Freitag, 16. März 2018

Brief 394 vom 11.3.1943


Mein liebster Schatz !                                                                    11.3.43  
       
Vorhin habe ich wieder ein Päckchen für Dich fertiggemacht. Mein Pullover, denke ich, kann ich wohl jetzt beiseite legen, denn das Wetter ist schon so angenehm, daß man an den hinter uns liegenden Winter bald nicht mehr denkt. Nur noch der Schnee läßt erinnern daran. Das Eis des Stromes bricht schon auf. Am vergangenen Sonntag war ich doch unterwegs. Unter uns lag der Dnjepr. Weit konnte der Blick schweifen.
Teilweise wurde die Eisfläche noch begangen. Aber viele offene Stellen konnte man erkennen. Der Wind kräuselte das Wasser. Trotz der Frische des Windes lag doch ein Ahnen des Frühlings in der Luft. Bald werden die letzten Spuren des Winters verwischt sein. Das Päckchen hat die laufende Nummer 33. Ich habe einige Kleinigkeiten für Euch mit beigefügt, damit Ihr nicht nur eine für Euch fast nichts bedeutende Angelegenheit erhaltet. Freut Euch daran, denn ich habe diese Dinge wieder gern besorgt.
Ich habe hier in einem Geschäft Stoßeisen für die Schuhe bekommen. Mit dem nächsten Päckchen, das ich bald wieder beieinander haben werde, schicke ich diese mit. Nägel dazu waren leider nicht zu bekommen. Ich denke aber, daß Du auch damit wieder zufrieden sein wirst. Dann habe ich aber einen dummen Kauf gemacht. Herumschleppen kann ich mich aber nicht damit, darum schicke ich Dir diesen Einkauf zurück. Was Du damit anfangen kannst, weiß ich nicht. Vielleicht kannst Du sie eintauschen oder verschenken. Mache damit, was Du für richtig findest. Du wirst schon irgendeinen Ausweg finden. Das ist seit langer Zeit, daß ich unüberlegt etwas gekauft habe. Ich werde aber in Zukunft aufpassen. Jetzt bekamen wir auch die Rechnung für die Kiste.
Ich bin froh, daß das hierher gekommen ist. So hast Du doch keine Last und keine Kosten gehabt. Die Anfuhr musstest Du wohl bezahlen, aber das wird die Welt nicht gewesen sein.  Gestern und heute war ich im Kino. Erst hatte ich den Film gesehen, von dem Ihr mir früher einmal geschrieben hattet. „Quax, der Bruchpilot“. Es ist wohl viel Quatsch, aber man muß doch lachen über das dämliche Gesicht von dem Rühmann.
Da sieht man, daß auch Dämlichkeit bezahlt wird, wenn man sie nur richtig anzuwenden weiß. Heute der Film hat mir wesentlich besser gefallen. „Zwei in einer großen Stadt“. Ich habe zwar nicht in Erinnerung, ob Du ihn schon einmal gesehen hast. Ich muß sagen, daß er mir ausnehmend gut gefallen hat. Es ist zwar allerhand, daß einem da Frauen gezeigt werden, die in leichter Unterwäsche herumlaufen. Man wird dabei zu stark an Dinge erinnert, die einem jetzt nicht zugänglich sind. Aber die ganze Art und Weise und der Aufbau des Films ist wirklich sehr angenehm.  Ich habe mich jedenfalls sehr gut unterhalten. Mit der Arbeit sind wir nun nicht mehr eingedeckt. Bald habe ich meinen Kram restlos in Ordnung. Das ist eine Sache, auf die ich früher immer hingearbeitet hatte. Ich dachte immer, das muß doch schön sein, wenn man einmal sagen kann, ich bin fertig. Jetzt ist es nun bald soweit, aber ich könnte nicht sagen, daß das ein Gefühl der Befriedigung ausgelöst hätte. Es liegt wohl daran, daß jetzt nun nichts Positives weiter vorliegt. Man schließt vollkommen eine Sache ab und weiß noch nicht, was sich dann auftut. Zudem war man es fast so gewohnt, daß es im Tempo gehen muß. Jetzt, wo es gemütlicher zugeht, kommt man ganz aus der üblichen Bahn heraus. Es kann einem Menschen gut oder schlecht gehen, nie wird er vollkommen mit seinem Zustand zufrieden sein.  Post kam heute von Dir nicht an. Ich kann ja auch nicht erwarten, daß die Post wie ein Uhrwerk präzise jeden Tag den Brief heranbringt, den Du täglich absendest, abgesehen davon, wo es Dir einmal nicht möglich ist. Die Verbindung klappt ja im allgemeinen gut, darum will ich damit zufrieden sein.  Herzlich grüße ich Dich und die Kinder und bin mit recht vielen herzlichen Grüßen und Küssen Dein Ernst. 

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