. Man kennt die Gegend und man weiß Bescheid über die ganze Lage. Ich bitte dich, mit diesem Gruß heute vorlieb zu nehmen. Bleibe gesund und lasse Dich grüßen und küssen von Deinem immer an Dich denkenden Ernst.
Meine
liebe, gute Annie !
13.3.43
Dein guter Wille, mich möglichst bald mit Deiner Ansicht auf meine Frage wegen meiner Zurückstellung bekannt zu machen, wurde von der Post leider sehr schlecht belohnt.
Dein Luftfeldpostbrief vom 24.2. hat sehr lange gebraucht und ist erst nach dem anderen zuerst geschriebenen Brief eingetroffen. Du hast ja später Deine Stellungnahme in Deinen folgenden Schreiben verfeinert und ich denke, daß mein Antwortschreiben zur Klärung der ganzen Angelegenheit beigetragen hat. Meine Entscheidung hast Du wohl erhalten , Ich hoffe, daß nun damit die ganze Angelegenheit ihre Klärung und Erledigung gefunden hat. Es ist eine heikle Angelegenheit, die man sehr schlecht mit der erforderlichen Präzision schriftlich behandeln kann. Ich glaube aber, daß Du mich trotzdem verstanden hast, warum ich dies getan habe. Ich glaube auch, daß ich mir später immer wieder sagen kann, ich habe meine Pflicht dort getan, wo mich das Schicksal hingestellt hat.
Und ich werde deshalb den Kopf genau wie jeder andere auch oben tragen können.
Das ist keine Drückebergerei, und ich betrachte das auch nicht als ein aus dem Wegegehen von Tatsachen. Aber es ist wohl nicht notwendig, daß ich all diese Dinge nochmals aufrühre. Sofern Du anderer Ansicht bist, wirst Du schon von selbst darauf zurückkommen.
Ich teile auch mit Dir die Meinung, daß man gern manchmal Worte schreiben möchte, die man nur zueinander spricht. Es handelt sich nicht darum, daß man es nicht schreiben könnte. Aber den Platz halte ich immer noch für ungeeignet. Vielleicht würden diese Dinge für den Empfänger doch etwas fad klingen. Du weißt aber doch trotz allem, was Du mir bedeutest und was Du mir bist. Es ist für uns, die wir uns nun so lange hier draußen im Feindgebiet herumtreiben, keine Kleinigkeit. Man stumpft gegen viele Dinge ab. Gewiß, ich bewege mich immerhin noch in Kreisen, wo etwas mehr Kultur herrscht, wie beispielsweise im Graben. Manche Einrichtung, die man aus dem Westen kennt, kann man hier noch genießen. Wir haben unser Bett. Es ist zwar ein Strohsack, aber immerhin , wie haben frische Bettwäsche, die wir sauber halten können. Unsere einige Wäsche können wir wechseln, wenn der Sonntag herankommt.
Fließendes Wasser kann man entnehmen. Trotz allem ist es nie so wie zuhause, denn es ist doch alles behelfsmäßig. Ich nehme das dankbar hin gegenüber anderen Kameraden, die in primitiven Verhältnissen hausen müssen. Aber trotz allem ist das Leben zwischen daheim in Friedenszeiten und dem gegenwärtigen Leben sehr unterschiedlich. Darum wird bei Eintritt von Friedensverhältnissen immerhin eine Umstellung eintreten, wenn man wieder so in das zivile Leben gesteckt wird. Das sind zwar Dinge, an die in naher Zukunft wohl noch nicht zu denken ist, aber man merkt an sich, daß man aus der ruhigen Bahn des Alltags herausgekommen ist. Das bedeutet nun nicht etwa, daß man keine Verbindung mit seinem Heim hätte.
Ganz im Gegenteil will ich behaupten, daß mir die daheim verbrachten Urlaubstage immer wieder Beweis dafür waren, daß sich zwischen uns nichts verändert hat. Die Tage verliefen immer so harmonisch und es hatte immer den Anschein, wie wenn keine langen Tage der Trennung dazwischen gelegen hätten. Daraus kann man wohl ohne weiteres schließen, daß es nicht allzu langer Zeit bedürfen wird, bis man wieder in dem Geleise ist, in das man in normalen Zeiten hineingehört. Dies wird umso leichter gelingen, wenn ich dank Deiner verständnisvollen Fürsorge in all diese Dinge wieder hineingeleitet werde. Man muß sich aber einmal mit diesen Dingen befassen, denn sie liegen einem so nahe, daß sie es schon der mühe wert sind, darüber einmal zu sprechen.
Ich grüße Dich, mein liebes Mädel, und sende Dir recht viele liebe herzliche Küsse.
Unseren beiden Stromern gib bitte wieder welche ab davon. Es denkt immer an Dich Dein Ernst.
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