Dienstag, 13. März 2018

Brief 390 vom 05.03.1943


Mein liebster Schatz !                                                          5.3.43   
   
Jetzt werde ich wohl die letzten liegengebliebenen Briefe erhalten haben. Ich bekam heute die Briefe vom 28.1., 2., 5. und 6.2. Außerdem allerhand Zeitungen. Dann lief auf meine Anfrage vom Pfarramt in  Stabitz  eine Antwort ein, daß ich von dort zwei Urkunden erhalten könnte über den Georg Rosche. Es handelt sich um Sterbeurkunden. Die Urkunden über die Geburt können dort nicht festgestellt werden, weil die Bücher nur bis 1706 zurückreichen. Ich habe heute sofort geschrieben, ebenso nach Nimburg wegen Brose. Dem Pfarramt in Nimburg habe ich übrigens geschrieben, daß die Urkunden an Dich gesandt werden sollen. Du mußt dann die Kosten umgehend begleichen. Wenn diese Sachen eintreffen, bitte ich, mir diese Sachen abschriftlich zuzusenden, damit ich meine Unterlagen auch wieder vollständig habe. Über das Fortschreiten der Nachforschungen habe ich mich gefreut. Es ist ja im Kriege mit größeren Schwierigkeiten verbunden, aber man sieht ebenso, was man erreichen kann.  Ehe ich auf Deine Briefe weiter eingehe, will ich gleich noch eine andere Sache erledigen, über die ich Dich nicht im Unklaren sein lassen will. Wie ich Dir schon mitteilte, wird unser Haufen hier wahrscheinlich aufgelöst. Von den fünf Beamten, die wir hier sind, ist einer vorgestern abkommandiert worden. Ich hatte schon so etwas im Gefühl, als ob mir auch etwas blühen würde. Ich fragte schon meinen „lieben Arbeitskameraden“, den ich so ins Herz geschlossen habe. Er wußte von nichts. Ich bin ja schließlich nicht von gestern und merke doch, daß der Betrieb so geheimnisvoll weiterläuft. Heute habe ich nun etwas fester auf den Busch geklopft, und da mußte ich hören, daß ich schon für eine Versetzung ausersehen war, daß diese aber für das erste abgestoppt worden sei. Das besagt nun daß dies nur etwas hinausgezögert worden ist, weiter nichts. Ich muß also damit rechnen, daß ich mich in den nächsten Tagen in Bewegung setzen werde.  Wohin ist noch nicht bestimmt, aber ich glaube nicht, daß ich mich täuschen werde. Ich teile Dir dies mit, damit Du nicht eines Tages plötzlich überrascht wirst. Die anderen Drei, die dann noch verbleiben, wollen dann wahrscheinlich unter sich bleiben. Man wird es mir wohl anders sagen, aber ich habe solche Wechsel schon so oft mitgemacht, daß ich mir da schon bald nichts daraus mache. Ich sende in diesen Tagen noch verschiedene Winterbekleidungsstücke ab, damit ich diese nicht mitschleppen muß.  Den Kindern habe ich vorhin geschrieben. Ich hoffe, daß sie damit zufrieden sein werden. Ich will alle Post, die ich noch zu beantworten habe, noch vor der Veränderung erledigen, damit ich da keine Schulden habe.  Daß Du mit unserem Bengel keinen leichten Stand hast, kann ich mir vorstellen. Denn er stellt doch immer etwas an. Man kann annehmen, daß er se nicht aus Bosheit tut. Aber Kinder handeln in solchen Sachen unüberlegt.  Gerade solch ein Lauser, der denkt doch nicht weiter nach. Er dackelt einfach mit den anderen über die Wiese. Daß er von sich aus Versuche unternimmt, um seine Schuhe wieder in Ordnung zu bringen, will ja schon etwas heißen. Aber nimm sie nur ran. Wenn Du etwas zu besorgen hast, dann spanne sie nur mit an. Im allgemeinen sind sie ja auch ziemlich angespannt. Aber man kann sie wohl nicht herumbummeln lassen. Dagegen muß man ihnen auch wieder etwas Freizeit lassen.  Mit dem Öl, lese ich, hast Du Dir selbst geholfen. Wo hast Du das her, bzw.  wie hast Du das gemacht. Der Satz hat mich auch daran gestört.  Das stimmt, es riecht sehr gut. Es ist ja sehr frisch. Das ist ja aus der Ostukraine, das die Russen jetzt zum Teil wieder besetzt haben. Wahrscheinlich werden diese Sendungen nun für eine Zeit wieder nachlassen, denn man muß sich überall erst eingewöhnen und man kann doch nicht gleich anfangen mit organisieren.  Das Zusammentreffen mit Nannie ist sicherlich nicht leicht gewesen. Man merkt doch den Unterschied im Alter  zwischen ihr und uns. Man muß ja noch berücksichtigen, daß sie auf solch kleinem Kaff sitzt und dort nur ihren Mann hat. Sie lebt ja nur in ihrem kleinen Kreis. Das andere, was sie durch Briefwechsel erfährt und dadurch Anteil am Leben der anderen nimmt, das ist doch im Verhältnis reichlich wenig. Ich glaube, daß ich auch kein Verständnis für ihre Ansicht haben könnte. Dann muß man sagen, daß sie im Leben viele Enttäuschungen erfahren hat, die sie ganz mutlos machen. Ganz abgesehen davon, daß sie kein Riese ist. Wir haben aber immerhin noch eine gewisse Elastizität, die uns diese Dinge besser überwinden läßt. Mit Paula, das ist nun wieder eine Geschichte für sich. Du weißt ja, daß sie auch früher schon kein großer Held im Saubermachen war. Das sich so fadenscheinige Entschuldigungen. Die Äußerungen von ihr sind aber typisch. Ich kenne sie ja. Wenn sie meint, die Soldaten würden auch im Dreck liegen, so liegt das ja nur daran, daß es sich nicht anders einrichten läßt. Ich will Dir einmal sagen, wenn wir nicht immer von uns auf Ordnung halten würden, dann würden wir bald in unsrem eigenen Dreck verkommen. Man gestaltet sich die Bude etwas wohnlich, sobald man merkt, daß man eine Weile im Ort bleibt.  Daß Helga sich zum Ziel gesetzt hat, auch in der Größenlehre eine bessere Note zu erreichen, ist ja ein löblicher Vorsatz. Hoffentlich gelingt es ihr, damit dann ihr Bemühen belohnt wird.  Über die Zeugnisse habe ich ja schon geschrieben, darum brauche ich heute wohl keine Worte weiter verlieren. Es ist nun Mitternacht geworden. Ich möchte nun schließen und beende mein Schreiben mit recht herzlichen Grüßen und vielen Küssen von Deinem Ernst. Etwas muß ich doch immer vergessen. Man merkt, daß man alt wird. Ich habe keine Näh und Stopfnadeln mehr. Ebenso fehlt mir etwas Zwirn. Wenn Du mir wieder einmal Inspiroltabletten besorgen kannst, dann mache das bitte einmal. Wegen der Zusendung mußt Du noch warten bis sich bei mir die Lage geklärt hat.  Nochmals viele Grüße und Küsse von Deinem Ernst.

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